Die ruhige Fahrt ist längst vorbei Im Gespräch mit Ingrimm über ihr Album "Auf Gedeih Und Verderb"

Bandfoto Ingrimm
©Robert Ruidl und Ingrimm

Als sich die Formation Ingrimm 2005 in Regensburg gründete, war die Reise schnell klar. Es sollte härter und metallischer werden, als die Musik anderer Kollegen aus dem Mittelalterrock-Genre. Nach nun fast 15 Jahren und fünf Alben ist das Ziel der Reise noch lange nicht erreicht. So ist die Band zu einer festen Größe in der Szene gewachsen. Ihr letztes Werk „Auf Gedeih Und Verderb“ schlug große Wellen. Grund genug, uns einmal mit Hardy (Dudelsack) und Rene (Gesang) zusammen zu setzen.

HSF: Vorab möchten wir uns einmal für das Interview bedanken.
Schon mit euren ersten Alben war euch bewusst, ihr wollt Mittelalterrock machen – nur etwas härter als zum Beispiel einiger eurer Kollegen. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Hardy: Das liegt ganz einfach daran, dass wir als Band, abgesehen von mir, nie wirklich Mittelaltermusik gemacht haben oder auf Märkten gespielt haben. Das war auch nie unser Ansinnen. Das Gros der Band war und ist durch und durch Metaller. Daher wollten wir von Anfang an Metal spielen, nur dass wir bei Ingrimm historische Instrumente, wie Drehleier und Dudelsack, in der Rolle der Leadgitarre verwenden wollten und dies seither auch sehr konsequent machen.

HSF:
Auf den ersten drei Alben hattet ihr noch einen anderen Sänger. Der Wechsel am Gesang ist oftmals ein herber Schlag für eine Band, doch Rene konnte der markanten Gesangsstimme mehr als gerecht werden. Wie ist er zu euch gestoßen?

Hardy: Rene ist seit 2012 ein fester Bestandteil von Ingrimm. Wir kannten ihn damals bereits über eines seiner anderen Projekte.  Bereits mit dem ersten Treffen war klar, dass wir menschlich und musikalisch zusammenarbeiten wollen.

HSF: Seine musikalische Entwicklung liegt eher im Metal der 80er und 90er Jahre. Wie passt das zum Mittelalterrock oder vielmehr zum Sound von Ingrimm?

Rene
: Musiker sein heißt, auch immer etwas Neues auszuprobieren, sich vielleicht neu zu erfinden oder mal etwas zu wagen, das man bisher nicht gemacht hat. Es gibt nichts Schlimmeres wie Stillstand. Ingrimm war für mich auch eine Herausforderung die ich zu Beginn mit gemischten Gefühlen angegangen bin. Aber alles was neu ist, kann einen verunsichern, zumal Ingrimm ja schon wesentlich erfolgreicher war als meine damaligen Projekte. Diese Unsicherheit wurde mir aber schon bei der ersten gemeinsamen Session genommen. Hier zeigte sich nämlich, dass es nicht nur musikalisch passt, sondern auch menschlich. Was für eine Band eines der wichtigsten Faktoren ist, um wirklich gemeinsam an einem Strang zu ziehen.

HSF: Diesen Januar habt ihr euer neues Album rausgebracht. Was steht hinter dem Titel “Auf Gedeih und Verderb” – also warum habt ihr das Album gerade so genannt?

Hardy: “Auf Gedeih und Verderb” bedeutet ja so viel wie “um jeden Preis” oder “ohne Rücksicht auf Verluste” – und genau das ist unsere Musik für uns. Es gibt ja immer wieder Stimmen, die meinen, man müsse sich dem Mainstream beugen bzw. aus finanziellen Gründen breitentauglicher aufstellen. Aber genau das wollen wir mit Ingrimm nicht. Wir machen Musik, die uns gefällt und uns Freude bereitet. Wir werden uns nicht verbiegen – Dazu stehen wir auf “Gedeih und Verderb”! Umso mehr freut es uns dann natürlich auch, wenn wir Hörer eben für dieses Ingrimm gewinnen können.

HSF: Wie hat sich das Songwriting zum neuen Album gestaltet, gerade im Bezug mit den mittelalterlichen Instrumenten im Kontrast zum metallischen Sound?

Hardy: Das neue Album ist zum Großteil im gemeinsamen Spiel und Experimentieren im Proberaum entstanden. Immer wieder kam ein Kollege bei einer Session mit einer Idee an, die wir dann zusammen weiterentwickelt haben. Durch das gemeinsame Tun haben sich die Instrumentengruppen fließend und symbiotisch wie von alleine ineinander verflochten.

HSF: Im Vergleich zu den vorherigen Alben wirkt “Auf Gedeih und Verderb” irgendwie mittelalterlastiger. Ist das Zufall oder eine bewusste Entscheidung?

Hardy: Ganz im Gegenteil. Die Wahrnehmung können wir nicht teilen. “Auf Gedeih und Verderb” trotzt vor Ideen aus den verschiedensten Metal-Genres. Es ist vermutlich daher die metallastigste Produktion, die wir je gemacht haben. Allerdings haben wir bei den zwölf Titeln der Scheibe durchaus auch viel Zeit in die Verspieltheit und Melodieführung investiert, wodurch die Hooklines gut nach vorne kommen. Dazu kommt noch, dass die Produktion sehr gut gemixt und gemastert wurde und trotz einer sehr “lauten” CD dadurch nahezu jedes Detail in der Aufnahme hörbar ist.

HSF: Nun möchte ich gerne mal ein bisschen inhaltlich auf die neuen Songs eingehen. Als erstes fällt da “Klang Von Leder” auf, das bewusst die Thematik “Gewalt gegen Kinder” aufgreift. Ein Tabuthema zur heutigen Zeit. Wie wichtig war es euch, sich dagegen auszusprechen?

Hardy
: Gewalt gegen Kinder darf kein Tabuthema sein! Die Augen davor zu verschließen bedeutet, die Situation zu billigen und damit den Tätern Recht zu geben. Dadurch, dass wir fast alle selber Kinder haben, sind wir sehr sensibel, was das Thema betrifft. Es ist unerträglich zu wissen, wie viele Kinder jeden Tag aufs Neue in der Hölle aufwachen und für den Rest ihres Lebens beeinträchtigt werden. Jedes hat das Recht auf schönes Leben, ganz egal wie schwierig die Umstände für uns Erwachsene auch sein mögen. Dafür ergreifen wir gerne jederzeit das Wort und hoffen, den ein oder anderen Hörer zu sensibilisieren.

HSF: Mit dem “König Der Idioten” habt ihr ein Lied erschaffen, das uns gerne dazu einlädt, den Mittelfinger gegenüber Blendern zu zeigen. Steckt da eine persönliche Intention hinter?

Hardy: Nein, nicht wirklich. Wobei natürlich jeder von uns und vermutlich auch du, die ein oder andere Person kennt, die meint, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Das Lied ist allen gewidmet, die glauben, sie könnten uns oder auch dir ihre engstirnige Meinung ohne Konsequenz auferlegen.

HSF: Jeder kennt es ja, eine kleine Pechsträhne zu haben. Ich finde, “Glück In Sicht” ist einer der Songs, die dir auf die Schulter klopfen und sagen, es wird am Ende alles gut. Habt ihr euch auch immer wieder diesen Mut zusprechen müssen?

Hardy: Wer braucht denn nicht gelegentlich ein wenig Mut oder auch Trost. Das gilt doch für jeden von uns. Tatsächlich ist die Band aber von jeher schon unser persönlicher Kraftgeber. Dort hat es den Mut oder Trost deswegen nie gebraucht.

HSF: Einer meiner Lieblingssongs von “Auf Gedeih und Verderb” ist “Sturm Und Drang” . Wie ist die Idee dazu entstanden? Gerade auch im Hinblick auf die Epoche der Aufklärung?

Rene: Die Idee schlummerte schon eine Weile in mir, da man ja oft den Drang hat, etwas im Leben zu ändern, sich aber nie traut, einfach mal das Boot zu besteigen und trotz Wind und Wetter in eine neue Zukunft zu segeln. Wer möchte nicht oft mal ausbrechen aus dem hektischen und oft nervigen Alltag oder aus einer Beziehung die nichts mit dem zu tun hat, was man sich wünscht, oder einfach mal einen anderen Job machen möchte, aber  einfach nicht den Mut aufbringt, das Gewohnte zu verlassen.

HSF: Mit dem “Drachenritt” setzt ihr euch in gewisser Art und Weise mit Drogen auseinander. Wie kam diese Idee, das Thema mit einem Drachen zu vergleichen?

Rene: Bei “Drachenritt” wollte ich sinnbildlich etwas kreieren, das man mit dieser höllischen Sucht und den grausamen Folgen in Verbindung bringen kann und da bot sich das Bild des Drachen hervorragend an. Brutal, gewaltig und nicht zu zähmen. Und da ich mir diesen Rausch wie einen Flug vorstelle, hat das sehr gut gepasst. Ebenso die Auflösung zum Schluss des Liedes, in dem der Betroffene seine Sucht übersteht und auch einen Flug erlebt, der aber auf einem Adler gleitend und ruhig beschreibt und somit sanft im Leben landet.

HSF: Schon in meinem Review hab ich angedeutet, dass man “Ich Bin Ein Mann” in mehrere Richtungen interpretieren kann, doch was habt ihr euch wirklich dabei gedacht?

Rene: „Ich bin ein Mann“ setzt sich auf eine nicht ganz ernst gemeinte Art und Weise mit den uns Männern nachgesagten typischen Angewohnheiten  auseinander. Wir hatten beim Songwriting eine diebische Freude ein paar Vorurteile zu pflegen, die möglicherweise ja auch einen klitzekleinen wahren Kern haben könnten.

HSF: Bei Liedern wie “Der Letzte Tanz” oder dem neuen “Mammon” kann man immer wieder glauben, ihr hättet etwas gegen die Obrigkeit. Wie politisch sind diese Texte gemeint?

Hardy: Wir sehen uns tatsächlich als gänzlich unpolitisch. Wir geben sicher keine Wertung oder Wahlempfehlung ab.  Das bedeutet aber nicht, dass man nicht durchaus auch eine kritischen Blick auf gesellschaftlichen Entwicklungen haben darf.  Bei “Mammon” geht es um die Frage, ob Geld alles legitimieren darf  und ob Geld wirklich das Wichtigste im Leben sein muss.

HSF: Im Vorfeld ist euer Lied “Der Schinder” erschienen, das auf den gleichnamigen Roman  basiert. Wie kam es zu einer solchen Idee?

Hardy: Der „Schinder“ ist in Kooperation zum gleichnamigen Roman  mit den Autorinnen Nadine d’Arachart und Sarah Wedler entstanden. Die beiden kamen damals mit der Idee auf uns zu. Wir fanden das Buch spannend und die Autorinnen sehr sympathisch. Da haben wir kurzerhand zugesagt, einen Song für Ihr Buch zu schreiben.

HSF: Kommen wir nun zu einer Frage, die ich immer wieder gerne den Bands stelle: Wann dürfen wir euch denn das nächste Mal in Osnabrück begrüßen?

Hardy: Hoffentlich bald. Wir haben zwar keine konkreten Pläne, nehmen aber Anregungen und Einladungen gerne an.

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