Meine erste Heavy Stage Force Festival-Außenmission in diesem Jahr führt mich ins beschauliche Neudörpen im Emsland. Dort findet das erste Nacken Knacken Open Air statt. Ein Festival für Rock, Punk und Metal, das von drei Enthusiasten bei reichlich Schnaps und Bier aus der Taufe gehoben wurde. Und ab geht’s.
Nachdem die Warm-Up-Fete des Nacken Knacken Open Air am Vorabend unter heftigen Regenfällen zu leiden hatte, gibt sich der Wettergott heute freundlich. Es ist zwar etwas windig, aber ansonsten ist alles bestens. Auf dem Gelände herrscht gemütliche Frühschoppenstimmung, als die Göatenflitzer, eine kleine Blasmusiktruppe, auf die Bühne kommt und ein paar Stücke zum Besten gibt. Dann kommen die Veranstalter Tebase, Stormy und Metal Willm auf die Bühne, um das Publikum zu begrüßen.
Nach der kurzen Begrüßung startet das reguläre Nacken Knacken Programm mit einer gepflegten Runde rotzigen Punkrock. Speed Bump, die zur Hälfte aus Osnabrück und zur Hälfte aus dem Emsland kommen, machen direkt von Anfang an Alarm. Das Publikum ist zunächst noch etwas verhalten, sodass der Sänger die Anwesenden erstmal etwas näher vor die Bühne bittet. Er hat gehört, dass die Emsländer ordentlich „einen Auf können“ und will heute deshalb so richtig „durch den Tisch treten“. Es soll allerdings bis zum letzten Song dauern, bevor die Band den Zuschauern ein erstes zartes „Fuck You“ entlocken kann. Dennoch machen die Jungs richtig Spaß und liefern einen Auftakt nach Maß.
Wir bleiben punkig. Das Trio von Drugstop spielt angepissten, straighten, Hardcore Punk. Was braucht der Mensch schließlich mehr als Gitarre, Bass, Schlagzeug und Gesang. Hier und da blitzen auch melodische Elemente auf. Die kurzen, knackigen Nummern kommen druckvoll aus der PA und heizen den Leuten ordentlich ein. Ein initiierter Circle Pit funktioniert mangels Menschen zwar zunächst irgendwie nicht, wird aber Richtung Ende des Gigs erfolgreich nachgeholt. Für Begeisterung sorgt der Song „Rambo 2“, in welchem der Sänger nach eigenen Angaben den kompletten Film Rambo 2 in nur vier Zeilen verpackt hat.
The Mortis gehen mit ihrer Heavy Rock/Thrash’n’Roll-Mischung sehr gut ins Ohr, können leider aber nicht jeden sofort begeistern. Direkt am Wellenbrecher haben sich zum Beginn des Gigs lediglich vier Fans eingefunden, die die Band allerdings ordentlich abfeiern. Das Quartett auf der Bühne lässt sich derweil nicht beirren und liefert eine solide Show ab. Der Gesang klingt für mich ein wenig, wie eine Mischung aus Life Of Agony und Type O Negative. Der Gitarrist spielt stilecht im Slash Style mit Zigarette im Mundwinkel. Der Bassist sagt an, dass sie Weltmeister im „Keine Ansagen machen“ sind. Die Fans sollen sich die Ansagen also selber denken. Dafür machen sie dann aber doch eine ganze Menge Ansagen und können damit punkten. Nach dem letzten Song „Walking Dead“ wird die Truppe gar mit „Zugabe“-Rufen verabschiedet.
Bei der Metalcore-Truppe A Place To Fall aus Meppen wird es dann etwas voller vor der Bühne und erstmals am heutigen Tag kommt Bewegung in die Sache. Zu Anfang haben die Jungs ein wenig Probleme mit der Technik, weswegen sich die Ansprachen wohl in Grenzen halten. Die Leute vor der Bühne starten unterdessen schon mal mit einem Circe Pit. Als dann auf der Bühne alles soweit klar ist, geht es sofort in die Vollen. Die Truppe wirkt trotz Besetzungswechsel am Bass und Gesang gut eingespielt und kann mit ihrer Mischung aus melodischen Elementen und harten Riffs überzeugen. Auch verschiedene Lichteffekte und Rauchsäulen unterstützen das Gesamtbild. Am Ende will das Publikum noch eine Zugabe. Aber die haben die Jungs bereits gespielt.
Und dann kommen die Texas Hillbillies. Ach nee, das sind ja Home Reared Meat. Aber das Bühnenoutfit der Band spricht Bände. „Wollt Ihr Ballern?“ schreit der Sänger in die Menge und erntet dafür einen Beifallssturm. Vor der Bühne ist es jetzt richtig voll geworden. Das liegt sicherlich auch an dem Lokalmatador-Bonus der Band, die aus der direkten Umgebung kommt. Aber auch die Performance der Jungs auf der Bühne sorgt für Stimmung.
Mit verrückten Ansagen wie: „Bei uns gibt es genau so viel Inzest wie hier. Ist aber auch kein Wunder, denn wenn die nächste schöne Frau acht Kilometer weit weg wohnt, geht man halt schon mal bei der Schwester bei.“ und einer alkoholgeschwängerten Bühnenshow mit viel Faxen sorgen die emsländischen Rednecks für so manches verschmitztes Grinsen im Publikum. Musik wurde übrigens auch gemacht. Tiefe Death Metal Growls, Goregrind-Einflüsse der Marke Gutalax und schwere Death-Metal-Riffs prägen das musikalische Korsett der Band. Zwischendurch gibt es aber auch vereinzelt Clear Vocals und Screams. Insgesamt ein sehr amüsanter Auftritt, der für viele Festivalbesucher wohl der vorgezogene Headliner war.
Es folgen die Heavy Noise Rocker Gorelem aus Berlin. Hier wird es leider deutlich ruhiger vor der Bühne. Scheinbar haben sich viele bei der vorhergehenden Home Reared Meat Show derart verausgabt, dass sie jetzt erst einmal eine Pause brauchen. Für einige ist der Tag sogar anscheinend bereits jetzt vorbei. Der Frühschoppen fordert also seine ersten Opfer. Das ist wirklich schade, denn die Berliner liefern eine klasse Show ab. Der musikalische Grundtenor liegt im Motörhead-Universum und wird mit Southern Rock, sowie Sludge-Elementen aufgewertet. Hier und da erinnert das Riffing gar an Grand Magus, ist aber geradliniger und weniger episch. Zum Song „I Don’t Care“ holt der Sänger seinen Sohnemann nebst Kumpel auf die Bühne, die dem Song noch mal eine bösere Attitüde verpassen. Abgeschlossen wird der durchweg gute Gig mit dem Motörhead Cover „Ace Of Spades“.
Schwere Riffs und zumeist rotzige Vocals sägen sich ins Gehör, als Redestruction ihre Show beginnen. Das Trio aus Hamburg ist musikalisch irgendwo im Bereich, Thrash/Groove Metal mit Hardrock-Einschlag zu verordnen. Mit dem Motto: „Better save than sorrow“ fordert Sänger und Gitarrist Robin die Thekensteher auf, vor die Bühne zu kommen. „Ich hätte ja Angst, dass im Oktober wieder alles zu gemacht wird und würde deswegen jetzt mal nach vorne kommen.“ fügt er hinzu. Leider funktioniert das nur bedingt. Der gemeine Emsländer ist halt sehr thekenmagnetisch. Spaß macht die Show trotzdem. Gitarrist Robin und Bassist Hannes liefern sich auf der Bühne immer wieder kleine Gitarre/Bass-Duelle und Drummer Salih verdrischt seine Felle nach allen Regeln der Kunst. Damit wird der Auftritt nicht nur musikalisch, sondern auch optisch zu einem kurzweiligen Vergnügen.
Mount Atlas mussten ihren Auftritt ja bekanntlich wegen eines Coronafalls innerhalb der Band absagen. Daher ist als nächstes bereits der Headliner des Abends dran. Und da haben die Nacken-Knacken-Veranstalter mit der Thrash-Metal-Truppe Eradicator einen besonderen Leckerbissen an Land ziehen können. Und die haben sich heute den „Imperial March“ aus Star Wars als Intro ausgesucht. Schon jetzt merkt man, dass nun der Headliner kommt. Der Sound ist nochmals fetter, als bei den vorherigen Bands und auch an der Lautstärke scheint noch mal ein wenig gedreht worden zu sein.
Nach dem Opener „Driven By Illusion“ vom aktuellen Album „Influence Denied“ geht es mit „Possessed By The Devil“ zunächst in die Frühphase der Band, bevor es mit „Hate Preach“ wieder etwas Aktuelles gibt. Einen besonderen Stellenwert im Billing nimmt heute auch das zweite Album der Band „Madness Is My Name“ ein, welches vor zehn Jahren veröffentlicht wurde. Ansonsten beinhaltet die Setlist heute Songs aus der kompletten Diskographie der Band. Die Jungs strotzen heute übrigens nur so vor Spielfreude und machen mächtig Alarm. Mit der zunehmenden Dämmerung kommt die Lichtanlage nun auch endlich richtig zur Geltung.
Irgendwann holen die Jungs dann auch noch die Nacken-Knacken-Macher mit auf die Bühne und bedanken sich für die Einladung. Zum Ende des Auftritts startet die Band noch eine kleine Jam Session mit verschiedenen Rock- und Metal-Klassikern von unter anderem Iron Maiden, Bon Jovi und Slayer. Etwas irritiert zeigt sich allerdings Gitarrist Robb, als der Großteil der Anwesenden nur beim Nirvana Song „Smells Like Teen Spirit“ richtig abgeht. „Ist das euer Ernst? Grunge?“ schreit er ins Mikro. Das Metallica Cover „Creeping Death“ geben die Thrasher dann aber dennoch zum Besten. Danach folgen noch „Two Thousand Thirteen“ und „Capital Punishment“, bevor die Thrash-Metal-Sause ein grandioses Ende findet. Das hat richtig Spaß gemacht.
Den etwas undankbaren Job als letzte Band auf die Bühne zu gehen, übernehmen dann die Heavy Metaller Fairytale. Jetzt sind wirklich nur noch die Härtesten vor der Bühne. Für zwölf Stunden Metal und Bier scheinen viele der Anwesenden noch nicht wieder im Training zu sein. Doch auch die Band aus Recklinghausen macht ihre Sache mehr als gut und kann die Anwesenden noch einmal überzeugen. Fairytale präsentieren uns in einem kurzweiligen Set neben Bandhymnen wir „Battlestar Rising“ und „Man Or Machine“ auch einige Songs von ihrem neuen Album. Die Scheibe soll Ende des Jahres erscheinen und einige klassische Horrorfilme der 80er Jahre thematisieren.
Aber auch Stücke der Erstlingswerk „Rise Of The Twilight Lord“ werden zum Besten gegeben. Mit ihren kraftvollen Melodien, einer Menge Power und gezielt eingesetzten epischen Elementen sorgen sie für Kopfnicken und einige Pommesgabeln vor der Bühne. Stilistisch bewegen sich die Jungs irgendwo zwischen Wizard, Iron Savior und Rebellion, bewahren sich aber trotzdem eine gewisse Eigenständigkeit. Da darf man zum Ende auch noch mal zwei Coverversionen einstreuen. Erst recht, wenn es sich dabei um „Hail And Kill“ von Manowar und „Living After Midnight“ von Judas Priest handelt.
Und so geht das erste Nacken Knacken Festival irgendwie viel zu schnell zu Ende. Ein großes Lob geht raus and die Hauptorganisatoren Tebase, Stormy und Metal Willm sowie Gastronom Klaus-Otto Stricker, die hier eine tolle, gemütliche Rock- und Metal-Veranstaltung aufgeboten haben. Ganz besonders die liebevolle Platzgestaltung mit Getränkeständen, Pavillons sowie zahlreichen Sitzmöglichkeiten ist hervorzuheben. Die Stimmung war durchweg ausgelassen, fröhlich und friedlich. Sicherlich hätten dem Festival noch ein paar mehr Besucher gut getan. Aber die, die dort waren, hatten reichlich Spaß. Bleibt zu hoffen, dass es hier eine Wiederholung gibt.
Hinterlasse jetzt einen Kommentar