Festivalbericht – Ruhrpott Metal Meeting 2016

Stahl liegt in der Luft

Bereits zum zweiten Mal fand am vergangenen Wochenende in der Turbinenhalle Oberhausen wieder das Ruhrpott Metal Meeting statt. Nach der erfolgreichen Auflage des Festivals im letzten Jahr hatten die Veranstalter mit Größen wie Blind Guardian, Saxon oder Iced Earth wieder ein schlagkräftiges Billing zusammengestellt. Außerdem wurde das Festival um eine zweite Bühne, die „Flöz Stage“, auf der überwiegend Nachwuchsbands aus dem Ruhrgebiet auftraten, ergänzt.  

Freitag 02.12.2016:

Den Anfang machen am Freitag die ostfriesischen Melodic Death Doomer Nailed To Obscurity, die ich, wie viele andere, leider verpasse, weil die Türen zur Halle einfach zu spät geöffnet werden und sich der Einlass enorm hinzieht. Dementsprechend wird die Band wohl vor einer ziemlich leeren Halle gespielt haben. Das ist gerade für die Band extrem ärgerlich. Ich kann aber auch nicht verstehen, wer das geplant hat. Einlass um 17:30 Uhr und die erste Band um 17:50 Uhr. Dass das nicht funktionieren kann, hätte eigentlich klar sein müssen. Somit ist die erste Band, die ich tatsächlich live und in Farbe erlebe, die niederländische Death/Thrash Truppe Izegrim. Die Holländer um Frontfrau Marloes Voskuil wirken ziemlich agil und knüppeln sich druckvoll durch ihren Auftritt. Der Gesang erinnert dabei ein wenig an Arch Enemy. Leider ist der Sound total übersteuert und so gehen Gitarren und Gesang zumeist in einem basslastigen Gematsche unter. Schade eigentlich, denn die Truppe macht ansonsten echt Spaß.

Auch die dann folgenden Unearth zeigen, dass sie wahre Energiebündel sind. Alle Bandmitglieder toben wie wild über die Bühne, pogen, springen und fordern das Publikum zum Mitmachen auf. Lediglich Schlagzeuger Nick Pierce muss auf seinem Allerwertesten sitzen bleiben. Dafür treibt er die Band mit seinen Double-Bass-Attacken aber zügig voran und sorgt für einen ziemlich fetten Drum-Teppich. Sänger Trevor Phipps ruft derweil zum Circle Pit auf, dem wird aber nur bedingt nachgekommen. Trotzdem ist hier zum ersten Mal am heutigen Abend so richtig Bewegung vor der Bühne und die Anwesenden kommen so langsam in Wallung. Kataklysm schicken sich dann an, die Halle komplett zu zerlegen. Mit dem Doppelpack aus „Black Sheep“ und „As I Slither“ macht Sänger Maurizio Iacono dem Publikum sofort unmissverständlich klar, dass sie heute Abend nicht auf einem „Fucking Backstreet Boys Konzert“ sind, sondern auf einem Death Metal Konzert. So etwas hören die Fans natürlich gerne und quittieren diese Ansage mit lautem Grölen und in die Luft gestreckten Pommesgabeln. Auch kann man nun immer wieder wild moshende Metaller in der Halle sehen, die zu Songs wie „The Serpents Tongue“ oder dem absolut genialen „Crippled And Broken“ heftigst abgehen und diesen Auftritt somit zu einem der ersten kleinen Highlights des Abend machen.

Doch nach so viel Geknüppel wird es dann auch endlich mal Zeit für eine bierseelige Humpa-Party der finnischen Art. Und wer bietet sich da für die musikalische Umrandung besser an als Ensiferum. So werden die Schwertträger enthusiastisch begrüßt, als sie die Bühne betreten und mit „From Afar“ starten. Ich glaube zumindest, dass es das Lied ist. Leider fehlt hier nämlich der Gesang anfangs vollkommen. Zum Glück bessert sich das schnell und „In My Sword I Trust“ und „Two Of Spades“ können für ordentlich Stimmung sorgen. So langsam kann man in der Halle auch von einem halbwegs passablen Sound sprechen. Gesang und Lead-Gitarre kommen weitestgehend gut durch und auch Netta Skog ist mit ihrem Akkordeon zwischendurch wahrzunehmen. Vor der Bühne scheint auf jeden Fall alles in bester Ordnung zu sein, und es wird eine ausgelassene Party gefeiert. Höhepunkt ist natürlich die quasi Bandhymne „Lai Lai Hey“, die ja sowieso bei keinem Ensiferum Gig fehlen darf.

Mit dem Headliner Iced Earth kommt dann ein echtes Heavy Metal Schwergewicht auf die Bühne und bildet so den passenden Abschluss für diesen ersten Abend. Los geht es mit „Burning Times“, welches von der mittlerweile richtig gut gefüllten Turbinenhalle mächtig abgefeiert wird. Ein großes Lob geht hier wieder einmal an Stu Block, der seinen Job als Sänger einmal mehr richtig gut macht und es schafft, von Anfang an eine enge Bindung zum Publikum aufzubauen. Es folgen „Plagues Of Babylon“ und „Dystopia“, die beide gut ankommen. Spätestens aber bei „Vengeance Is Mine“ hat Iced Earth die Meute vor der Bühne komplett im Sack, und es entwickelt sich eine heftig heiße Metalparty, bei der sich Hit an Hit reiht. Die Band scheint ebenfalls ordentlich Spaß zu haben und so wird gemeinsam gepost und gewitzelt. Auch der Sound ist nun in Ordnung. Zwar ist der Gesang hier und da nun etwas zu laut und schreit schon fast etwas in den Ohren, dafür hat man aber endlich den Bass/Schlagzeug-Matsch in den Griff bekommen, und die teilweise verspielten Soli von Jon Schaeffer kommen sogar durch. Nach dem letzten Stück „Pure Evil“ und der Zugabe „Watching Over Me“ ist die Party dann auch schon wieder vorbei. Und die Zuschauer machen sich langsam auf in ihre Nachtquartiere.

Samstag 03.12.2016

Der zweite Tag des Festivals beginnt gegen drei Uhr mit Hopelezz, die auf der Flöz Stage auftreten. Bereits jetzt ist der Sound um einiges besser als zu weiten Teilen des Vorabends. Auch die Performance der Band ist recht ordentlich. Die Jungs posen und bangen gemeinsam und bringen damit die leider noch sehr spärlich anwesenden Headbanger in Bewegung. Mit ihrer modernen Thrash Metal Interpretation, die vor allem von dem stetigen Wechsel zwischen Growl- und Klargesang lebt, weiß zu überzeugen. Auch das Machine Head-Cover “Imperium” kommt beim Publikum gut an.

Nach dieser kleinen Einstimmung in den Tag gilt es erst einmal ein wenig das Drumherum, sprich den Indoor-Biergarten sowie die Merchstände, zu erkunden. Hier stehen im anliegenden T-Club allerlei Biertischgarnituren und diverse Händler bereit. Insgesamt ist die Auswahl schon ganz ordentlich und man kann das ein oder andere Schätzchen finden. Das reguläre Festival-Merch erscheint mir dann aber doch etwas überteuert. Festivalshirts für 25,- €, oder Blind Guardian-Tourshirts für 30,- € sind für meinen Geschmack auf jeden Fall jenseits der Schmerzgrenze. Auch die kulinarische Vielfalt des Essensangebots ist überschaubar und geht nicht weit über die obligatorische Fritte plus Bratwurst hinaus. Berappen darf man für dieses Menü im Übrigen satte fünf Euro. Der halbe Liter Bier ist, wie auch alle anderen Kaltgetränke, für 5,- € zu haben. Das hat sich ja im Ruhrgebiet weitestgehend als Normalpreis eingebürgert. Und auch das sonst recht nervige Bonsystem funktioniert an diesem Wochenende ganz passabel. Insgesamt also gut gemacht mit leichten Verbesserungsmöglichkeiten. Aber zurück zur Musik. Da die Bühne in der großen Turbinenhalle noch nicht bespielt wird, geht es also auf der Flöz Stage weiter. Und dort steht mit Delirious ein echtes Ruhrpott-Urgestein auf der Bühne. Die selbsternannten “Sons of Bay Area” bestehen schon seit Anfang der neunziger Jahre und beackern seither die Undergroundbühnen der Region. Aufgrund des verspäteten Beginns von Hopelezz verzichten Delirious auf ihr Intro und starten somit direkt in ihre intensive Thrash Metal Show. Mit ihrer Erfahrung bringen die Thrasher das Publikum schnell in Wallung und schon bald fliegen die ersten Matten. Dabei heizt Sänger Markus “Betty” Bednarek den Anwesenden mit “Hey Hey” Rufen noch zusätzlich ein. Doch Delirious können nicht nur High-Speed Thrash, sondern verstehen es auch, ruhigere Teile und klaren Gesang gekonnt mit in ihre Stücke einzubauen. Teilweise erinnert der Gesang sogar ein wenig an Savatage.

Das vordere Drittel der großen Turbinenhalle ist gut gefüllt, als die schwedischen Sleaze Rocker Sister den Startschuss für das Treiben auf dieser Bühne geben. Mit ihrer rotzigen Art kommt die Band ziemlich punkig rüber und ist recht agil auf der Bühne. Außerdem fällt auf, dass auch hier der Sound wesentlich besser ist, als noch am Vorabend. Das lässt für die weiteren Bands hoffen. Und während das Publikum vor der Ruhrpott Stage so langsam in Wallung kommt, thrashen sich Teutonic Slaugther bereits munter über die Flöz Stage. Dabei liefern die Jungs aus Gladbeck eine energiegeladene Show ab, die gekonnt die Brücke zwischen modernem Sound und authentischem Old-School Thrash schlägt. Ganz besonders die hohen Screams, die teilweise an Annihilators „Alison Hell“ erinnern, gehen durch Mark und Bein. Zum Abschluss gibt es noch „Teutonic  Witch“ vom im Januar erschienenen Album „Witches Rock `n` Roll“ welches nach bester Thrash-Manier abgefeiert wird. Mit dem verdienten Applaus verlässt die Band danach die Bühne. Wir bleiben bei der Flöz Stage, wo als nächstes die Melodeather Words Of Farewell dran sind. Mit zwei Gitarren, Bass, Keyboard, Schlagzeug und Gesang liefert die Truppe aus dem Raum Münster einen ziemlich düsteren Sound ab, der an Dark Tranquility oder die frühen In Flames erinnert. Außerdem legt die Band eine enorme Spielfreude an den Tag, was sich auch ziemlich schnell auf das Publikum überträgt. So wundert es auch nicht, dass zum Ende des Gigs dann reichlich Headbanger vor der Bühne zu finden sind und mit der Band feiern. Auf der Ruhrpott Stage machen Bliksem derweil ordentlich Alarm und bringen die Halle zum Kochen. Vor allem Sängerin Peggy Meeussen, die im Übrigen barfuß über die Bühne turnt, scheint verdammt viel Spaß zu haben und heizt den Anwesenden immer wieder ein. Und auch wenn vor der Bühne nicht so viel los ist, passt die Stimmung. Deutlich voller wird es bei Desaster, die mit ihrem Black/Thrash Metal ziemlich gut ankommen. Dabei kann die Show der Koblenzer vor allem durch ihren Abwechslungsreichtum punkten. Mal episch-melodisch, mal mit bitterbösen Riffsalven und manchmal einfach nur ziemlich groovig, kommen die Songs daher. Und auch bei der Performance auf der Bühne gibt es nichts zu meckern.

Und wieder geht es zur kleineren Flöz Stage, auf der mit Rage nun schon deren Headliner zu sehen ist. Bereits auf dem Weg dorthin wird eines klar: die Idee Rage auf der Flöz Stage spielen zu lassen und dann noch nicht einmal den Oberrang zu öffnen, kann man wohl nur als Riesenschwachsinn bezeichnen. Die kleine Turbinenhalle ist voll wie eine Sardinenbüchse und für die zuletzt Gekommenen ist kaum noch Platz. Es war ja auch nicht zu erwarten, dass Peavy und seine Jungs bei diesem quasi Heimspiel ziemlichen Zuspruch bekommen würden. Diejenigen, die es vor die Bühne geschafft haben, erleben aber eine der besten Rage Shows seit langem. Die Band ist bestens drauf und rockt sich zunächst durch neueres Material von „The Devil Strikes Again“. Danach geht es weiter mit einer bunten Mischung mit viel altem Material, was vor der Bühne extrem gut ankommt. Ganz besonders „Back In Time“ sorgt für Begeisterungsstürme. Danach kommen die alten Rage/Refuge Mitstreiter Manni Schmidt und Christos Efthimiadis auf die Bühne. Leider wurde Christos kürzlich an der Hand operiert und kann somit nicht mitspielen. Er wird aber würdig von „Lucky“ Maniatopoulos vertreten. Und auch Manni schnallt sich die Gitarre um und rockt gemeinsam mit Peavy wie in alten Zeiten. Dabei wird natürlich auf Perlen der Rage-Geschichte wie „Solitary Man“ oder „The Missing Link“ zurückgegriffen. Die Halle tobt und feiert die Band nach allen Regeln der Kunst ab. So kann es mit Rage gerne noch viele Jahre weitergehen. Bei den dann folgenden Saxon ist die große Turbinenhalle dann endgültig voll und die Stimmung auf dem Höhepunkt. Bei bestem Licht und Sound steuert Kapitän Biff Byfford das NWOBHM-Schlachtschiff sicher und voller Elan durch eine klasse Show, die keine Wünsche offen lässt. Eröffnet wird der Reigen mit „Battering Ram“ gefolgt von „Heavy Metal Thunder“ und „Sacrifice“. Das gefällt den Anwesenden, und die Band wird frenetisch gefeiert. Plötzlich fliegt sogar eine Kutte auf die Bühne. Biff fackelt nicht lange und zieht sie kurzerhand über, um damit die nächsten Songs zu singen. Und auch im weiteren Verlauf lassen Saxon nichts anbrennen und zocken Hit über Hit. Kurz vor dem Ende huldigt man noch einmal dem im letzten Jahr verstorbenen Lemmy Kilmister mit dem Motörhead-Cover „Ace Of Spades“ bevor die Show mit „Wheels Of Steel“, „20,000 ft“ und dem obligatorischen „Princess Of The Night“ zu Ende geht.

Und dann wartet die proppevolle Halle eigentlich nur noch gespannt auf den Headliner des Abends. Blind Guardian hatten im Vorfeld bereits angekündigt, das komplette „Imaginations From The Other Side“-Album zu spielen. Von daher mag der ein oder andere etwas verwundert sein, als die Show plötzlich mit „The Ninth Wave“ beginnt. Doch bereits bei der ersten Ansage lässt Hansi durchblicken, dass die Fans nicht enttäuscht werden („Wir haben heute Großes mit euch vor. Aber das müsst ihr euch erst erarbeiten.“). Nach vier weiteren Songs ist es dann soweit. Ein dünner Vorhang hinter der Bühne fällt und gibt den Blick frei auf das „Imaginations From The Other Side“-Backdrop und die ersten Klänge des gleichnamigen Albums ertönen. Sofort bricht unter den Fans großer Jubel aus. Es folgen alle Stücke des Albums in ihrer Reihenfolge. Daher verzichtet Hansi weitestgehend auf Ansagen („Ihr wisst ja, was jetzt kommt“). Es ist schon echt geil, wie die alten Schinken live rüberkommen. Und auch wenn Hansi die Scream-Vocals nicht immer ganz original bringt, so haben sie doch nichts von ihrer Intensität verloren. Mit „And The Story Ends“ endet das Konzert dann glücklicherweise noch nicht, und die Krefelder Barden legen noch eine saftige Zugabe drauf. Diese beinhaltet neben dem obligatorischen „The Bard’s Song“ und „Mirror, Mirror“ dieses Mal aber auch schon länger nicht mehr  gehörte Stücke, wie zum Beispiel „Time What Is Time“, was sehr gut ankommt. Und weil Blind Guardian mit einer Zugabe schon lange nicht mehr auskommen, geben die Jungs neben dem All-Time Klassiker „Valhalla“ auf Wunsch der Fans ganz zum Schluss auch noch „Majesty“ zum Besten. Damit überziehen die Krefelder ihren Gig mal eben um fast eine Dreiviertelstunde. Aber das stört hier heute keinen mehr und nachdem die Band die Bühne verlassen hat, blickt man durchweg in freudestrahlende Augen.

Und damit geht eine insgesamt gelungene Veranstaltung zu Ende. Hier und da gibt es auf jeden Fall Verbesserungsmöglichkeiten. Ganz besonders bei der Organisation des Einlasses und beim Sound gilt es nachzubessern. Außerdem wäre etwas mehr Essensauswahl angebracht. Das Konzept insgesamt ist aber in sich schlüssig. Gerade auch die Idee mit der Flöz Stage, auf welcher sich junge Nachwuchsbands der Öffentlichkeit präsentieren können, ist als positiv zu bewerten. Im nächsten Jahr wird es übrigens auch wieder ein Ruhrpott Metal Meeting geben. Es findet statt vom 08.12.-09.12.2017.

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