See You at The Devils Wall. Es ist wieder Rockharz Festival. Es ist wieder ungünstiger Wind beim Zeltaufbau, Wetterumschwung immer dann, wenn du es nicht gebrauchen kannst und vier Tage Anarchie im Harz. Kann es etwas schöneres geben?
Premiere: Mein erstes Festival mit Akkreditierung. Das letzte Jahr Wacken hat ja aus Gründen nicht geklappt. Ebenfalls Premiere: Der Einlass wird um zwei Stunden nach vorne verlegt. Eigentlich sollte der Campground erst ab 12:00 Uhr geöffnet werden. Da aber der Stau zumindest auf der aus Niedersachsen kommenden Seite sich bis nach Badeborn zu reichen scheint, interveniert die Polizei und veranlasst einen früheren Einlass. Geil! Während nach dem Aufbau der Tag mit alkoholischen Getränken und etwaigen “Das macht man halt auf Festivals” Sachen verbracht wird, gehen wir direkt dazu über, was ihr hier lesen wollt.
Mittwoch, 03.07.2024
Power Paladin, Islands wohl einzige Nicht-Black Metal Band eröffnen die 31. Auflage des Harzerrollers. Ihr melodischer Power Metal läuft bestens rein, auch wenn der Sound suboptimal abgemischt ist. Gerade das Schlagzeug steht viel zu sehr im Vordergrund und zerballert fies die feinen Melodien der Gitarren. Die Keyboards müssen es also richten. Zudem bekommt die Band den Award für die kürzesten Hosen des Festivals, die irgendwo zischen Hotpants und alter Deutscher Mann im Urlaub pendeln. Da es sich mit einem Keyboard nicht so gut posen lässt, hat sich der Tastenmann einfach eine aufblasbare Gitarre besorgt. Würde ich nicht wissen, dass es Isländer sind ich würde sie für Finnen halten.
Willkommen zu Grind am Nachmittag mit Baywatch Intro. Die nach einem tschechischen Abführmittel benannten Gutalax (Das Medikament wird mit einem T mehr geschrieben) zelebrieren in ihren Ganzkörper Kontaminationsanzügen menschliche Ausscheidungen auf der Bühne. Etabliert ist dabei schon seit einiger Zeit das crowdsurfende Dixi-Klo. In Ermangelung dessen steigt urplötzlich einfach ein Müllcontainer aus der Menge hervor und wird durch die Crowd nach vorne getragen. Dazu gibt’s endlose Circle-Pits mit Klobürsten, Gummipuppen und kilometerweise Toilettenpapier, welches wir vor vier Jahren noch mit Gold aufgewogen hätten. Wir leben endlich wieder über unseren Verhältnissen. Funfact: Im Nachbarcamp wird diskutiert, dass die Musik eigentlich ganz gut ist, aber warum der Frontmann einen Stimmverzerrer benutzen würde. (Tut er nicht).
Da mich das Nachmittagsprogramm nicht wirklich abholt kehre ich erst zum Headliner des Tages zurück. Vorher muss ich aber noch den Rest der Oomph! Show über mich ergehen lassen. Diese haben seit einiger Zeit mit dem ehemaligen Unzucht Sänger Der Schulz einen neuen Frontmann. Original Sänger und Gründungsmitglied Dero hatte sich zuvor als bekennender Christ “geoutet” und deswegen die Band verlassen. Wirklich verbessern tut das den stumpfen NDH Gothic Mix nicht wirklich. Bis auf “Gott Ist Ein Popstar” und “Augen Auf” findet sich für meinen Geschmack eh nichts Relevantes in der Setlist.
Bruce Dickinson hat mit “The Mandrake Project” ein extrem starkes neues Album veröffentlicht. Der Iron Maiden Frontmann ist mit seinen 66 Jahren nicht nur gut bei Stimme, sondern extremst gut in Form. Die Aufteilung seines Sets ist mehr als interessant. So eröffnet er den Set mit “Accident Of Birth”, “Abduction” und “Laughing In The Hiding Bush”. Merkt ihr was? Das alles sind seine Klassiker. Erst im Anschluss spielt er mit “Afterglow Of Ragnarok” einen Song seines aktuellen Albums. Danach folgen mit “Chemical Wedding” und “Tears Of The Dragon” zwei weitere Klassiker. Dabei greift er nicht nur auf eine LED- Videowand zurück, die auf der Rock Stage dauerhaft installiert ist. Auch führt er mit kleinen Story-Anteilen des Albums durchs Programm und wechselt blitzschnell in den typischen britischen Humor. So erzählt er uns bei “Rain On The Graves” eine Geschichte über einen Friedhof der ungefähr auf Höhe des Jack Daniels Stands befinden solle. Nur um danach direkt eine Warnung auszusprechen wie widerlich dieses Zeug doch sei und dass man es nicht trinken sollte. Und als ob das noch nicht genug ist, spielt der Alleskönner jetzt auch noch Theremin, das immerhin als schwerstes Instrument der Welt geltende …ähm ja Instrument. Klassisch ausgebildet ist er wohl.
Ebenfalls klassisch ist die Musik von Accept. Diese wird uns heute von Udo Dirkschneider kredenzt. Leider ist der Mann heute nicht wirklich bei Stimme. Die legendäre Kreissäge scheint ordentlich abgefressen zu sein und klingt heute eher wie ein gequältes kreischen. Den Fans ist es einerlei, denn diese Band ist eh nur Fanservice. Egal ob “Living For Tonight”, Princess Of The Dawn” oder eben “Metal Heart”. Alles ist bekannt und wird zur Not halt vom Publikum gesungen. Mehr als für ein kleines bisschen Nostalgie reicht es da heute leider nicht. Und auch das Outro in dem Udo Frank Sinatras “My Way” interpretiert empfinde ich als zu lang und überflüssig, da kein Bezug zum Set vorhanden ist.
Amorphis haben, ähnlich wie die Jungs von Power Paladin am Nachmittag, mit Soundproblemen zu kämpfen. Ein Phänomen, dass sich durchs gesamte Festival ziehen wird. Es ist nicht ganz die Soundkatastrophe vom Rock Hard, denn die Songs sind dieses Mal durchaus nachvollziehbar. Aber klar klingt anders. Auch die Setlist unterscheidet sich nicht stark von der des Rock Hard Festivals. Die Klassiker eben. Allerdings verzichtet man diesmal auf eine Videoshow obwohl eine Leinwand vorhanden ist.
Das Ein Mann Black Metal Abrisskommando Kanonenfieber hingegen erhält den Preis für die aufwendigste Bühnenshow des Tages. Hier wurde ein kompletter Schützengraben einschließlich Stacheldraht, Panzersperren, Sandsackbarrieren und Artilleriegeschützen aufgebaut. Letztere sind sogar funktionstüchtig und hauen immer mal wieder Funken und Bühnenbomben raus um Schüsse und Granateinschläge zu simulieren. Die vollmaskierte Band in Uniformen des Ersten Weltkriegs spielt ihr Set routiniert, aber nicht aufgesetzt runter. Zwischen Stücken wie ” Der Füsilier” oder ” Kampf Und Sturm ” gibt es keine Interaktion mit dem Publikum und gerade die späten Nachtstunden machen die Show der Bayern (Oder des Bayern?) mehr als intensiv. Klarer Tagessieger.
Der Tag endet im Nachbarcamp bei Likören und Leckereien (Verdammte Ogdenvillianer)
Die Bilder vom Rockharz Mittwoch
Donnerstag, 04.07.2024
Nyktophobie ist die Angst vor der Dunkelheit. Ironischerweise spielen Nyktophopia, die Band um den ehemaligen Dawn Of Disease Frontmann Tomasz Wisniewski, um kurz vor halb eins bei gleißendem Sonnenlicht. Macht aber nichts, da die Musik über jeden Zweifel erhaben ist. Feinster Melodic Death Metal wie “Winter Assault” oder “Millenium” läuft dermaßen gut rein, dass man die viel zu kurze Nacht besser verkraften kann. Ja, Festivalurlaub kann an die Substanz gehen.
Danach wird’s ruhiger. Das Nachmittagsprogramm ist für mich persönlich doch etwas uninteressant. Und ausgerechnet zu Bullet fängt es so stark an zu gallern, dass ich entscheide doch im Camp zu bleiben. Und das Wetter wird noch seine Folgen haben.
Bei Varg klart es dann wieder auf und auch die Sonne zeigt sich am Himmel. Die Folk/Pagan-Truppe um Sänger Freki hat nach diversen Deutschrockexperimenten vor einigen Jahren wieder zu ihren Wurzeln zurückgefunden und 2023 mit “Ewige Wacht” ein stimmiges Album auf den Markt geschmissen. Folgerichtig besteht auch der Großteil der Setlist aus eben diesen Songs. Optisch passen sowohl Bühnenbild, wie auch die Kostüme der Musiker. Zudem hat man mit Sängerin Fylgja auch noch eine stimmlich angenehme Abwechslung zur eher rauen Stimmen von Sänger Freki mit an Bord. Insgesamt eine ordentlich Show. (Erle)
Und nun willkommen zu einer neuen Episode von Pleiten Pech Und Pannen, dieses Mal in der Rage Edition. Denn nicht nur, dass der Wind die Side-Drops der Herner immer wieder umweht, folgt dem Ganzen ein spontaner Wasserfall vom Bühnendach. Die PA an der Stage ist wasserdicht. Peavys Bassverstärker nicht. Gleich an zweiter Stelle spielt man “Straight To Hell”, was an sich schon eine Überraschung ist. Doch der Bass klingt dabei so dermaßen nach Grunge, und Peavy kann sich selber gar nicht hören. Zusätzlich weht der Wind so scharf, dass man die Windgeräusche im Mikrophon hört. “Black And White” spielt er quasi taub, bevor er den Bass zur Seite stellt und das Mikro in die Hand nimmt. Er ist jetzt nur noch Sänger. Ein Anblick den man nicht so häufig bekommt. Ganz besonders, wenn man bedenkt, dass die Band in ihrer Stammbesetzung und auch heute eh nur aus drei Musikern besteht. Als man versucht einen Ersatz-Amp aufzubauen stellt sich schnell raus, dass der auch kaputt ist. Erst zu den letzten beiden Songs “The Great Old Ones” und dem ewigen Mitgröhl-Rausschmeißer “Higher Than The Sky” kann der Tieftöner wieder mitspielen. Das sind die Konzerte, die dir in Erinnerung bleiben.^^
Auch das Konzert der schwedischen Power Metaller Dynazty bleibt irgendwie hängen. Die Jungs haben richtig Laune und können das Publikum mit ihren eingängigen Songs schnell in eine feiernde Masse verwandeln. Mittlerweile hat sich auch das Wetter komplett stabilisiert und man blickt in durchweg fröhliche Gesichter, die Songs wie “Natural Born Killer” oder “Heartless Madness” sichtlich genießen und feiern. Die Jungs werde ich im Auge behalten (Erle)
Peter Tägtgren die Erste: Pain liefern den aufwendigsten Nicht-Headliner Gig ab wo gibt. Auch nutzen sie ausgiebig die Möglichkeiten der Videowall auf der Rock Stage. So werden alle ihre Songs mit kleinen animierten Intro Filmchen eingeleitet und angekündigt, sodass Tägtgren nicht ein einziges Mal die Titel der Stücke wie “Push The Pusher”, “The Great Pretender”, Going With The Flow” oder den Klassikern “Same Old Song” und “Shut Your Mouth” aussprechen muss. Dazu werden auch auffällig oft die Bühnenoutfits gewechselt. Und gerade bei “Party In My Head” dachte ich kurz, sie hätten die Jungs von Gutalax überfallen und ihre Ganzkörperanzüge mal eben farbig angesprüht. Bei “Call Me” erlauben sich die Jungs einen derart gut gemachten Joke das viele zunächst davon ausgehen, es handelt sich um eine Panne. Denn mitten im Song fällt sowohl der Ton als auch die Videowall aus und die Band verkauft das Ganze auch noch dermaßen glaubwürdig. Als dann Sabatons Joakim Broden auf dem Screen erscheint (natürlich nur eine Aufnahme) spielen Pain und der inzwischen zu einer Comic-Karikatur gewordene Broden, ein (virtuelles) Duett.
The Halo Effect müssen sich leider auch mit mittelmäßigem Sound zufrieden geben. Es ist jetzt nicht wirklich kompletter Matsch, der aus der PA kommt, aber angesichts der Tatsache, dass es nahezu windstill ist, kann man nicht einmal das Wetter dafür verantwortlich machen den Sound zu verwehen. Dennoch schaffen es die ehemaligen In Flames-Musiker eine charmante Show rüberzubringen, was nicht zuletzt auch an Frontmann Mikael Stanne liegt.
30 Jahre Hatebreed. Herzlichen Glückwunsch! Da kann man schon mal Gratulieren. Und das tun auch einige. Denn auf der Videowall werden Grüße von befreundeten Musikern als Videobotschaften präsentiert. Kollegen wie ICE-T (Bodycount) oder Randy Blythe (Lamb Of God) oder sogar Adam Scherr, Fans besser bekannt als WWE Wrestler Braun Strowman, entrichten ihre Glückwünsche. Als die sogenannte Metal-Queen Doro Pesch dann ihr Gesicht auch noch in die Kamera hält führt das zu einem kollektiven “nicht schon wieder die” Seufzer auf dem Infield. Die Band selber tritt tight wie immer auf . “Honor Never Dies”, “Destroy Everything”, “I Will Be Hard”, alles da. Und mit dem Ball Of Doom, einem riesigen schwarzen mit Luft gefülltem Ball, gibt`s auch bis zum Ende des Sets eine nette Publikumsbeschäftigung selbst für jene die schon an der Dark Stage für Hammerfall stehen.
Wo wir gerade bei Hammerfall sind. Frontmann Joakim Cans sorgt für unfreiwillige Komik im Set. Denn wie immer fragt er im Publikum nach, wer alles schon einmal Hammerfall gesehen hat und wer nicht. Um den Neulingen den Einstig zu erleichtern weist er darauf hin, dass der Name der Band hinter ihm auf dem Backdrop steht, nur um dann festzustellen, dass er das gar nicht tut. Also versucht er es verbal zu vermitteln “If I say hammer you say fall”, “If I say fall you say hammer”. Beim Zusammenfügen der beiden Worte entsteht dann logischerweise Fallhammer. Der Set ist ansonsten wie immer eine gute Mischung aus dem aktuellen und dem klassischen Material. Die Schweden mögen nichts wirklich Überraschendes mehr liefern. Aber das müssen sie auch nicht. Ihr Katalog beinhaltet genug würdiges Material für 3 Sets.
Das gilt auch für Kreator. Sie sind heute echt klassisch unterwegs. Die Videowall wird von einem klassischen Backdrop überhangen. Dafür gibt’s eine riesige aufblasbare Dämonenfresse und Köpfe, die von der Bühnendecke hängen. “Hate Über Alles” eröffnet den Set der danach in eine recht klassische Werksschau umschwenkt. Zwar werden auch Songs neueren Datums wie “Civilisation Collapse” gespielt. Aber es überwiegen Klassiker wie “Enemy Of God” , “Pleasure To Kill” oder das wie immer mit dem, leider vom Band gespieltem, “The Patriarch” Intro eröffnete “Violent Revolution”. Meine Persönliche Meinung dazu : Ja, auf Festivals sollten Bands eher ihre Klassiker zocken. Und ja, gerade die Bands der 80er stehen unter dem Fluch, dass viele ihrer (konservativen) Fans auch nur diese hören wollen. Doch gerade eine Band wie Kreator hat es vollbracht, dass ihre neueren Stücke den Klassikern in nichts nachstehen. Teilweise finde ich sie sogar besser. Ich würde mir hier etwas mehr Mut zum eigenen Schaffen wünschen, zumal die neuen Stücke auch einem breiteren Publikum bekannt sind. Wer jetzt noch Bock auf Schunkelmusik hat kann sich bei den folgenden D’Artagnan voll ausleben. Gute Nacht.
Funfact: Vor ein wenig Cringe bleibt auch das Rock Harz nicht verschont. Am Eingang zur VIP Area steht ein Beichtstuhl aufgebaut in dem ein Falk Maria Schlegel (Powerwolf Keyborder) die Absolution erteilt. Irgendwie muss ja das immer stärker auftretende Wacken-Publikum bespaßt werden.
Die Bilder vom Rockharz Donnerstag
Freitag, 05.07.2024
Mit The Night Eternal betritt eine der besten Bands des Dark Heavy Metal der letzten Jahre die Bühne. Frontsympathikus Ricardo Baum hat aber dermaßen Bock oder sechs Tassen Espresso intravenös konsumiert. Seine dunkle, aber klare Stimme trägt Songs wie “Take Me Over” oder “Prince Of Darkness”. Und dabei braucht es weder Dunkelheit noch irgendwelche Requisiten oder theatralisches Tamtam. Gekonnt ist eben gekonnt.
Requisiten und viel Tam Tam gibt es dafür dann bei Vogelfrey. Die Hamburger Gaukler-Truppe ist für ihre unkonventionelle Interpretation mittelalterlichen Liedguts und bezeichnet sich gerne auch mal als Post-Mittelalter Band. Mit ihren Gassenhauern wie “Tausend Jahre Bier” oder “Nie wieder Met” sorgen sie für eine ausgelassen Feierstimmung. Und als sich Sänger Jannik bei “Galgenvogel” dann noch mit einem Strick um den Hals von Henker-Komparsen auf die Schulter nehmen lässt sorgt das noch mal für einen zusätzlichen Jubel-Sturm. Fazit: Eine kurzweilige Show, die mit einem Kaltgetränk in der Hand für Erheiterung sorgt. (Erle)
Mit Benediction wird der Auftakt zum doppelten Death Metal Mittelfeld gesetzt. Die Briten kamen mir immer ein wenig vor, wie der stiefmütterlich behandelte hässliche Bruder von Bolt Thrower. Durchaus eine gute Band, aber irgendwie unterbewertet. Und während die Sonne gnadenlos vom Himmel hämmert, stelle ich fest, dass “Dark Is The Season”, “Jumping At Shadows” oder “Storm Crow” nicht gerade Titel sind, die zum guten Wetter passen. “Shadow World” wird sogar mit dem Vermerk “könnte abgefucked klingen” versehen.
Dying Fetus, die Band bei der ich mir sicher bin, dass sie mit einem blutverschmierten “Free Candy” Van anreisen, sind der Frickel-Death-Metal-Part des Tages. Die technisch hochtrabende Death-Metal-Variante der Amis schenkt uns Stücke wie “Wrong One To Fuck With”, das im letzten Jahr als exklusiver Shirt Druck mit der abgewandelten Textzeile “Wrong Fest To Fuck With” auf dem Party.San erschien . Dazu passt auch, dass es mittlerweile recht bewölkt ist. Regen bleibt zum Glück aus. Wobei uns das Fritz Walter Wetter eventuell gut getan hätte. Denn während auf den beiden Bühnen gerade Bands wie Unleash The Archers oder Kissin`Dynamite spielen, verliert die Deutsche Nationalelf in Stuttgart das Viertelfinale gegen Spanien, nach einem starken Spiel. Der Mutantenstadl überträgt, wenn auch ohne Ton, auf einer Großbildleinwand. Beim 1:1 Anschlusstreffer für Deutschland liegen sich dann alle in den Armen, ja liebe AfD, auch Menschen mit dunkler Hautfarbe.
Größer könnte der Kontrast nicht sein. Während die ironischerweise auf der Dark Stage spielenden Alestorm in schreiend grellen Kostümen und mit einer riesigen Gummiente ihren betrunkenen Pirate Metal ins Publikum ballern herrscht auf der Rock Stage dunkle Stimmung. Dimmu Borgir setzen auf grau, weiß und schwarz. Ihr farbloses Backdrop mit einem düsteren Kastel erinnert stark an das Cover ihres Debüt Albums “For All Tid”, welches zufälligerweise sogar bei No Colors erschien. Optisch ist die Band über jeden Zweifel erhaben. Der Sound ist allerdings leider genauso farblos wie das Bühnenbild. Der Gesang geht fast komplett unter, das Schlagzeug ballert unangenehm und die Keyboards sind nur dann zu hören, wenn der Rest der Band nicht spielt. Unerklärlich für mich auch, warum beim Intro von “Dimmu Borgir” nicht auf die Chöre zurückgegriffen wird, die man aus der Studioversion kennt, sondern die Band selber versucht diese zu singen. Aber genauso unerklärlich ist es mir, warum mein Nebenmann plötzlich ohne Vorwarnung zum Crowdsurfen ansetzt und sich beim Hochstemmen auf meiner Kehle abstützt und mir somit die Luft abschnürt. Die beiden Frauen hinter mir, die sicher Stunden für ihr Corpsepaint investiert haben, leisten aber sofort Hilfe. Danke dafür an dieser Stelle. Merke, je verstörender eine Person aussieht desto hilfsbereiter scheint sie zu sein.
Die Bilder vom Rockharz Freitag
Samstag, 06.07.2024
Die blutjungen Dänen von Nakkenknaekker, die Jungs sind im Durchschnitt nicht älter als 17, eröffnen den letzten Festivaltag. Ihr Death Metal klingt gewaltig. Und wenn sie weiter dran bleiben steht ihnen eine große Karriere im Extreme-Metal-Bereich bevor. Warum ihr Drummer aber unbedingt oben ohne spielen muss, obwohl er nicht gerade die krassesten Apps und Packs vorzuweisen hat, kann ich nicht sagen. Ihr gesamtes Setup ist ein gutes Stück nach vorne verlagert. Im Hintergrund wurde schon verdeckt die Produktion von Judas Priest aufgebaut. Nur das gewaltige Kreuz der Band hängt schon unverhüllt unter dem Bühnendach. Vorteil für die Dänen ist, dass dadurch die Musiker auch weiter vorne gut zu sehen sind und nicht von der Größe der Bühne verschluckt werden.
Parasite Inc. sind eigentlich schon alte Hasen. Ihr erstes Album “Time Tears Down” wurde bereits 2013 veröffentlicht. Trotzdem ist die Band nie so wirklich über den Newcomer Status hinausgekommen. Schade eigentlich, denn die Jungs aus Aalen liefern echt coolen Melo-Death ab, der ordentlich nach vorne geht. Allein das super groovende “Headfuck Rollercoaster” war es wert zu so früher Stunde vor der Bühne zu stehen. Macht weiter so! (Erle)
Knife aus Marburg spielen eine speedige Version des Black Thrash Metals. Dafür braucht’s nicht mal ‘ne spektakuläre Produktion. “The Realm Of Violence” oder “Night Vision” schallern ordentlich rein. Dazu übernimmt Sebastian von Napalm Records heute den Bass.
Nun machen wir eine kleine Zeitreise ins 19. Jahrhundert zu den Herren von Coppelius. Die liefern in Frack und mit Zylinder wie gewohnt eine gediegene Show ab. Während sich die Klarinettisten Max Coppella und Comte Caspar gekonnt musikalisch duellieren werden sie von Cello- und Kontrabassklängen begleitet und zwischendrin schwadroniert Sänger und Diener Bastille auch noch hin und her. Dazu sorgt das Schlagzeug für die notwendige Durchschlagskraft, sodass auch das Publikum schnell in Bewegung kommt. Neben den etlichen Eigenkompositionen kommen beim Publikum aber vor allem das Iron Maiden Cover “Murders In the Rue Morgue” und das System of a Down Cover “Chop Suey!” an. (Erle)
Auch Mystic Prophecy reißen mit ihrem stampfenden Heavy Metal mächtig ab. Frontmann Roberto Dimitri Liapakis brilliert mit seinen markanten Vocals und die Band lässt Stücke wie “Metal Divison” oder “Killhammer” wie ein mächtiges Gewitter über das Festivalgelände ziehen. Das scheint jedoch auch den (Un)Wettergott heraufzubeschwören, denn die Band kann gerade noch ihren Set beenden, bevor sich am Himmel dunkle Wolken zusammenbrauen. (Erle)
Nachdem ich aus freien Stücken aufgrund des schlechten Wetters am Donnerstag bereits Bullet ausgelassen habe, stehen Nestor und Avatarium sehr hoch auf meiner Prioritätenliste. Dafür bekomme ich sogar einen Regenponcho gestellt. Doch leider meldet der Deutsche Wetterdienst Unwettergefahr mit Blitzschlag. Zwar kommt es letzten Endes nicht soweit, aber dennoch muss der Veranstalter das Infield räumen lassen, um für die Sicherheit aller Gäste zu sorgen. Die Auftritte von Nestor, Avatarium und Draconian fallen dem leider zum Opfer. Besonders schade ist das für Draconian, da diese nun schon zum vierten Mal für das Rock Harz gebucht wurden und schon zum vierten Mal nicht auftreten konnten.
Erst mit Orden Ogan kann das Bühnenprogramm wieder planmäßig fortgesetzt werden. Die inzwischen zu einem Quintett angewachsenen Sauerländer eröffnen ihren Set mit “F.E.V.E.R.”. Frontman Seeb ist inzwischen wirklich nur noch das, Ein Frontmann! Er spielt kein Instrument mehr und kann sich so voll und ganz auf den Gesang konzentrieren. So arbeitet sich die Band, deren Bühnenbild im Stil einer Haunted Mansion mich etwas an King Diamond denken lässt, durch eine Setlist mit Stücken wie “Conquest”, “Moonfire”, “Otherside” oder dem unverzichtbaren “Things We Belive In”. Dass Seeb zudem riesiges Charisma hat lässt die ganze Chose noch kurzweiliger werden.
Not macht erfinderisch. Da es keine Stehtische gibt, haben sich die Jungs direkt vor mir eine Mülltonne ins Infield gezogen und verwenden sie als Bierablage. Das geht auch erstaunlich gut. Auch wenn man bedenkt, dass die Schweden Soilwork ein dermaßen schnelles Melo-Death Set spielen, dass es zu erhöhter Pit-Gefahr kommt. Egal ob das eröffnende “Stabbing The Drama” oder “Death Divided”, es kreiselt ununterbrochen im Infield. Und Überraschung, Überraschung. Der Sound ist für die Verhältnisse der letzten Tage und das, was man aus früheren Jahren von der Band gewohnt war, glasklar.
Schandmaul sind nach der Krebserkrankung von Sänger Thomas Lindner erst kürzlich wieder auf die Bühne zurückgekehrt. Der Frontmann ist auch selber auf der Bühne und berichtet, dass er den Krebs besiegt habe, die Therapie aber Spuren an seiner Stimme hinterlassen habe, sodass die Vocals heute von seinem Vocal-Coach Marco Klingel übernommen werden. Linder selbst lässt derweil die Saiten seiner Gitarre erklingen. Ein emotionaler Moment, der vom Publikum mit viel Beifall beantwortet wird. Gastsänger Marco Klingel macht seine Sache wirklich gut und wird vereinzelt auch noch von Saltatio Mortis Sänger Alea unterstützt. Es bleibt dennoch zu hoffen, dass Thomas schnell wieder seine volle Gesangskraft zurückgewinnt, denn Schandmaul sind eben nur mit seinem markanten Gesang wirklich Schandmaul. (Erle)
Judas Priest auf dem Rock Harz. Das fühlt sich immer noch surreal an. Aber sie sind hier. Die Bühne ist voll ausstaffiert. Die Videowall wird wahlweise zum Einspielen von Grafiken oder ganzen Videosequenzen während der Songs genutzt. Mit “Panic Attack” vom aktuellen Album “Invincible Shield” eröffnen die Briten ihren Set und wechseln dann mit “You`ve Got Another Thing Comin’ direkt in die Klassikerabteilung. Und da bleiben sie auch. Denn mit “Breaking The Law” haut man die Hits direkt schon zu Beginn des Sets raus. Interessanter Funfact: Bei “Down The Highway” wird auf der Leinwand eine Fahrt über Selbigen simuliert. Anscheinend hat man aber für die Shows außerhalb von UK daran gedacht den Verkehr auf rechts zu legen. Und überhaupt sieht das Ganze einer deutschen Autobahn sehr ähnlich. Das einst so ungeliebte “Turbo Lover” ist heute ein Instant Klassiker und mit “Invincible Shield” kommt dann auch noch mal der Titelsong des neuen Albums an die Reihe. Danach geht’s aber sofort wieder in die Klassiker zurück. “Painkiller” und “Electric Eye”. Und selbstverständlich fährt Rob Halford bei ” Hell Bent For Lether” mit der Harley vor. Für die Oldschool Wrestling Fans gibt’s dann zum Abschluss nochmal “Living After Midnight” und dann ist die Sache doch rund. Lediglich das peinliche Zuschauer Singspiel hätte sich der Herr Metal God sparen können.
Peter Tägtgren die Zweite. Effizienteres Booking geht wohl anders und so tritt Peter erst zwei Tage nach Pain mit seinem eigentlichen Mutterschiff Hypocrisy auf. Im Dunkeln kommt das Ganze noch mal ordentlich kantiger rüber. “Fire in The Sky”, Don´t Judge Me” oder “Rosswell47” kommen immer gut. Für meinen Geschmack dürfte es aber auch gerne mal wieder “Slave To The Parasite” sein. Und warum ein Song wie “End Of Disclosure” komplett hinten runter fällt weiß ich nicht.
Lordi hängen etwas in der Zeit hinterher. Das ist aber nicht mal ihre Schuld. Offensichtlich hat der Abbau der Produktion von Priest zu lange gedauert. Egal, Mr. Lordi hat trotzdem Bock und offenbar etwas Deutsch gelernt. Er kennt zumindest den Unterscheid zwischen ja! und ja ja! Letzteres ist aber offenbar die Option, die ihm lieber ist. “Time To Get Heavy” und “Hug You Hardcore” eröffnen den Set. Bei “Blood Red Sandman” kommt Mr. Lordi dann als eine Art dämonischer Sandman verkleidet auf die Bühne. Als er ankündigt, dass es nun einen Song vom “Arockalypse” Album zu hören gibt, fügt er schnell noch hinzu “No, not this song contest shit”. Allerdings wird dieser dann zum Ende des Sets trotzdem noch gespielt. Schließlich sind über die Hälfte aller Leute wahrscheinlich nur deswegen da. Und damit endet das Rock Harz 2024 für mich. Auch wenn auf der Nachbarbühne noch Faun den letzten Slot spielen. Ich bin durch. See you at the Devils Wall 2025.
Die Bilder vom Rockharz Samstag
Super schöner, anschaulicher Bericht. Macht Spaß zu lesen