Rockharz Open Air 2022 – Festivalbericht 06. - 09.07.2022, Flughafen Ballenstedt

Ich weiß, ich schreibe das viel zu oft, aber es ist schön endlich wieder Festivals zu haben. Nun findet auch endlich wieder das Rockharz Open Air in Ballenstedt am Harz statt. Eine Woche harzen, nur in dem Fall ist es positiv gemeint.

Und weil es im Heavy Stage Force Team noch mehr liebe Menschen gibt, die gerne auf dem Rockharz Open Air abharzen bekommt der Inquisitor auch in diesem Jahr wieder Unterstützung vom Erle, der die Fotos sowie einige, hoffentlich geistreiche, Kommentare zu diesem Bericht beitragen wird.

Rockharz Open Air 2022

Es ist noch keine 04:00 Uhr als ich am Dienstagmorgen den Zündschlüssel rumdrehe, von Osnabrück-Eversburg noch schnell nach Bramsche fahre, um eine Freundin abzuholen und dann gemütlich mit Metal aus dem MP3-Player (Ja, ich weiß, die coolen Kinder nutzen Streamingdienste) gemütlich nach Sachsen-Anhalt meddel. Der große Anreisestau von 2019, bei dem wir fast vier Stunden brauchten, um aufs Gelände zu kommen, soll unbedingt umgangen werden.

Das klappt soweit auch ganz gut und mit dem letzten Rest Internet, bevor alles total überlastet ist, erfahre ich dann auch noch, dass wir spontan am Mittwoch ein Interview mit Evil Invaders führen werden. Na, das wird was. Dazu kommt unsere wunderbare Campnachbarschaft. Gegenüber feiert man heute Weihnachten. Es gibt Gänsebraten mit Rotkohl und Klößen und sogar Geschenke liegen unter dem Weichnachtsbaum. Eine der Damen des Camps verschenkt sich sogar selber. Da muss wohl jemand ‘ne Nachtschicht einlegen. Just Festival Things.

Mittwoch,  06.07.22

Das Interview ist im Kasten. Zeit für ein Bierchen. Die erste Band, die ich mir heute gebe, kommt aus Norwegen und hört auf den Namen Sibiir. Die Jungs spielen eine interessante Mischung aus Hardcore und Black Metal, quasi Blackcore oder so. Der Sound ist auch wirklich gut und hat soviel Druck, dass du ‘nen Kranplatz damit verdichten könntest. Leider haben Sibiir kein Backdrop dabei, weswegen ihr Fronter uns den Namen der Band so oft um die Ohren knallt, dass man ihn nicht mehr vergessen kann.

Nach der norwegischen Druckbetankung gibt es nebenan eine neue Folge aus der Reihe “Phantastische Tierwesen und anderer Kitsch” präsentiert von Twilight Force. Die schwedischen Power Metaller sind voll in ihrem Element, inklusive Fantasy Verkleidung und angeklebter Elbenohren. Der seit 2018 am Mikro stehende Alessandro Conti alias Allyon ist zwar nicht ganz so stimmgewaltig wie sein Vorgänger, versteht es aber dennoch die Leute zum mitmachen zu animieren. So feiern die Fans eine ausgelassene Power Metal Party, die mit dem Bandklassiker “Power Of The Ancient Force” standesgemäß beschlossen wird. (Erle)

Gerade noch im Interview jetzt schon auf der Bühne. Evil Invaders aus Belgien zocken ihren Speed Thrash runter. Das Ganze läuft auch exzellent rein und die in Metall-Optik gehaltenen Verstärkertürme sind auf jeden Fall ein Blickfang.

Nach der Speed-Thrash-Eskalation eskalieren jetzt die New York Hardcore-Ikonen, um Kultklampfer Vinnie Stigma, Agnostic Front. Gepflegtes Ausrasten vor und auf der Bühne zu “For My Family” oder “Gotta Go”. Der Pit kreiselt – die Körper fliegen. Stilvoll abgerundet wird das Ganze mit dem Ramones-Klassiker “Blitzkrieg Bop”.

Grave Digger sind bei mir so eine Sache. Einerseits finde ich die Musik gar nicht mal schlecht, andererseits polarisiert Chris Boltendahl. Seine Stimme ist es, die mir seit Jahren den Zugang zu dieser Band verwährt. Trotzdem gebe ich dem Ganzen heute mal eine Chance. Es sieht schon beeindruckend aus wie ein gesamtes Korps an Dudelsackspielern, komplett in Uniform und Kilt, als Intro “Scotland The Brave” spielt. Leider ist selbiges Korps für den Rest des Gigs nur schmückendes Beiwerk; egal, ob bei “Excalibur” oder beim Instand-Klassiker “Rebellion”. Bei letzterem hätte es sich sogar Angeboten, enthält das Stück doch ein Dudelsacksolo, welches Boltendahl dann aber lieber selber spielt. Dennoch war dieser Auftritt dann doch in Ordnung, auch wenn ich weiterhin nicht von Grave Diggers Frontmann begeistert bin.

Ein Frontmann, der mich begeistert ist Maurizio Iacono von Kataklysm. Der Mann hat einfach immer Bock, genau wie der Rest seiner Band. Die Jungs reißen ein Set runter, und bis heute weiß ich nicht, wie eine Band mit nur einer Gitarre diese Harmonien, wie sie z. B. im Stück “Black Sheep” zu hören sind, hinbekommt. Aber sie tut es, ich habe es gesehen.

Ebenfalls begeisternd ist der Auftritt von Tarja. Die Grande Dame des Symphonic Metal und ehemalige Nightwish Sängerin ist nach ihren ausgefallenen bzw. verschobenen Konzerten aus 2020 und 2021 nach wie vor mit ihrer “In The Raw” Tour unterwegs. Erwartungsgemäß eröffnet sie ihren Gig also mit “Dead Promises” und beweist vom ersten Ton an, dass sie immer noch eine Wahnsinnsstimme hat. Beim zunächst etwas dünnen Sound wird glücklicherweise schnell nachgebessert.

Die charismatische Sängerin wirkt sehr enthusiastisch, fordert mehr Girl Power im Metal und freut sich über den großartigen Zusammenhalt unter den Fans. Weitere musikalische Highlights des Gigs sind “Phantom Of The Opera” und das Gary Moore Cover “Over The Hills And Far Away”, welches den Fans natürlich noch aus Nightwish Zeiten bekannt ist und mit Jubelstürmen beklatscht wird. Mit “Until My Last Breath” geht dieser zauberhafte Auftritt dann zu Ende. (Erle)

Sepultura spielen heute mit einem Ersatzgitarristen. Nach dem tragischen Tod seiner Frau Patricia ist es nur allzu verständlich, dass Andreas Kisser zuhause in Brasilien geblieben ist. Seine Band widmet ihm und seiner Liebsten den heutigen Gig, was für viel Anklang beim Publikum sorgt. Vielleicht ist es die gemeinsame Trauer über den Verlust, die der Band heute einen extra Schub verpasst, denn so gut habe ich sie schon lange nicht mehr gesehen.

Egal, ob es sich um Stücke wie “Convicted in Life”, Ratamahatta” oder den Klassiker schlechthin “Roots Bloddy Roots” handelt. Alles wirkt mega tight und besonders das Schlagzeug hat einen Punch drauf, der knackiger nicht sein könnte. Dazu versucht Derrick Green sich ein wenig in deutschen Ansagen, was für allgemeine Erheiterung sorgt. So bleibt nur zu hoffen, das Gitarrist Andreas seinen Verlust in Ruhe verarbeiten kann und bald wieder zu seinen Jungs stoßen kann, damit wir noch weitere solcher Shows genießen können. Alles Gute aus Osnabrück.

In Extremo sind vor einigen Monaten in den Fokus der Öffentlichkeit geraten als ihr ex-Mitglied Boris “Yellow” Pfeiffer, der bereits 2021 aus der Band ausgetreten war, am Rande einer Querdenkerdemo zusammenbrach und verstarb. Anders als es Querdenker behaupten, starb er jedoch eines natürlichen Todes und nicht durch polizeiliche Gewalt. Die Band distanzierte sich allerdings von Pfeiffers kruden Theorien zum Coronavirus, sodass ihr heutiger Headliner-Auftritt unbeschwert genossen werden kann.

Zwar scheinen die einstigen Mittelalterrocker mittlerweile in der Industrialisierung angekommen zu sein, zumindest lässt das die Dampflok auf dem Backdrop vermuten, aber sei’s drum. die Instrumente und Kostüme sind immer noch im Mittelalter. Songs wie “Kompass zur Sonne” oder “Vollmond” decken die gesamte Werkschau der Band ab. Mit “Lieb Vaterland” nimmt man natürlich Bezug zum Ukraine-Krieg und geht danach direkt nahtlos in “Mein Rasend Herz” über. Auch die Pyroshow kann sich sehen lassen. Flammenwerfer, Funkenregen, alles was wohl bei Rammstein übrig geblieben ist, findet hier noch Verwendung. Mit “Pikse Palve” endet der erste Abend dann um viertel nach Eins oder dreiviertel Zwei, wie man hier sagt.

Rockharz Open Air 2022 – Die Fotos vom Mittwoch

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Donnerstag 07.07.22

Gernotshagen sind heute die erste Band, die ich mir ansehe. Leider haben diese mit erheblichen Soundproblemen zu kämpfen. Der Gesang ist über die Hälfte des Sets gar nicht oder nur schemenhaft zu vernehmen. Das merkt anscheinend auch Sänger Daniel “Askan” Möller, der mehrfach die Bühne in Richtung Mischpult verlässt. Erst zum Ende des Sets sind die Probleme gefixt, was zumindest noch ein paar wenige Songs mit voller Besetzung zulässt. Das Ganze ist umso trauriger, wenn man bedenkt wie viel Mühe sich die Band mit der Umsetzung durch Kostüme und Make-Up macht, um dem Publikum eine gute Show zu bieten.

Paganistisch geht es auf der Dark Stage nebenan weiter. Asenblut angeführt von ihrem Frontvieh Tetzel knallen uns nun ihr Gemisch aus Melodic Death und Pagan Metal um die Ohren. Soundprobleme gibt es hier nicht, die trauen sich erst gar nicht aufzutreten, wenn man bedenkt was für ein Tier das Mikro in der Hand hat. Zur Mitte des Sets kommt dann auch mal Saltatio Mortis Frontmann Alea zu Besuch auf die Bühne, um nach getaner Arbeit die Bühne über den Publikumsweg zu verlassen. Seine Band ist zwar wirklich nicht meins, aber sympathisch issa ja.

Hammer King zeigen den Rockharz Besuchern dann wo der sprichwörtliche Hammer hängt. Mit ihrem druckvollem Power Metal, der an Manowar, Hammerfall und Accept erinnert, schaffen sie es recht schnell das Publikum zu aktivieren. Da stört auch der Regen und der böige Wind nur noch marginal. Sänger Titan Fox V, der übrigens auch mal bei Ross The Boss am Mikro stand, erinnert bei seinen Ansagen ein wenig an Tobias Sammet und kommt sehr sympathisch rüber. Zum Ende des Gigs wird noch der neue Song “Pariah Is My Name” vom im August erscheinenden Album “Kingdemonion” präsentiert bevor der Gig mit “I Am The Hammer King” und “Kingdom Of The Hammer King” beendet wird. (Erle)

God Is Not Here Today. Dark Funeral machen ihrem Namen alle Ehre, denn schon im Vorfeld ihres Gigs schlägt das Wetter um und es wird zappenduster. Mit “Unchain My Soul” haut man auch gleich als Opener einer der Hits raus, sofern Black Metal Bands sowas wie Hits haben. Und auch “Nail Them To The Cross” wird im weiteren Verlauf des Sets noch ins Publikum gekeift. Effekte braucht man, wenn dann nur wenig. Allerhöchstens eine Dark Funeral-Flagge aus dem eigenen Merch-Sortiment wird am Ende des Gigs geschwenkt. Passt.

‘Schakeline mach de Affenmusik aus’ ist ein Zitat aus dem Kultklassiker “Go Trabi Go”, aber auch im Intro zum Musikvideo von “Der Osten Rockt” von Goitzsche Front zu hören. Eigentlich ist dieser Deutschrock so mal gar nicht meine Musik, weshalb ich auch eher nur nebenbei zuhöre, während ich mir zum ersten Mal einen dieser mit medizinischer Kohle schwarz gefärbten Burger hole (schmeckt ganz gut und die Kohle könnte bei dem Alkoholkonsum von so manchen dafür sorgen, dass er sich am nächsten Morgen die Imodium Akut sparen und direkt die Ibo gegen die Kopfschmerzen einschmeißen kann). Geplant war allerdings, dass die Jungs mit Dieter “Maschine” Birr, dem ehemaligen Gitarristen und Sänger der Puhdys zusammen spielen. Da Maschine sich aber mit Corona infiziert hat, wird es dann doch ein Standard-Gig in dessen Verlauf prollige Songs à la “Nur Männer Aus Stahl Fahren Autos Aus Pappe” zum Besten gegeben werden. Funfact: Der Trabant bestand nie wirklich aus Pappe, sondern aus einem Baumharzverbundstoff. Wie Markus Kafka sagen würde: Ham wa wieder was gelernt.

Die Schwedinnen von Thundermother treffen da schon eher meinen Geschmack. Leider fehlt auch ihnen heute das Backdrop und auch so ein wenig der Schwung. Denn irgendwie will der Funke heute nicht so überspringen und auch wenn die Setlist gut gewählt ist und sich die Damen redlich Mühe geben, wirken sie heute doch etwas langatmig.

Dark Tranquillity spielen heute unterbesetzt. Gitarrist Christopher Amott hat seinen Flug nicht geschafft, weswegen die Schweden nur mit einem Gitarristen spielen können. Man könnte meinen, dass das ein Handicap darstellt, aber der verbliebene Klampfer Johan Reinholdz und Keyboarder Martin Brädström schaffen es, die Soundlöcher zu stopfen. Zwar merkt man gerade bei einer Nummer wie “Phantom Days”, dass einige Melodiebögen fehlen, aber dennoch überzeugt der Set auch durch die gut durchmischte Tracklist mit Stücken wie “Atoma”, “Forward Momentum Race” , “Therein” und dem Abschluss in Form von “Misery Crown”. Die können’s halt.

Subway To Sally sind schon ein kleines Phänomen. Seit dreißig Jahren ist die Band aus Potsdam nun schon unterwegs und schafft es immer wieder sich neu zu erfinden. So auch heute. Nachdem Sänger Eric Fish zuletzt immer im goldenen Sakko und mit Helge Scheider Gedächtnisperücke zum ersten Stück auf die Bühne verzichtet er heute darauf. Auch die Setlist wurde etwas umgestellt. Los geht es heute mit “Alles was das Herz will”. Es folgen Klassiker wie “Kleid aus Rosen”, welches vom Publikum lautstark mitgesungen wird, “Mephisto” und “Henkersbraut”. In der Stunde Spielzeit legt die Band eine enorme Spielfreude an den Tag und präsentiert einen bunten Querschnitt aus fast der gesamten Bandgeschichte. “Falscher Heiland”, “Besser du rennst”, “Tanz auf dem Vulkan”, heute ist wirklich für jeden Subway Fan etwas dabei. Das große Finale bildet dann natürlich der “Veitstanz”. Einziger Wermutstropfen: Für das obligatorische “Julia und die Räuber” bleibt keine Zeit mehr.

Und dann ist Headlinerzeit. Powerwolf fahren die großen Pötte. Ein stimmiges Bühnenbild in Form einer eingestürzten Kathedrale, ein Attila Dawn, der gleich im ersten Song die Till Lindemann Gedächtnis-Flammenwerfer auspackt und Pyros bis die Bühne brennt. Gut, für meinen Geschmack trägt Attila an manchen Stellen zu dick auf und einige Ansagen erwecken ein wenig die Fremdscham in mir, wofür ich ihm als zweite Person jemals den Doro Pesch Gedächtnis-Award verleihen möchte. Aber dennoch ist es Entertainment auf hohem Niveau. Die Setlist ist zwar auch nichts Neues mehr, wenn man Powerwolf schon ein paar Mal gesehen hat, aber sei’s drum. “Resurrection By Erection”, “Amen And Attack”, Demons Are A Girls Best Friend” oder “We Drink Your Blood” zünden immer. Genau wie das Schwarzpulver, das den gesamten Bühnenrand brennen lässt. Mit “Dancing With The Dead” bekommen wir sogar einen brandneuen Song präsentiert. #geil.

Rockharz Open Air 2022 – Die Fotos vom Donnerstag

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Freitag, 08.07.22

Mit Burden Of Grief  tritt eine der unterbewertetsten Melo Death Bands überhaupt auf. Gelten die Jungs doch eigentlich als Wegbereiter für dieses Genre in Deutschland. Doch für die frühe Spielzeit von 11:20 Uhr ist es vor der Bühne ganz gut voll. Sind halt Kenner auf dem Rockharz. Mit “The Nightmare Within”, “The Angel” und “Rise Like A Phoenix” wird auch eine gut gemischte Setlist gespielt. In einer gerechten Welt wäre diese Band mindestens auf dem Status von At The Gates.

Nachdem Burden Of Grief zu so früher Stunde bereits mächtig Eindruck hinterlassen haben liegt die Latte für die Epic Death Metaller von Kambrium entsprechend hoch. Doch auch sie zeigen sich in Hochform. Mit ihrem dystopisch anmutenden Outfits können die Jungs optisch schon einmal überzeugen. Und auch musikalisch lassen die Helmstedter nichts anbrennen. Im Mittelpunkt des Auftritts steht einmal mehr ihr aktuelles Album “Synthetic ERA”, das mit viel Energie präsentiert wird. Auch der Dauerbrenner “Dawn Of The Five Suns” ist wieder mit von der Partie. Die Zuschauer lassen sich zunächst zwar noch etwas bitten, gehen dann aber ordentlich mit und belohnen die Band mit Klatschen und Pommesgabeln. Für die Jungs lohnt es sich einfach immer morgens aufzustehen. 

Attic werden immer mit King Diamond  und Mercyful Fate verglichen. Dennoch sind ihre Einflüsse wesentlich weitreichender. So findet sich z. B. auch viel Pagan Altar und Judas Priest in ihrer Musik. Ihre aus Original-Kirchenbeständen bestehende Bühnendeko passt zum trüben Wetter. Dazu steigen sie gleich mit “Funeral At The Woods” in den Set ein. “Sanctimonious”, “Join The Coven” und zum Abschluss “The Headless Horseman” machen die Sache rund.

Ost+Front sind mit ihrem teilweise sehr schwarzhumorigen NDH an vielen Punkten sehr nahe an Rammstein, was nicht zuletzt auch an der Stimme ihres Sängers Hermann Ostfront liegt. In ihrem Set kommen mit “Denkelied” und “Honka Honka” gleich zwei Serienmörder vor. Bassist Wilhelm Rotlauf sticht mit seiner Bane-Maske hervor, was angesichts des sehr blutigen Dresscodes der Band auch schon bemerkenswert ist.

Lucifer war eigentlich nicht auf meiner Liste. Aber die schwedischen Jungs, um die deutsche Sängerin Johanna Sadonis erwecken mit ihrer Mischung aus Doom Metal und okkultem Rock dann doch meine Aufmerksamkeit. Ich bin zwar noch nicht richtig drin in der Band, werde sie mir aber mal vornehmen.

Was Moonsorrow da wieder machen, kann nur als episch bezeichnet werden. Ihr folkloristisch melancholischer Black Metal, der so dermaßen Überlänge hat, dass man in einem 55-Min.-Set nur vier Songs spielen kann, kann dich nicht kalt lassen. Nachdem das Publikum die obligatorische Frage nach dem Befinden mit lautem Jubel quittiert, folgt als Antwort: “Now we get ruin it”. Das ist finnische Melancholie auf höchstem Niveau. Und bereits eine Viertelstunde vor dem Ende des Sets wird der letzte Song angekündigt.

Weniger Melancholie dafür mehr ‘Aufgedreht heut’ liefern die Thüringer Death Metaller Deserted Fear. Dass die Jungs übrigens aus Eisenberg in Thüringen stammen, scheint nicht jedem bekannt zu sein. Denn der Dialekt von Gitarrist Fabian Hildebrannt, der uns informiert, dass bei dem Mistwetter vom Vortag seine Tomaten eingegangen sind, sorgt bei einigen in Publikum für Lachflashs der besonderen Art. Ja gut, der Dialekt ist auch irgendwie witzig.

Die Shorts- und Kampfstiefel-Kombination von Finntroll-Sänger Mathias Lillmans macht mich echt fertig. Die Spitzohren. die die Band einheitlich trägt, sind ja schon grenzwertig, aber dass kratzt echt an der Grenze zum guten Geschmack. In den Set steigen wir direkt mit “Solsagen” ein, aber den Publikumsliebling “Trollhammaren” hat man wohl fürs Erste aus dem Set geworfen. Trotzdem guter Gig.

Weniger witzig ist die Situation im Hause At The Gates. Zwei Tage zuvor hat Frontmann Thomas “Tompa” Lindberg seine Mutter verloren und es wäre absolut legitim gewesen, den Gig abzusagen. Aber er ist hier, wofür man ihm großen Respekt zollen muss. Nach seiner Aussage ist es besser jetzt etwas zu tun, was man liebt als zuhause an die Wand zu starren. Also steigen wir ein in den Set. Das Backdrop lässt erahnen, was uns erwartet, den es ist das Cover des 1995er Meisterwerks “Slaughter Of The Soul”, welches gemeinhin als erstes Melodic Death Metal Album der Geschichte gilt. Als dann Störgeräusche durch die PA jagen, ist klar, dass man dieses Album in chronologischer Reihenfolge spielt, denn es handelt sich bei dem markanten Brummen um das Intro des Openers “Blinded By Fear”. Tompa ist leider zunächst nicht gut bei Stimme, was wohl an seiner derzeitigen traurigen Situation liegen könnte. Ab dem dritten Track “Cold” schafft er es aber, sein Organ in den Griff zu bekommen, so dass der Gig unter den gegeben Umständen dennoch als gut bewertet werden kann.

Ensiferum sind leider nicht mehr so überzeugend wie sie es einst waren. Zwar ist ihr Gig alles andere als schlecht und dass man direkt mit “Token Of Time” einen Klassiker zum Einstig spielt, sorgt auf jeden Fall für Stimmung. Dennoch wirken die Jungs heute etwas müde. Das Keyboard wird mittlerweile von einem Mann, Pekka Montin, gespielt, der sich auch massiv am Gesang der neueren Stücke beteiligt. “One More Magic Potion” und das meiner Meinung nach live besser als auf Platte funktionierende “In My Sword I Trust” sowie die Abschlussnummer, die von Fronter Petri als “Dabdadadabdada” (Gemeint ist natürlich “Iron”) angekündigt wird, sorgen dann aber dennoch für einen guten Abschluss – auch wenn ich die Jungs schon mal besser gesehen habe.

Steel Panther laden natürlich wieder zur großen Tittenparade ein. Erwartete man etwas anderes? Ihr Backdrop in Matrix-Optik verortet sie zwar mittlerweile in den 90ern, ändert aber nicht viel am Inhalt. Gitarrist Satchel kündigt eine Sängerlegende des Heavy Metals an. Einen Mann, der mit 16 die Schule geschmissen hat und Frauen auf der ganzen Welt verwöhnt hat (Ich schreibe es hier etwas jugendfreier als er es wirklich gesagt hat). Leider ist Vince Niel heute nicht dabei, dafür präsentiert er uns seinen drittbesten Freund in der Band, Michael Starr. Dieser kommt im Verlauf der Show als Ozzy Osbourne auf die Bühne und imitiert den Prince Of Darkness gar nicht mal schlecht, während er seine verdammt nahe am Original liegende Version von “Crazy Train” singt. Natürlich wird auch wieder eine junge Dame auf die Bühne geholt, die vor der johlenden Menge blank zieht, und natürlich werden noch 16 weitere Mädels für “17 Girls In A Row” dazugeholt, die es ihr gleich tun. Eben das, was man als Mann von einer Steel Panther Show erwartet. Und ja, ich bin da auch nicht anders.

Einen krasseren Gegensatz zu Steel Panther hätte man mit den im Anschluss stattfindenden ASP wohl kaum finden können. Nach Titten und Rock’n’Roll nun also düster romantische Melancholie. So dauert es auch ein oder zwei Songs, bis sich das Rockharz Publikum voll auf die Gothic Truppe eingestellt hat. Doch dann hat Frontmann Alexander “Asp” Spreng leichtes Spiel. Und selbst wenn er heute auf die ganz großen Ansagen verzichtet, zieht er die Anwesenden doch schnurstracks in seinen Bann. Neben einigen neueren Songs aus dem “Fremder” Zyklus sorgen dabei hauptsächlich Bandhymnen wie “Ich bin ein wahrer Satan”, “Denn ich bin dein Meister” oder “Schwarzes Blut” für die meiste Stimmung. Und natürlich darf auch das abschließende “Ich will brennen” nicht fehlen. Insgesamt ein sehr gelungener Auftritt. (Erle)   

Mehr erwartet habe ich von Running Wild. Ja, die Band hat einen gewissen Legendenstatus und musikalisch sind die Jungs auch voll in Ordnung. Wenn man dann aber schon eine schlichte Show ohne optische Effekte spielt, sollte zumindest der Frontmann Ausstrahlung haben. Und da liegt das Problem. Rock `n` Rolf Kasparek ist einfach keine Rampensau. Seine standardisierten Ansagen in denen er nach der Befindlichkeit des Publikums fragt, erzählt dass man sich seit zwei Jahren auf diesen Auftritt vorbereitet hat und bei den Songtiteln, wiederholen sich wie am Fließband. In der Zwischenzeit hole ich mir dann sogar noch einen schwarzen Burger, diesmal mit exotischem Tier, Krokodil, zwischen den Brötchen. Klar mit Songs, wie “Under Jolly Roger”, in dessen Verlauf im Auditorium eine riesige Totenkopfflagge, der namensgebende Jolly Roger, auftaucht, “Riding The Storm” und die Schlussnummer “Raised Your Fist” sind Fanservice par exellance. Aber doch wirkt der Mann über weite Strecken des Sets einfach sehr gelangweilt und blass.

Besser machen es die Finnen von The 69 Eyes in ihrem Late Night Slot. Ihre Musik wird mir als Mischung aus Misfits und Letzte Instanz mit Peter Steele Vocals beschrieben. Und ja, das kommt hin. Gothic-Rock-Elemente mischen sich hier tatsächlich mit Horror Punk. Auch witzig, dass die Stehtische des Bierzelts mittlerweile ihren Weg ins Infield gefunden haben, sodass man in Reihe 15 gemütlich am Tisch stehen kann. Ich stehe allerdings in Reihe drei.

Rockharz Open Air 2022 – Die Fotos vom Freitag

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Samstag, 09.07.22

Der letzte Festivaltag. Viele packen schon ihre Sachen und dass obwohl es noch einige Highlights auf dem Line-Up gibt. Eines davon sind die Bergischen Löwen von Obscurity. Und meine Fresse, hat diese Band einen qualitativen Sprung nach vorne gemacht. Als ich sie zuletzt sah, waren sie live wesentlich rumpeliger als jetzt und lange nicht so melodisch wie heute. Einziger Wermutstropfen. Warum spielen sie ihre Bandhymne “Bergischer Hammer” nicht?

Ektomorf werden seit Ewigkeiten als die ungarischen Soulfly gehandelt, und ja, das kann ich bestätigen. Ich sehe sie heute zum ersten Mal und finde es stellenweise schon sehr ähnlich zu den Jungs von Max Cavalera. Dennoch ist es keine dreiste Kopie und knallt bei strahlendem Sonnenschein gut rein.

Vor der Rock Stage steht schon ein illustres 80er Thrash-Publikum. Unter anderem ein junger Mann, der fast die gleiche kurze Jeansshorts trägt wie Finntrolls Fronter einen Tag zuvor. Gut, er kann’s tragen, also geht das fit. Das ikonische “El Conpasa”-Intro von Simon and Garfunkel leitet die bierseligen 40 Minuten Tankard ein. Die steigen direkt mit “Rapid Fire” (oder ist es der andere Song mit ähnlichem Titel? Ich verwechsele die beiden immer.) in den Set ein. Außerdem bekommen wir sogar einen neuen Song von Tankard – Zitat Gerre: “Gestern zum ersten Mal heute live gespielt”. Gut, dass Gerre vor Auftritten nicht trinkt.^^

Viking Death Metal, Yeah Viking Death Metal: Unleashed sind nicht die spektakulärste Liveband, aber sie liefern ab. Mit “The Dark One” zum Beispiel. Durchgehend ein guter Auftritt, aber viel dazu schreiben kann man selten.

Insomnium müssen wegen des starken Windes ohne Backdrop spielen. Macht nichts, denn die Musik spricht für sich. Allerdings ist der Sound bis zum dritten Stück “Mortal Share” leider etwas zu sehr auf der Bassdrum des Schlagzeugs fokussiert. Doch als das behoben ist, gibt es zu Stücken wie “While We Sleep” glasklaren Sound, und auch das Wetter hat sich der Melancholie der Finnen angepasst.

Alles andere als melancholisch sind Betontod. Obwohl der Set heute im Gegensatz zum Gig auf dem Rock Am Härtsfeldsee heute wenigstens Party-lastig ist, bekommen wir mit “Keine Popsongs”, “Glück Auf”, “Letzter Tag” und natürlich “Traum Von Freiheit” genug Material zum Ausrasten. Ein wenig Hosen-Atmosphäre verbreiten die scheinbar angereisten Fanclubs, die ganze Flaggen schwenken, wie ich es sonst nur aus dem Stadion oder eben Konzerten von Campinos Jungs kenne. Unzweifelhaft unsterblich hat sich jedoch die junge Frau gemacht, die mit einer Prideflagge in der Hand stehend auf dem Bauch des unter ihr liegenden Kerls im wahrsten Sinne des Wortes crowdsurfte.

Auf in die Bay Area, denn Exodus bitten zur good friendly violent fun session. Allerdings gibt es hier einen ziemlichen Zuschauerschwund im hinteren Drittel des Infields, weil wohl die erste Abreisewelle sich in Gang setzt. So entspannt habe ich noch nie Exodus gucken können. Aber irgendwie will zumindest bei mir der Funke nicht ganz überspringen. Im vorderen Bereich kreiselt allerdings ein Moshpit vor sich hin, und es ist schön zu sehen, dass sich Drummer Tom Hunting von seiner krebsbedingten kompletten Magenentfernung wieder erholt hat.

Bay Area die zweite. Testament schaffen es dann schon eher, mich zu begeistern. Zwar hat Frontmann Chuck Billy seinen ikonischen abgebrochenen Mikroständer scheinbar verloren und hält sein Mikro heute auf die konventionelle Art, aber musikalisch knallt es so richtig trotz der Tatsache, dass der Ton gleich zweimal in einem Song ausfällt. Zwischendurch gibt es ein wenig Beachball Mania im Publikum und der Pit rastet zu Songs wie “Children Of The Next Level” ebenfalls aus. Am Schlagzeug sitzt mittlerweile übrigens Dave Lombardo, der den in diesem Jahr aus Termingründen aus der Band ausgeschiedenen Gene Hogland nun ersetzt.

Knorkator, Deutschlands meiste Band der Welt, gibt sich die Ehre. Mit “Buchstabe” steigt man direkt in den Set ein und bringt damit das Publikum in die Situation, die während einer Pandemie vielleicht nicht ganz so gut ist. Nämlich die Verteilung von Speichel in der Menge beim Aussprechen des Lautes -prlllrlllrlrll- (ihr wißt schon die..) Weiter gehts mit “Du nicht”, und wer sich schon immer gefragt hat, ob jemand wie Stumpen auch ganz normal sein kann, nun er hat eine bildhübsche Tochter, die ihn heute in Songs wie “Ding Inne Schnauze”, “Weg Nach Unten” oder “Warum” und “Wir werden alle Sterben” ablöst. Die Klassiker “Böse”, “Alter Mann” oder etwa die Abschlussnummer “Zähne Putzen, Pullern, Ab Ins Bett” werden aber in gewohnter Besetzung dargeboten.

Accept die dritte. Nach Rock Hard und Rock am Härtsfeldsee nun also auch auf dem Rockharz. Zuvor bekomme ich noch die Abschlussnummer von Eisbrecher mit und es ist leider wieder nicht der “Pokemon Rap”. Sei’s drum. Natürlich steigen die Solinger mit Wohnsitz in Nashville mit “Zombie Attack” ein und langsam glaube ich, die Jungs lachen sich innerlich einen ab, wenn sie sehen wie die Smartphones dabei in die Luft schießen. Man könnten ihnen auch Absicht zur eigenen Unterhaltung unterstellen, da natürlich beim ersten Song jeder Fotos macht und diese instant auf Instagram und Facebook hochlädt. (Das Stück behandelt den übermäßigen Gebrauch von Smartphones und Social Media).

Was heute besonders auffällt: Aufgrund der hohen Bühne kommt die Lichtshow echt super rüber. Zum Causa dritter Gitarrist habe ich in den vergangen Reviews schon genug geschrieben. Auch heute sieht und hört man von ihm nicht viel. Die Klassiker “Metal Heart”, “Princess Of The Dawn” und “Fast As A Shark” werden natürlich auch wieder gespielt, aber mit “The Best is Yet To Come” auch neues Material vom Album “Too Mean To Die”. Alles in allem ein solider, wenn auch nun für mich schon vorhersehbarer Auftritt.

Eluveitie, die Band, die selbst von ihren Die Hard Fans falsch ausgesprochen wird (Das U ist stumm ^^) beenden das Festival für dieses Jahr. Allerdings muss ich sagen, dass ich außer “Ines Mona” nichts aus ihrem Songfundus kenne und gerade mehr damit beschäftigt war, dieses Magazin mit Stickern und Flyern zu bewerben, sodass der Gig dann doch etwas an mir vorbei geht.

Rockharz Open Air 2022 – Die Fotos vom Samstag

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Rockharz Open Air 2022 – Das Fazit:

Nach den zwei Jahren Pause lässt sich sagen, dass es gut tat, wieder hier zu sein. Im Vergleich zu anderen von mir besuchten Festivals merkte man hier am wenigsten von der Zwangspause. Großartige Lücken in der Markt- und Verpflegungsmeile konnte ich nicht feststellen. Weiterhin bleiben einige Probleme der letzten Jahre bestehen, wie die Wasserversorgung auf dem Campground, für die aber die Infrastruktur der Region und weniger das Rockharz etwas kann. Doch eine Frage stelle ich mir schon seit Jahren. Warum ist die Auflistung der Bands und Bühnen im Programmheft spiegelverkehrt? Ach und ein Wunsch wurde dann auch noch geäußert. Bitte im nächsten Jahr schönere Bändchen nähen, die nicht in der Farbe “Zitat: Oma Schlüpfer” daherkommt.

Also dann bis zum nächsten Jahr. Da wird das Rockharz 30 und ist dann immer noch fast 3 Jahre jünger als ich. Man, ich bin alt.^^

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