Rock Hard Festival 2024 17.05. - 19.05.2024, Gelsenkirchen, Amphitheater

Es ist Pfingsten und ihr wisst was das bedeutet. Das Rock Hard Festival nimmt seine traditionsreiche Pfingstmesse wieder auf. Leider überschatten die Gerüchte über den Weggang des Festivals aus dem Amphitheater die Feierlichkeiten erheblich.

Rock Hard Festival

Für alle, die es noch nicht mitbekommen haben, hier eine kurze Zusammenfassung. Die Stadt Gelsenkirchen hat die Austragung für die Internationale Gartenschau 2027 bestätigt. Im Zuge dessen wird das alte Bundesgartenschaugelände im Nordsternpark umgestaltet. Davon betroffen sind auch die Campingflächen des Rock Hard. Davon mal abgesehen, dass der ganze Plan auch bei den Gelsenkirchenern nicht sonderlich gut ankommt, da hier unter dem Banner der Nachhaltigkeit massive Umbaumaßnahmen ergriffen werden, in deren Verlauf sogar die gerade einmal 24 Jahre alten Bäume, die im Biergarten des Theaters standen, abgeholzt wurden, ist auch ein gewaltiges Stück des Campinggeländes nicht nutzbar. Viele fürchten, dass es nun zum Aus des Rock Hard Festivals an diesem Standort kommt. Ein großer Kritikpunkt hierbei ist auch, dass von Seiten der Veranstalter nichts dazu gesagt wird. Selbst wenn diese selber noch nichts Konkretes wissen sollten, wäre es zumindest angebracht, dies auch nach außen zu kommunizieren anstatt zu versuchen, die Sache totzuschweigen.

Und wo wir schon einmal bei der Kritik sind: Auch die Security hat in diesem Jahr einen neuen Tiefpunkt erreicht. Nicht nur, dass viele berichteten, dass die Sicherheitskräfte unfreundlich seien und sogar Besucher angeschrien hätten, die Kontrollen zum Infield sind wieder einmal so lustlos, dass es wiederholt Menschen schaffen Bierdosen vor die Bühne zu schmuggeln (Hoffen wir mal. dass das das Harmloseste ist). Die Kontrollen zum Campground sind so gut wie gar nicht vorhanden. Nie wird man nach seinem Bändchen gefragt. Stattdessen sitzen Teile der Ordner gemütlich im Kreis zusammen und unterhalten sich. Das Unvermeidliche passiert dann natürlich. Gleich am Donnerstagabend zieht eine Bande über den Campground und bestiehlt die Leute. Fast jedes dritte Zelt ist betroffen. Teilweise sollen sogar Kutten geklaut worden sein, damit sich die Verbrecher unauffälliger über das Gelände bewegen können. Erklärt das bitte mal, liebe Security und auch liebes Rock Hard, die sich nach den massenhaften Beschwerden des letzten Jahres offensichtlich nicht darum bemüht haben, etwas zu ändern. Harter Tobak zum Einstieg, ich weiß.

Nachdem ich von den Einbrüchen verschont blieb, weil ich lange im Partyzelt war und alles Wichtige am Körper trug, begleite ich dennoch meinen Freund, der weniger Glück hatte und dem über 300€ entwendet wurden, zur Sparkasse in Gelsenkirchen. Und Boy Oh Boy ist das ‘ne Weltreise.

Kommen wir zu dem, weshalb man eigentlich auf einem Festival ist. Bier (5€ + Pfand) und Musik.

Freitag, 17.05.2024

Dread Sovereign, die andere Band von Alan “Nematheanga” Averill eröffnen das Rock Hard. Im Prinzip kann man behaupten, dass diese Band eine purere Version von Primordial ist. Mehr Doom, aber auch Anreicherungen von VenomSaint Vitus oder The Obsessed. Das Ganze klingt auf der Bühne dann sogar etwas rockiger als gedacht. Dafür, dass es sich hier um ein Trio handelt, lärmen die Jungs wie fünf.

Mit dem deutsch-britischen Zusammenschluss Thronehammer gehen wir in die zweite Doomrunde. Im Fußball würde man hier von einer klassischen Doppel-Doomspitze reden. Gerüchten zufolge haben einige Frontfrau Kat Shevil Gilham bereits auf dem Campground gesichtet. Seltsamerweise war wohl nicht ganz klar ob es sich bei ihr um einen Mann oder eine Frau handelt. Warum kann ich nicht sagen, denn sowohl körperlich als auch identitär ist sie eindeutig als Frau zu erkennen. Dass man angesichts ihres Gesangs bei bloßem Hören der Musik das Geschlecht in Frage stellen könnte, kann ich aber nachvollziehen. Denn egal ob bei “Kingslayer” oder “Thronehammer”, ihre fast schon Growl-artigen Laute holt die Frontfrau der `Sludgiest Version Of Epic Doom” aus dem ganz tiefen Kellergewölbe.

“The Long Ships Are Coming”. Die schwedischen Berufswikinger Unleashed bekommt man zukünftig nur noch auf Festivals zu sehen. Johnny Hedlund und seine Berseker haben das Touren eingestellt. Auch heute kacheln die Jungs ein ordentliches Brett runter, aber ob es an meinem Alkoholpegel liegt oder an den Temperaturen, so richtig zündet der Viking Death Metal heute bei mir nicht. Allerdings scheint das ein subjektives Problem zu sein, denn der Rest des Amphitheaters geht steil.

Was muss passieren, damit der Großteil des Amphitheaters verzückt die Taschentücher rausholt? Brutus muss passieren. Das belgische Trio um Schlagzeugerin/Sängerin Stefanie Mannaerst spielt Post Metal gemischt mit Black-Metal-Elementen und Shoegaze. Das Schlagzeug der Dame ist bis an den Bühnenrand gerückt und steht seitlich zum Publikum (Kennt man auch von Mantar), so dass sie dem Publikum zugewandt ist, wenn sie in ihr Mikro singt. Und genau das ist es, was so hart reinschlägt. Ihr zerbrechlicher Gesang bei Songs wie “War” oder “What Have We Done” geht an die Substanz. Die schlichte weiße Leinwand als Backdrop lässt nur zum Schluss einmal den Namen Brutus projizieren, warum auch immer. Aber diese Frau hat mir in die Seele gesungen.

Bereits bei Brutus konnte man vereinzelt die LED-Panele sehen, die für die Special Video Show von Amorphis als Tagesheadliner installiert wurden. Doch man muss ganz ehrlich sein, so besonders ist dies dann doch nicht, vor allem wenn man sieht, was KK`s Priest einen Tag später zu bieten haben. Aber bitte, fürs Rock Hard ist das schon was Besonderes. Es werden verschiedenste Grafiken und kleine Einspielungen auf die LED-Boards projiziert. Nichts, was sonderlich spektakulär wäre, aber es sieht schon geil aus, auch weil man so etwas auf dem Rock Hard seltener geboten bekommt als auf anderen Festivals. Leider ist der Sound dafür komplett unterirdisch. Ich stehe ziemlich weit vorne, ca. vierte Reihe, und erkenne kaum Songs, die sich schon seit Jahren in meiner Playlist befinden. Sogar “Silver Bride”, welches im Vorfeld von Tomi Joutsen angekündigt wird, höre ich nur mit viel Phantasie aus dem Soundbrei heraus. Um meine Position zu wechseln und eventuell an einer anderen Stelle besseren Sound zu erleben, ist es schlichtweg zu voll. Aber auch von anderen Besuchern höre ich im Nachhinein, dass der Sound einfach überall scheiße war. Dieses Problem ist beim Rock Hard nichts Neues. Schon im vergangenen Jahr mussten Testament den zweiten Abend mit grottigem Sound headlinen. Und das, obwohl die Hauptacts des jeweiligen Tages sogar einen ausgedehnten Soundcheck bekommen. Was da los Soundmann? Im Anschluss an die Enttäuschung geht’s zurück auf den Campground um mit viel Bier Kinderserien-Intros aus den 90ern zu ballern. Und ich kannte sie alle noch.

Samstag, 18.05.2024

Heute ist der traditionellere Tag im Line-Up des Festivals, der von Wheel eröffnet wird. Ich begebe mich aber erst zu Air Raid vor die Bühne, bzw. schaue mir das Ganze gemütlich von den Rängen an. Auch wenn der Name der Band an den Spitznamen von Bruce Dickinson erinnert, spielt die Band eher in Judas Priest-Gefilden, was gut zum heutigen Headliner passt. Schnelle Stücke mit Twin-Gitarren und einem Sänger, der bis in die hohen Sphären der menschlichen Stimme kommt. Bockt!!!!

Alen Averill, die zweite. Mit Primordial, seiner Hauptband, ist Alan nun als `Nemtheanga` auf der Bühne. Im Gegensatz zu gestern, geschminkt und mit schwarzer Kapuze, zelebrieren die Republik-Iren ihren selbstbetitelten Celtic Metal. Das Ganze kommt auch ganz gut rüber und entschleunigt etwas den heutigen Tag. Auch das diesige Wetter passt perfekt zur herbstlichen Stimmung der Musik.

Als komplette Antithese dazu agieren nun die Amis von Forbidden, die den freigewordenen Slot von Threshold übernehmen. Bay Area Thrash Metal, wie ihn wohl ein Großteil des Publikums bevorzugt (machen wir uns nichts vor, das Rock-Hard-Publikum ist teilweise stockkonservativ). Tatsächlich kommt das Ganze auch bei mir gut an.

Dass sich hinter KK´s Priest mit Kenneth Downing Jr. alias KK Downing und Tim `Ripper` Owens gleich zwei ehemalige JudasPriest-Mitglieder verbergen, sollte mittlerweile Konsens sein. Der Samstagsheadliner sowieso der beste der drei Headliner Slots, was die Besucherzahlen angeht, ist heute die eigentliche Special Video Show. Ja, was Amorphis am Vorabend aufgebaut hatten, war schon cool. Aber hier erwartet uns eine richtige LED-Leinwand und ein Videointro, das uns mit einer – zugegeben – schon recht klischeemäßig tiefen Monsterstimme die Band vorstellt. Danach geht’s aber relativ klischeefrei weiter. Ok, das typische Priest Outfit aus Leder, Nieten und Ketten, aber das ist ja Standard. Die Gitarrenfraktion nutzt mehrere Rampen und Podeste, um sich in Szene zu setzen, während Tim Owens beweist, dass er bei Judas Priest nur zur falschen Zeit war. Denn was der Mann stimmlich abreist, ist immer noch beeindruckend und das gerade bei den Bandklassikern “The Ripper” oder auch “Breaking The Law”. Den direkten Vergleich werde ich dieses Jahr noch auf dem Namensfetter Rock Harz haben. Aber definitiv sind KK`s Priest mehr als nur ein Judas Priest Rip-off.

Sonntag, 19.05.2024

Was sich der WingsOfSteel-Frontmann bei seinem Outfit gedacht hat, weiß ich auch nicht, aber er sieht aus wie ein Piratengigolo vom Cover eines Frauen(schund)romans. Funfact: Genau einen solchen Roman liest einer meiner Mitcamper gerade und der Titelheld, der auf dem Cover abgebildet ist, sieht genauso aus. Dennoch sind sie musikalisch stabil. Da die Jungs vom Sunset Strip in LA kommen, wäre es nur zu einfach, sie schlicht in die Glam- und Hair-Metal-Szene zu stecken. Ihre Musik ist allerdings mehr ein Bastard aus klassischem Heavy Metal und Hardrock der 70er sowie einem Schuss Bluesrock. Eigentlich ganz gut, um entspannt in den Tag zu kommen.

Das schwedisch-berlinerische Trio Maggot Heart präsentiert uns die Definition von Schrödingers Hose. Haben sie eine an oder nicht? Linnea Olsen und ihre Gitarristin präsentieren sich in so transparentem Beinkleid. dass sie auch gleich hätten im Slip auftreten können. Musikalisch ist diese Band kaum bis gar nicht in irgendwelche Schubladen zu stecken. Mehr im Bereich Artrock und Alternative als im Metal knallen die beiden Damen und ihr Drummer uns komplexe und gleichzeitig saftige Nummern um die Ohren. Das Programheft des Rock Hard beschreibt es da schon besser mit “zwischen Pop Art und Film Noir”. Kann man so stehen lassen.

Das Line-Up des aktuellen Chapel Of Disease “Echos Of Light” existiert nicht mehr. Außer Gitarrist und Sänger Laurent Taubl besteht die Band nur aus befreundeten Musikern anderer Bands (u.a. Ketzer). Dennoch gelingt es, die sehr eigene Musik gut rüberzubringen. War die Band in ihren Anfangstagen noch im Death Metal verankert, hat sich der Stil in den letzten Jahren sehr in den progressiven Sektor verschoben. Teilweise höre ich bei den sehr komplexen Stücken sogar 70er Rockelemente heraus, was zur Optik des Bassisten mit dem dicken Pornobalken passt.

Exhorder (Bitte nicht verwechseln mit Exiter oder Exumer ^^) reißen ein derartiges Thrash Metal ab. Ich begebe zu, dass ich mit dem Songmaterial der Band nicht wirklich vertraut bin, macht aber nichts, “Slaughter In The Vatican” kenne ich. Frontmann Kyle Thomas lässt sich während des Sets sogar dazu hinreißen, seine Gitarre gegen den Bass seines Kollegen Jason VieBrooks zu tauschen. Überrascht bin ich dann tatsächlich davon, wie melodisch die Amis tatsächlich sind. Muss ich wohl doch noch mal mehr reinhören.

Riot V heißen wieder einfach nur Riot. Eigentlich stand die Band nicht auf meinem Zettel, zumindest nicht, dass ich sie mir von vorne ansehe. Da es im Verlauf des Sets aber dermaßen anfängt zu gallern, muss ich meinen gemütlichen Sitzplatz dann doch aufgeben und mich in die vorderen Reihen unter das Dach quetschen. Dafür gibt’s aber mit u.a. “Swords And Tequila” wenigstens noch ein paar Song der Band, die ich tatsächlich kenne.

Im Vorfeld wurde im Rock Hard das Gerücht gestreut, das D-A-D für ihre 40-jährigen Jubiläumskonzerte ein ganzes Karussell auf die Bühne wuchten. Muss wohl ein Übersetzungsfehler gewesen sein, denn eindeutig ist der Drumriser von Laus seinem Schlagzeug eindeutig eine Torte. Dennoch ist die Bühnenproduktion beeindruckend. Allein der obligatorische Bullenschädel der Dänen ist so riesig, dass ich kurzzeitig denke, man hätte ihn letztes Jahr in Wacken demontiert und mitgehen lassen. Dazu kommen selbstverständlich das kuriose Basssortiment von Stig Pedersen, der wie üblich u.a. einen zweisaitigen Plexiglasbass und eine alte Ariane-Rakete spielt. Der totenförmige Drumriser hat noch eine Fahrstuhlfunktion eingebaut, die offenbart, dass es sich hier um einen Rainbowcake handelt (Der AfD wird das wohl missfallen). Frontmann Jesper Binser versucht wieder zwischen Klassikern wie “Sleeping My Day Away” und “It’s After Dark” deutsch zu sprechen, um dann am Ende jeden Satzes obligatorisch zu fragen `Verstehen si e mich?` Also eigentlich alles wie immer im Hause Disneyland After Dark und ein guter Abschluss für dieses, hoffentlich nicht zum letzten Mal im Amphitheater stattfindende, Rock Hard Festival.

Fazit: Bandtechnisch war es mir wieder ein Fest. Für das wechselhafte Wetter kann niemand was dafür. Aber die grottenschlechte und unfreundliche Security gehört weg. Und bitte liebes Rock Hard, bezieht eure Fans besser in die Information bezüglich der Zukunft dieses wunderbaren Festivals ein. Hoffentlich bis nächstes Jahr!

1 Kommentar

  1. Der Sound in der ersten Reihe bei Amorphis war tatsächlich grottig. Weiter hinten war es erheblich besser. Das war aber schon in den Vorjahren oft so, dass ganz vorne der Sound unterirdisch war.

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