„Von Unaussprechlichen Kulten“ ist ein fiktives Buch, welches in den Geschichten des Horror-Schriftstellers H.P. Lovecraft seine Erwähnungen findet. Wenngleich es der breiten Masse nicht so bekannt ist wie das entsetzliche Necronomicon, so vermutet man, dass es so viel gefährlicher ist als das Buch des wahnsinnigen Arabers Abdul Alhazred. Dieses Buch bildet den Nährboden für das jährlich stattfindende Culthe Fest (früher Unaussprechliche Culthe) in der Stadt, die sie Münster nennen.
Nach 3 Jahren Zwangspause findet das Festival, das für mich ein Mikrokosmos des in Tilburg stattfindenden Roadburn Festivals sein könnte, wieder im Sputnikkomplex mit seinen drei Locations Sputnikhalle, Sputnikcafe und Triptychon statt. Neben der eigentlichen Musik gibt es auch viel Experimentelles sowie Lesungen und eine „Dark Arts & Crafts Exhibition“, bei der man viel Kunstvolles wie Siebdrucke oder aus Knochen gearbeitete Kunst erwerben kann.
Culthe Fest Teil 1: Samstag, 08.04.23
Eröffnet werden die Unaussprechlichen Culthe im Triptychon passenderweise von Sahnemann, der eine Vorlesung abhält. Er liest „Träume im Hexenhaus“ von H.P.Lovecraft und wird dabei von Issmich, einer Cellistin und einem Saxophonisten begleitet, die zwischen den einzelnen Kapiteln unheimlich anmutende Melodien spielen. Ein wenig Nebel wird noch ins Publikum geblasen und die Atmosphäre ist perfekt.
Vielleicht hätte man gerade hierfür ein paar Sitzgelegenheiten mehr anbieten sollen, als nur die zwei Holzbänke in der Ecke. Ansonsten ist das Ganze aber sehr stimmungsvoll gehalten. Es überzieht nur leider den zeitlichen Rahmen etwas, sodass ich den ersten Song der offiziell ersten Band verpasse. Kleiner Funfact am Rande. Der Autor, der auch am nächsten Tag eine eigene Geschichte vorlesen wird, hatte zuvor selber nie Kontakt mit den Werken Lovecrafts.
In der Sputnikhalle trümmern Friisk den ersten Black Metal Set ins Publikum. Ungewöhnlich ist es schon, dass sich die Norddeutschen ausgerechnet Plattdeutsch als Sprache für ihre Texte ausgesucht haben.
Plattdeutsch ist tatsächlich als eigenständige Sprache und nicht als Dialekt anerkannt. Eine Sprache, die ich eher mit friesischer Gelassenheit und Flensburger Pils verbinde als mit Black Metal. Darum nehmt es mir nicht übel, dass ich aus Songtiteln wie „Mauern Aus Nebel“ oder „Torügg Bleev Blot Sand“ nicht wirklich schlau werde. Allerdings sind ja gerade die verschiedenen Spielarten des Black Metals auch häufig für die Nutzung der eigenen Muttersprache bekannt. Auch setzen Friisk den Trend des diesjährigen Festivals. Stumpfe mit wenigen Ausnahmen wechselnde, ansonsten aber immer einfarbige Beleuchtung. Farbe der Saison: Blau.
No Sun Rises schließen sich dem Ganzen im Sputnikcafe an. Auch hier wird die Bühne nur mit blauem undynamischen Licht, naja, erhellt kann man nicht sagen.
Das Backdrop gibt das Motto an: „Antioptimistische Aktion“. Ob man ihre Musik nun deshalb als Depressive Black Metal bezeichnen kann, bleibt Auslegungssache. Tatsächlich kommt die Band an vielen Stellen eher punkig rüber.
Komplettes Kontrast Programm findet danach wieder im Triptychon statt. Maude The Moth ist eine junge Frau, die mit Keyboard und Laptop sowie einigen Effektgeräten Klangcollagen erschafft und dabei Musik mit sich selber spielt. Während sie spielt, looped sie sich selber und spielt dies dann in einer Endlosschleife ab, um immer wieder neue Loops hinzuzufügen. So entstehen richtige Klanglandschaften und Soundwände. Selbst so simple Dinge wie ein zerknülltes Stück Papier werden von ihr zur Geräuscherzeugung genutzt und durch das loopen ihrer eigenen Stimme singt sie dann auch ein Duett mit sich selber.
Zurück in der Sputnikhalle. Deathrite sind als Death-Metal-Band so etwas wie die Exoten im Billing. Dazu brechen sie auch aus dem stoischen Blau der Bühnenbeleuchtung aus und haben auch gerne mal rotes Licht dazwischen. Dass die Jungs über jeden Zweifel erhaben sind, ist klar. Dass sie aber auf einem Black Metal Festival so gut ankommen, zeigt wie offen die Szene des Culthe Festes ist.
Griechischer Black Metal ist anders, sagt man. Und das stimmt auch. Yovel sind nicht nur die kurzhaarigste Band des Festivals, sondern mit Abstand auch die progressivste, was die Songstrukturen angeht. Dazu lassen sie noch eine Videoshow mit Aufnahmen aus weniger glorreichen Momenten der Menschheitsgeschichte hinter sich auf eine Leinwand projizieren. Das füllt das Cafe bis ganz nach hinten und macht es schwer, mal eben Bier holen zu gehen. Warum man die Bar im Cafe geschlossen lässt, erschließt sich mir nicht wirklich. Ebenfalls kurios ist, dass ich diese Band, die aus Griechenland kommt, optisch eher in Richtung Naher Osten einsortiert hätte und ihr Opener „Bebout les Morts“ einen französischen Titel hat. Die übrigen Stücke wie etwa „Voices“ oder „So, Our Flags Were Born“ wurden aber in englischer Sprache gehalten. Mehr Internationalität geht wohl kaum.
Im Triptychon wird es wieder etwas experimenteller. The Devils Trade ist ein Mann namens Dave mit seiner Akustikgitarre. Diese hat er an ein Effektboard angeschlossen, was alleine schon ungewöhnlich ist. Seine Musik, die von ungarischer Folklore inspiriert ist, hat einen gewissen Antimatter Touch. Der Fakt, dass er aus Ungarn kommt, führt dazu, dass er sich dafür sogar entschuldigt mit dem Vermerk „Europe’s Asshole“.
Wer die Sputnikhalle kennt, weiß dass diese schon immer für ihre interessante Geruchskulisse bekannt war. Sun Of The Sleepless, deren Bandlogo mich ein wenig an Children Of Bodom erinnert, bauen darauf auf. Ich weiß nicht, was es ist, was der Gitarrist da in seinem Stövchen verdampft, aber es riecht verdammt nach Vaporub. Das passt aber zu ihrer Art von Black Metal. Sänger und Gitarrist Schwadorf, den wir von The Vision Bleak kennen, zelebriert meisterhaft.
Dawn Ray`d aus dem (noch) Vereinigten Königreich sind der Headliner im Cafe. Die Bude ist so rappelvoll, dass ich nur noch einen Platz an der Seite der Bühne bekomme, so dass ihr Frontmann mir permanent den Rücken zuwendet. Neben dem Gesang spielt der Mann auch noch Violine, was ich bei einer Band außerhalb Skandinaviens eher selten sehe. Andererseits sind ja auch die Briten ein keltisches Volk.
Ultha sind der Tagesheadliner in der Halle. Ihren Set spielen sie komplett und ununterbrochen in statisches rotes Licht getaucht. Der Sound direkt vor der Bühne ist mehr als bescheiden. Erst als ich mich weiter nach hinten und in die Mitte begebe, kann man die Instrumente differenziert wahrnehmen. Der Gesang der beiden Sänger bleibt aber leider sehr unausgewogen. Während die Death-Metal-Grunze des ersten relativ gut wahrnehmbar sind, verwehen die Black-Metal-Screams des zweiten doch recht stark im Schlagzeugsound. Die Keyboards hätten auch einen Taken lauter sein können. Dennoch kann man hier nicht von einem schlechten Gig sprechen, nur von einem sehr langen, was bei Songlängen, die die 10 Minuten Marke knacken, auch kein Wunder ist (diverse Wortspiele mit dem Namen der Band werde ich hier auslassen. Sie wurden ja auch schon alle gemacht, und wir sind ja kein Magazin, das auf Teufel komm raus Ultha.lustig sein will.)
Culthe Fest Teil 1: Sonntag, 09.04.23
Als ich am Sputnikkomplex ankomme, fällt mir auf, dass sich doch einige mit Wohnwagen, Wohnmobil oder schlicht einem Bulli für eine Übernachtung vor Ort eingerichtet haben. Noch vor dem Einlass gehen die ersten Biere rum.
Es beginnt wieder im Triptychon mit einer Lesung von Sahnemann/Issmich. Dieses Mal wird mit „Herr Jesus“ eine von ihm selbst verfasste Geschichte gelesen. Auch instrumental wird dieses Mal mit einem Xylophon noch einmal aufgestockt. Wer glaubt, dass „Herr Jesus“ auf Grund des Namens eine fromme österliche Geschichte ist, der irrt. Hier tun sich Abgründe der menschlichen Psyche auf. Aber leider wird, wie auch am Vortag, hier etwas überzogen.
Als ich dann in der Sputnikhalle ankomme, knüppeln Perish bereits den ersten Song ihres Sets. Natürlich, wer konnte es ahnen, in blaues Licht getaucht. Ich möchte nicht sagen, dass die Band unspektakulär wäre, denn das trifft gewiss nicht zu. Aber im Vergleich, was uns heute noch auf der Hauptbühne erwarten wird, ob geplant oder nicht, ist diese Band recht normal für ein Black-Metal-Festival. Trotzdem ein guter Opener des Musikprogrammes.
Haerisis sind heute die erste von drei Bands mit Frontfrau. Das Cafe ist wieder voll bis Hellhaim West und ich muss den Gig wieder von der Bühnenseite verfolgen. Die Dame am Mikro, die mit ihrem Shirt auch noch ein Statement für weibliche Gleichberechtigung setzt, hat ordentlich Kraft in den Lungenflügeln. Ihre Hintermannschaft spielt durchaus versiert. Interaktion mit dem Publikum gibt es nicht, was aber an diesem Wochenende nahezu für jede Band gilt.
Das Tryptichon ist auch heute wieder der Ort für die alternativeren Musiker. So sitzt nun ein Mann mittleren Alters auf einem Stuhl mit Akustikgitarre und Effektboard auf der Bühne. Kesys heißt dieses Einmannprojekt. Ähnlich wie The Devil’s Trade am Vortag spielt er auf seiner Gitarre, die er mit Effekten verzerren kann, seine Songs. Er verzichtet hierbei aber gänzlich auf Gesang.
Dass eine Band mit dem Namen Morast nicht auch auf der Bühne mit selbigem beschmiert ist, finde ich dann doch etwas enttäuschend. Aber Schlamm drüber. Dafür ballert der Black Metal gut und ihr Frontmann durchlebt Songs wie „A Farewell“ oder „In Gloam“ körperlich. Dabei passiert es sogar schon mal, dass er fast seinen Gitarristen umrempelt oder versehentlich fast einen Zuschauer mit seinem Mikroständer erwischt. Dass er auch Wasser spuckt, wird ihm allerdings im Laufe des Sets zum Verhängnis. Nach dem er sich ganze dreimal abgepackt hat, zieht er seine Jacke aus und wischt damit den Boden, was er sogar noch in seine Bühnenperformance einbaut. So aggressiv der Mann am Mikro, der ein wenig Ähnlichkeit mit Venom incs Demolition man hat, auch wirkt, am Ende bedankt er sich sogar noch beim Publikum.
Der Chanceover im Cafe ist heute etwas merkwürdig. Eher Elektronisches ballert da aus den Boxen, was aber zur Bühnenoptik der nun folgenden Fvnerals doch zu passen scheint. Denn während sich durch einige Löcher der Vorhänge am Fester des Cafes einige Sonnenstrahlen ihren Weg bahnen und somit die geeignete Stimmung für den Doom Metal dieser Band setzt, wird die Bühne nur von zwei kurzen weißen Neonröhren beleuchtet. Dazu gibt es Videoeinspielungen auf der Leinwand. Die Musik bewegt sich irgendwo zwischen Funeral und Drone Doom ohne dabei aber die Längen zu haben, die gerade im letztgenannten Genre prägnant sind. 5 Minuten Ton halten is also nich. Dazu hat die Dame am Gesang eine sehr mystische Stimme, die der Musik eine düstere Mystik verleiht und somit perfekt die Mischung aus künstlich kaltem Licht und der hereinbrechenden Sonne aufnimmt und in eine besondere Atmosphäre verwandelt.
Bank Myna sind tatsächlich die einzige Band, die an diesem Wochenende im Triptychon spielen. Ich hätte nie gedacht, dass ich sowas mal schreibe, aber es gibt Musiker, die spielen eine Wanduhr. Ja, denn zu Beginn des Sets wird eine am Bühnenrand befindliche alte Wanduhr zum Läuten gebracht und der Klang der Glockenschläge mit Effektgeräten verzerrt. Auch der Bassist hat ein interessantes Soundboard auf einem Tisch vor sich aufgebaut. Mit einem Geigenbogen streicht er über einige Drähte und erschafft somit recht bizarre Klänge. Auch seinen Bass spielt er zunächst mit dem Bogen bevor er ihn dann doch wieder auf die konventionelle Art spielt. Die Sängerin der Band spielt auch gleichzeitig ein kleines Xylophon, Keyboard und Geige sowie kleinere Perkussion-Instrumente. Zum Ende des Gigs wird dann noch einmal die Uhr gespielt. Bizarrer Auftritt, aber irgendwie cool.
Wolvennest sind ebenfalls sehr interessant instrumentiert. Der Co-Headliner in der Sputnikhalle setzt nämlich nicht nur auf gleich drei Gitarristen, ihre Frontdame bedient zudem auch noch ein Keyboard, den Gesang und ein Theremin, welches als eines der schwersten, wenn nicht sogar das schwerste Instrument überhaupt, gilt. Dazu brennen schwarze Kerzen in deren Mitte ein menschlicher Schädel platziert ist. Nebel und das, diesmal rote Licht, geben der Atmosphäre dann noch den letzten Feinschliff.
Im Cafe sind Sun Worship der Headliner. Sie sind ein Duo und ihre Musik orientiert sich stark an der Art von Black Metal, die wir auch von Bands wie etwa Mantar kennen. Leider ist gerade der Gesang des Schlagzeugers in der ersten Reihe fast nicht wahrzunehmen, was schade ist, da er den Löwenanteil trägt. Seine bizarre Mikrofonkonstruktion, die er am Kopf trägt und ihm das Mikro direkt vor den Mund presst, sieht ein wenig aus wie eine fiese SAW-Falle oder manchmal auch als würde er künstlich beatmet werden.
The Ruins Of Beverest sind der Headliner des Festivals. Alexander Von Meilenwald und seine Jungs führen durch eine Setlist, die von doomig langsamen Songs bis brutalem Geballer alles aufweist, vor allem viel Doublebass. Dies ist tatsächlich das erste Mal, dass ich diese Band live sehe, weshalb ich leider nicht viel zu den einzelnen Songs sagen kann. Auch das Bühnenacting ist sehr statisch, was ein Albtraum für jeden Redakteur ist. Dennoch ist der Gig gut und die Songs nie zu langatmig.
Wenn ich einen Kritikpunkt zum Schluss des Festivals hervorbringen muss, dann der: Triptychon, räumt eure Bühne auf. Während der Gigs der alternativeren Künstler sah es dort aus wie in einer Rumpelkammer. Stehtische, Stühle und Cases, die im Hintergrund standen, wirkten oft sehr fehl am Platze und es wirkt den Künstlern gegenüber auch etwas respektlos, wenn die Bühne den Eindruck macht als sei sie nicht für die Auftritte vorbereitet worden. Ansonsten ein gut organisiertes Festival. Gerne nächstes Jahr wieder.
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