Konzertbericht – #WirSindMehr 21.10.2018 - Bastard Club, Osnabrück

Auch wir sind mehr

Ein Zeichen gegen Fremdenhass und rechte Hetze setzt der Bastard Club mit seiner Veranstaltung #WirSindMehr. Dabei ist das hier mehr als eine musikalische Demo gegen Nazis und Wutbürger. Die Einnahmen werden einem guten Zweck zugeführt.

Der Erlös aus dem Ticketverkauf sowie Teile der Getränkeeinnahmen werden der Aktion Exit gespendet. Eine Organisation, die Menschen hilft, die aus der rechten Szene aussteigen wollen. Auch ein Kuchenverkauf findet vor dem Club statt, der sich ebenfalls mit seinen Einnahmen diesem Zweck anschließt.

Nichtsdestotrotz ist das Ganze eine Musikveranstaltung, die allerlei Publikum verschiedenster Kultur und Subkulturen anlockt. Punks und Metaller treffen auf Normalos und zur Freude vieler auch auf viele Kinder, die hier etwas über kulturelles Miteinander lernen können.

Sieben Bands setzen Zeichen mit ihrer musikalischen Darbietung 

Michael Van Merwyk eröffnet den Abend gemütlich. Auf einen Stuhl sitzend spielt er Resonatorgitarre und zockt dabei eine sehr nach Johnny Cash klingende Version von Judas Priest`s „Breaking The Law“. Warum er allerdings Bowie`s „Heros“ in die Kategorie „Schlager aus meiner Jugend“ steckt, ist mir schleierhaft. Nach 4 Songs ist dann aber auch schon Schluss. Gemütlicher Auftakt.

Mit der Gemütlichkeit ist es dann aber bei Splitterfaser vorbei. Das Osnabrücker Trio spielt lupenreinen Punk und zerlegt damit die Bühne. Ein Tanzverbot für Nazis wird mit „Nazis Tanzen Nicht“ ausgesprochen und der Song „Sie Sind Hier“, der eigentlich mal für die Proberaumerhaltung in Osnabrück geschrieben wurde, bekommt heute eine zweite Bedeutung. Grün scheint übrigens die Lieblingsfarbe der Band zu sein. Denn sowohl die Drumsticks als auch die Saiten des Basses und sogar das Verstärkerkabel sind grün. Und ratet mal, welche Farbe das Bühnenlicht hat? Beim letzten Song „Wir“ begibt sich der Bassist dann auch von der Bühne runter ins Publikum.

Laminius X  spielen ebenfalls Punk, setzen aber ein bisschen mehr auf Cover. Hier ist übrigens Rot die Farbe der Band. Ihr Drummer spielt mit roten Sticks und hat einen passenden Zylinder auf. Sehr auffallend ist sein Shirt mit eingebautem LED-Display auf dem die Laufschrift „WirSindMehr“, der Veranstaltungsname, zu lesen ist. Singen kann er auch, denn er teilt sich die Lyrics mit seinem Gitarristen. Ihre französische Bassistin scheint nach Aussagen der Band noch recht neu im Line-Up zu sein. Der Klassiker „Creep“ von Radiohead sowie eine alternative Version von „Schrei Nach Liebe“, der besten Band der Welt, welches auch gut zur Thematik der Veranstaltung passt,  bleiben mir am besten im Gedächtnis sowie auch die bewegende Rede gegen Rassismus und Hetze des Schlagzeugers, die er zwischen den Songs abhält.

Atomic Peat stechen etwas aus dem üblichen Punkkorsett heraus. Während der ersten Songs meine ich, eine Spur Sludge in ihrem Sound zu hören, was wohl am sehr wummernden Bass liegt. Ein paar gut getimete Breackdowns schlagen eine Brücke hin zum Core und lockern das Ganze etwas auf.

Zeit für den Gastgeber. Dampfmaschine, die Band von Bastard-Club-Betreiber Schnalli hat immer Dampf. Sänger „Siggy Rock“ dreht hier mal so richtig am Rad. Er alleine könnte die Bühne schon ausfüllen. Drummer Schnalli randaliert hinter seinem Kit ordentlich rum und im Allgemeinen sind Dampfmaschine-Konzerte immer unterhaltsam.

Schöne Frau Mit Geld klingt wie eine Kontaktanzeige, ist aber ’ne Band. Schön ist die junge Dame, die hinter ihrem Keyboard auch den Gesang übernimmt. Ob sie Geld hat, weiß ich nicht. Ihre Musik ist eher im Indie und Pop Rock angesiedelt und trifft daher nicht wirklich meinen Geschmack. Talentiert sind die vier Musiker aber.  Ihren Set schließen sie mit einem Cover des Ideal-Songs „Berlin“ ab.

Zum Schluss wird’s dann nochmal stilvoll mit der Blues Company & The BC Horns. Wie der Name schon sagt, handelt es sich um Blues mit allem Drum und Dran, Trompete und Saxofonist mit Sonnenbrille eingeschlossen. Wer jetzt denkt, dass diese Band hier nicht hinpasst, irrt. Denn eine Aussage haben ihre Songs und um hier auch mal den Bildungsauftrag zu erfüllen, eine kleiner musikalischer Exkurs. Blues ist eine der Musikformen, die von Schwarzen gespielt und etabliert wurde. Für einen Konzertabend der gegen Rassismus wirbt, doch ideal. Stil hat die Band.

Gelungene Veranstaltung, die in Erinnerung bleibt

Zum Ende hin bedankt sich Veranstalter Schnalli nochmal bei allen Helfern und den Gästen, die trotz der parallel in der Osnabrück Halle stattfindenden „Wir Machen (Auch) Was“-Veranstaltung doch zahlreich erschienen sind und bittet alle Anwesenden noch zu einem Gruppenfoto auf die Bühne.

Die Wichtigkeit solcher Veranstaltungen ist heute größer denn je. In Zeiten, in denen Politiker in ihren Reden und Internetposts das Unwort (Halb) „Neger“ verwenden, bei Demonstrationen rechter Gesinnungen offen der Hitlergruß gezeigt wird und Politiker Hetzjagden gegen Menschen mit anderer Hautfarbe verharmlosen oder gar abstreiten, muss einem klar sein, dass wir auf den Weg sind, eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte zu wiederholen. Über die Flüchtlingskrise darf und muss kritisch diskutiert werden, denn es wurden Fehler gemacht, die gar nicht oder zu spät hinterfragt wurden. Aber das Anzünden von Flüchtlingsheimen und das Hetzen gegen Minderheiten ist aufs Übelste zu verurteilen. Unsere Meinungsfreiheit steht auf dem Spiel, wenn eine Partei wie die AfD im Internet Foren einrichtet, in denen Schüler ihre Lehrer melden können, wenn diese sich kritisch gegenüber der Partei äußern. Wählen gehen ist wichtiger als zuvor, da enthaltende Stimmen indirekt einen Vorteil für die Rechten ergeben. Kein normal denkender Mensch kann ein Viertes Reich wollen. „Hass und Verachtung bringen uns einander niemals näher. Wir sollten am Glück des Anderen teilhaben und ihn nicht dafür verachten“ (Charlie Chaplin). Wir alle sind Menschen; wir alle bluten rot.

Nachtrag: Durch den Verkauf von Tickets, Speisen und Getränke sind 2.500 € an Spendengeldern zusammengekommen. Diese werden der bereits oben genannten Organisation Exit gespendet.

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Bericht: Inquisitor
Fotos: Dark Angel

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