Rock Am Härtsfeldsee 2023 23.06. - 24.06.2023, Dischingen (BaWü)

Es heißt, ein Mensch ist nie wirklich tot, solange man seinen Namen ausspricht. 2009 besuchte Jörg Sandmann zum ersten Mal das Rock Am Härtsfeldsee in Dischingen und begründete damit eine langjährige und liebgewonnene Tradition. Die alljährliche Ochsentour von Osnabrück nach Baden-Württemberg, um das ‚Schützenfest mit besserer Musik‘, wie er es immer nannte, um ein paar Besucher reicher und einige Liter Bier ärmer zu machen. Im Februar 2023 verstarb Jörg Sandmann plötzlich. Sein Herz hörte einfach auf zu schlagen. Nun liegt es an uns, die Tradition weiter fortzuführen und das liebgewonnene ‚Pressluftzelt‘, wie ich es immer nenne, weiter zu besuchen. 

Rock am Härtsfeldsee 2023

Rock am Härtsfeldsee – Freitag, 23.06.2023

Es ist tatsächlich ein merkwürdiges Gefühl, im Wissen zu fahren, dass jemand fehlt. Der schiere Enthusiasmus des Mannes war jahrelang die Triebfeder dieser Unternehmung. Nun zum 25. Jubiläum des immer noch liebevoll gestalteten Festivals müssen wir es ohne ihn richten. Aber es gibt auch Positives zu berichten. Das Festival vermeldet „Ausverkauft“ und auch auf dem Gelände sind die klaffenden Lücken in der Händlermeile vom letzten Jahr erheblich kleiner geworden. Es geht dem Festival gut, und das würde Jörg sehr freuen.

Ein Vierteljahrhundert – da kann man schon mal größer denken, denn der traditionelle regionale Opener sind dieses Jahr Undertow. Zugegeben, das waren sie auch schon einmal vor 8 Jahren, allerdings hat sich die Band seitdem einen Status erspielt. Wie auch beim Rock Hard ist das Set eher thrashig. Das steht der Band auch ganz gut, wenngleich ich ihre Stärken auch eher in den doomigen Stücken sehe.

Wolfchant aus Bayern klingen aus der Konserve eher nach 08/15 Pagan Metal. Live kommen die Jungs dann doch deutlich knackiger rüber. Allerdings bleibt auch hier nicht so wirklich etwas von dem Songmaterial hängen.

Nachtbluts Frontmann Askeroth war in der Osnabrücker Szene einst berüchtigt. So trat er einst in der OS Community (Noch vor Facebook) seiner eigenen Hater-Gruppe bei, um die Mitglieder zu trollen. Als ich ihm später genau diese Info droppe, ist er tatsächlich selber erstaunt darüber, dass das noch jemand weiß und dazu noch 500 km von Osnabrück entfernt. Ihren Set eröffnen sie mit „Multikulturell“. Musikalisch bewegen sich Nachtblut irgendwo zwischen Gothic- und Black Metal, auch optisch komplett mit Corpsepaint. Dark Metal nennt sich das Ganze. Auch „Leierkinder“ kommt ins Set und mit dem Die Prinzen Cover von „Alles Nur Geklaut“ verabschiedet man sich dann auch wieder. Solide!

Osnabrück, die Zweite: Mr. Hurley & Die Pulveraffen kann man mögen oder auch nicht. Die Tatsache, dass sie ihre Piraten- Shantys hier schon zum zweiten Mal spielen, zeigt dass irgendwer sie ja wohl mag. Auch ist es vor der Bühne knacke voll. Egal ob bei „Achterbahn auf dem Achterdeck“ oder ihrem All time Fave „Blau Wie Das Meer“, der Härtsfeldsee ist textsicher. Naja, sind ja im entferntesten Sinne auch Seemänner und Frauen und alles dazwischen.

Mit Manowars „The Crown and The Ring“ als Intro betreten die Emil Bulls die Bühne. Vor Jahren sah ich die Band schon einmal auf dem Hütte Rockt Festival. Damals konnte ich mit dem Ganzen ähnlich viel anfangen, wie der Papst mit Kondomen, was wohl auch nicht nur mir so ging, wenn man die Sprüche aus unserer Reisegruppe hört. Umso erstaunlicher, dass die Band nach ihrem Intro dann doch noch ein echt solides Set spielt. Die Bulls haben sich gemacht, auch wenn ich weiterhin nicht wirklich Zugang zu ihrer Musik finde. Es reicht aber dennoch dafür aus, dass ich mit etwas Abstand vor der Bühne verbleibe und mir das Ganze anschaue.

Mit Hammerfall als Headliner betritt die einzige nicht deutsche Band des Tages die Bühne. Die Schweden sind immerhin auch schon nach 2015 und 17 das dritte Mal hier. Man präsentiert, wie immer eigentlich, eine komplette Werkschau des eigenen Schaffens. Neben Songs des nicht ganz so auf Gegenliebe gestoßenen 2009er Werkes „Infected“ finden mit „Let The Hammer Fall“, „Blood Bound“ und natürlich dem unverzichtbaren „Hearts On Fire“ auch wieder die Klassiker ins Set. Bei „Glory To The Brave“ herrscht dann doch erhebliche Niederschlagsgefahr. Habe ich den Song in den letzten Jahren einfach als eine wunderschöne Ballade empfunden, hitted das Ganze nach dem eingangs erwähnten Verlust heute doch anders. Zeit für Emotionen muss halt auch sein. Auch wenn der Set wenig Überraschungen birgt, Hammerfall gehen immer.

Den ersten Tag lasse ich nun gemütlich an der Bar ausklingen, wo überraschenderweise sogar „Schaufelradbaggerverleih“ von den Frog Bog Jungs läuft. Sachen gibts.

Samstag, 24.06.2023

Nach dem der Kater vom Vortag etwas abgeklungen ist, man sich auf Burg Katzenstein was zu essen reingeschoben hat und das Bier wieder einigermaßen schmeckt, gehts pünktlich um 17:30 Uhr zur ersten Band des Tages. Enslave The Chain überraschen etwas, denn statt des Metalcore, den ich aufgrund des doch schon sehr am Klischee dieser Szene kratzenden Namens erwartet habe, bekommen wir jetzt Progressive Metal auf die Ohren. Das ist als Opening Slot schon etwas gewagt. Die Jungs spielen tatsächlich ihre komplette kürzlich veröffentlichte EP, die auf ihren Bandnamen hört. Das bedeutet, dass wir fünf überlange Songs geboten bekommen, die neben dem Titelsong auch so illustre Titel wie „Paranoia“ enthalten. Man muss jedoch sagen, dass mit anhaltender Spieldauer die Musik der Jungs ganz klar besser wird. Hier könnte es sich um einen klassischen Grower handeln. Mal im Auge behalten.

Wolfheart sind der Beweis, dass es eindeutig zu viele Bands mit Wolf im Namen gibt (Wolfchant spielten ja schon am Vortag). Für mich als ausgewiesenen Liebhaber des Melodic Death Metal ist es aber genau das Richtige. Allerdings muss man bei den Finnen immer hinterfragen, ob sie wissen auf welchem Festival sie sich befinden. So begrüßte Tuomas Saukkonen 2019 das PartySan mit den Worten `Good Evening Rockharz`. Dass er sich heute nach Songs wie etwa „Boneyard“ mit einem `Thank You Wacken` bedankt, kann aber getrost als gewolltes Trollen bezeichnet werden. Musikalisch gibts nichts zu meckern. Der Sound ist knackig und differenziert. Die Mikroständer, die teilweise wie eine mutierte Hirschart aussehen, würden tatsächlich zum Rockharz passen, wo sie dieses Jahr auch spielen. Dazu hat Tuomas eine verspiegelte Fliegerbrille auf und betrillert ausnahmslos mit gutem Aussehen.

Brainstorm bieten nun eine kleine klassische Auszeit. Ihr melodiöser Power Metal fungiert etwas als Halbzeit zwischen den noch kommenden brachialeren Bands. Obwohl „The Devils Eyes“ wirklich ein guter Song ist, muss ich jetzt auch mal ’ne Pause machen und verfolge den Gig von der Seitenlinie – heißt, ich setze mich im kleinen Außenbereich hin und sehe damit nur noch die Lichttraverse der Bühne.

Finnland, die Zweite: Ensiferum sind eine dieser Bands, die man eigentlich immer bringen kann. Interessant auch, dass man heute mit einem Klassiker eröffnet. „Token Of Time“ bringt Stimmung in die Bude. „Twilight Taverne“ wird heute mit einem Sprachintro eröffnet und was Bassist Sami da vor „In My Sword I Trust“ auf dem Bass vor sich hin spielt, klingt verdammt nach Alannah Myles „Black Velvet“, was mich nicht nur dazu anregt, mal eben den Refrain in die Menge zu schreien, sondern mir auch einen amtlichen Ohrwurm verschafft. Auch interessant, dass man auf den obligatorischen Fanfave „Iron“ (Dabdadada dabdadada) komplett verzichtet.

Vor über 20 Jahren sang Alexander Wesselsky den Pokemon Rap für die deutschen Folgen des Animes ein. Später verscherbelte er auf DMAX als Checker Autos. Musikalisch ist er mit seiner Band Eisbrecher seit 2003 unterwegs. War er im letzten Jahr noch als Gast beim Rock Am Härtsfeldsee, fungiert er heute als Headliner. Schon im Intro zu „Volle Fahrt Voraus“ hört man das Nebelhorn des namensgebenden Kolosses und das Bersten des Eises. Anderthalb Stunden NDH Ahoi. Was ich auf Platte nur so semi gut finde, entpuppt sich live als echte Walze.

Und auch die dazugehörige Show kann sich sehen lassen. Egal ob sich die Band in Blueman Group-artiger Weise mit Fässern durch einen Song trommelt, während bei jedem Schlag Flüssigkeit (vermutlich Wasser das farblich angestrahlt wird) in die Luft spritzt, oder ob bei „Eiszeit“ die komplette Band in Mänteln mit (Kunst)Pelzkragen auf die Bühne kommt, während es aus der Traverse Schaum schneit, der die gesamte Security im Fotograben einschäumt, zu sehen gibt es immer was.

Dass auch bei „This Is Deutsch“, als ein CO2-Werfer eine Rauchsäule an die Decke des Zeltes pfeffert, die sich dadurch bricht und direkt ins Publikum wabert, wobei die betreffenden Reihen dann wohl zugegebenermaßen nicht mehr viel sehen dürften. Um halb Eins in der Nacht verlassen der Captain zur See und seine Jungs dann wieder die Bühne. Sie fahren die großen Pötte halt auch noch woanders. Das Festival ist rum, Zeit für einen Absacker bis ca. 04:00 Uhr.

Fazit: Das Rock Am Härtsfeldsee 2023 war wie die Jahre zuvor eine gut organisierte Veranstaltung. Wenn auch das Line-Up nicht immer meinem Geschmack entspricht, veranlasst es allerdings doch dazu, sich auch mal mit Bands außerhalb der eigenen Komfortzone zu befassen. Gerüchte, wonach die 25. Auflage des Festivals der Schwanengesang wäre, entpuppen sich als das was sie sind: Gerüchte. Denn die Veranstalter ließen verlauten, dass bereits ein Headliner fürs nächste Jahr gebooked wurde. Und das bedeutet auch, dass wir diese wunderbare Tradition fortführen werden. Für uns und für Jörg. Und so viel Spaß wie das ganze Macht, Sandmann du fehlst.

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  1. Rock Am Härtsfeldsee - Heavy Stage Force

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