Eine Babyleiche wird auf dem Kieler Straßenstrich in einem Industriegebiet gefunden. Von der Mutter fehlt jede Spur. In der Jacke, in dem das Kind eingewickelt wurde, finden die Ermittler ein Bändchen des Wacken Open Airs. Kurz zuvor wurde die mutmaßliche Mutter mit dem noch lebenden Kind gesehen wie sie einen Food Truck Richtung Wacken bestieg.
So beginnt er also, der “Wacken”-Tatort. Als 2022 angekündigt wurde, dass eine Folge des Kieler “Tatort” auf dem mittlerweile jeder Hausfrau bestens bekannten Wacken Open Air gedreht werden soll, war mir etwas komisch. Ich hatte ganz gruselige Vorstellungen über Satanismusklischees und ungepflegte betrunkene Metalfans. Denn gerade die Öffentlich-Rechtlichen neigen dazu, mit Subkulturen nicht sehr feinfühlig umzugehen. Umso überraschter war ich, als ich feststellte, dass “Borowski Und Das Unschuldige Kind Von Wacken” relativ klischeefrei über seine anderthalb Stunden kommt. Auf die Handlung möchte ich hier im Weiteren auch nicht eingehen. Der Tatort steht jedem in der ARD-Mediathek zur Verfügung.
Eingehen möchte ich hier darauf, wie das Wacken und der Metal in den Film eingearbeitet wurden. Denn das wurde doch ganz gut umgesetzt. Sicher, es gibt einige unfreiwillige Lacher im Gesamtwerk. So in der Szene, als Borowski und seine Partnerin nach Wacken reinfahren und beim Anblick von gerade mal 10 Metalfans zu dem Schluss kommen, dass hier ganz schön was los ist. Auch dass das Festival noch im Aufbau ist und um diese Zeit noch gar keine Fans im Ort anwesend wären, ignorieren wir einfach und legen es in der Schublade “Visuell nötige Darstellung” ab, gleich neben den Kästen mit Flaschenbier, die auf jedem Festival verboten wären.
Sieht man aber mal davon ab, bemerkt man schnell, dass man sich Mühe gegeben hat. So wird zwischen den Szenen gut mit der Musik gearbeitet. Wir hören unter anderem “Duality” von Slipknot und Disturbeds “Down With The Sickness”. Auch einige Charaktere des Film hören in ihren Szenen Metal. So bekommen wir eine klassische “Mama schreit Sohn an. Er soll die Musik leiser machen”-Szene, in der “Balls To The Wall” von Accept aus dem Jugendzimmer dröhnt. In einer Sequenz, in der die Ermittler auf dem Gelände des Festivals ermitteln, während im Hintergrund die Bühnen aufgebaut werden (Die Dreharbeiten fanden tatsächlich während des Aufbaus statt) sehen wir auch Wacken-Mitbegründer Thomas Jensen, der einen Cameo-Auftritt hat.
Die Rolle des Lenny ist dann wieder was ganz Spezielles. Ein dicklicher junger Mann, der versucht, sein Leben mit dem Produzieren von Podcasts zu finanzieren, der über das Internet nach Frauen sucht, paranoide Züge besitzt und deshalb das Gelände vor seiner Wohnung/Laden mit einer Kamera überwacht und darüber hinaus die Zuhörer mit den Worten `Meddl Loide` begrüßt. Wer sich ein wenig in der Internetlandschaft Deutschlands auskennt, wird schnell merken, dass diese Rolle eine Anspielung an den umstrittenen ex-YouTuber Drachenlord ist (Darsteller Nikolas Dinkel hat bereits in einem Statement bestätigt, dass der Drachenlord auch tatsächlich die Inspiration für diese Rolle war). Damit haben es die Öffis zum zweiten Mal nach “Huber Ohne Staller” (ZDF-Folge: Tot dem König) geschafft, Herrn Winkler, wie der Drachenlord wirklich heißt, gekonnt zu parodieren.
Kommen wir aber zurück zum eigentlichen Geschehen, denn dieses findet einen emotionalen Abschluss. Der Fall ist gelöst und in einer kleinen Montage über den Verbleib der jeweiligen Charaktere hören wir “God Was Never on Your Side” von Motörhead. Und auch das Festival an sich kommt zum Schluss nochmal ins Bild. Während Borowskis Partnerin scheinbar keine Lust hat “den Tod zu feiern”, bemerkt Borowski “Ich glaube sie feiern das Leben”, was ihn dazu veranlasst, sich am Ende auf das Gelände zu begeben und sich mit The Halo Effect (“Days Of The Lost”) einen der besten Auftritte des gesamten Festivals zu geben.
Damit endet der “Wacken”-Tatort. Als Fazit ziehe ich, dass es sich immer noch um einen Tatort handelt und dieser eine bestimmte Zielgruppe hat, die Wacken gerade mal aus der alljährlichen Berichterstattung der Medien kennt. Und dennoch hat man es geschafft, verhältnismäßig respektvoll und klischeebefreit an die Sache ran zu gehen. Wie viel Rundfunkbeitrag dafür wieder verballert wurde, steht jedoch auf einem anderen Blatt. Meddl Off
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