Wrestling Is Metal Parallelen zwischen beiden Szenen

Eingeölte Männer, die sich in Schlüpfern um einen Gürtel prügeln. So dürften viele Menschen, die sich nicht fürs Wrestling interessieren, das Ganze wohl empfinden. Und schon diese Aussage stellt eine Parallele zur Metalszene dar. Denn obwohl sich der Metal nicht zuletzt durch Wacken-Dokumentationen seinen Weg in die Mitte der Gesellschaft gebahnt hat, gilt für viele immer noch: “Dat is doch nur Hottentottenmusik aus’m Urwald”. Was es aber sonst noch für Parallelen gibt und welchen Platz der Metal im Wrestling hat, das möchte ich in diesem Text, der vielleicht auch für Nicht-Wrestlingfans interessant sein könnte, beleuchten. Denn Wrestling Is Metal.

Wrestling is Metal
Bild von Juan Martinez auf Pixabay

Schauen wir uns doch zunächst mal an, wie Metal im Wrestling am prägnantesten vorkommt. Natürlich Kraft der Musik selbst und zwar in Form der Einzüge der einzelnen Wrestler. Prominentestes Beispiel hier wäre Triple H. Sieht man von den ersten Jahren als Hunter Hearst Helmsley mal ab hat er fast in seiner gesamten Karriere Musik von  Motörhead für seinen Einzug in die Halle genutzt und sogar einen amtlichen Lemmy-Bart dazu getragen.

Die drei Nummern “The Game”, sein regulärer Thema Song, “The King Of Kings”, welchen er für die Wrestlemania 22 im Jahr 2006 nutzte und später auch sporadisch immer mal wieder als Alternative zu seinem regulären Thema, und “Line In The Sand”, welcher zu seinem Staple (Ein Team aus Westlern, welches aus mehr als zwei Mitgliedern besteht) Evolution gehörte, waren auf keinem regulären Motörhead Album vertreten, sondern exklusiv nur für ihn und seinen Arbeitgeber, dem weltweiten Marktführer für Wrestling World Wrestling Entertainment (WWE) geschrieben worden.

Die Band schaffte es sogar mehrmals bei Veranstaltungen, wie der Wrestlemania, die für Triple H geschriebenen Stücke live zu performen. Lemmy und seine Jungs waren so wichtig für das Gimmick und den Character von Triple H, dass die WWE sogar nach dem Ableben des Böss eine offizielle Schweigeminute bei der Eröffnung ihrer Mainshow RAW einlegte. Das war mit Ausnahme für die Opfer des 11. September bisher nur verstorbenen Wrestlern oder Legenden der Company vorbehalten. Sogar bei der Beerdigung des Motörböss tauchte Paul Michael Levesque, so der bürgerliche Name von Triple H, auf und hielt eine Rede.

Auch der Fanliebling CM Punk ist für diesen Artikel relevant. Sein Gimmick irgendwo zwischen Straight Edge, Hardcore und Metal wurde durch seine Einzugsmusik “This Fire Burns” von Killswitch Engage (Meines Wissens ein exklusives WWE Stück) untermalt. Im späteren Verlauf seiner Karriere wechselte dann sein Thema zu “Cult Of Personality” von Living Colour, welches sie auch bei der Wrestlemania 29 NJ/NY live für ihn spielten. Und auch der “berühmteste” Luchadore der Welt Rey Mysterio betritt den Squared Circle seit 2006 mit Musik der christlichen Nu-Metal-Band P.O.D., die ebenfalls 2006 bei Wrestlemania 22 live in der Halle spielten. Selbst die WCW-Legende Goldberg nutze eine Zeit lang “Crush Em” von Megadeth, in dessen Musikvideo er auch zu sehen ist. Auch wenn es sich dabei wohl nur um Szenen eines seiner Filme handelte.

Auch die ECW (Extreme Championship Wrestling) setzte auf ein solches Metal-Schwergewicht. Nicht nur, dass das Produkt sich auf harte Matches im Bereich Hardcore, Street Fight und Death Matches spezialisierte, was dem Ganzen schon einen rebellischeren Anstrich gab und somit auch den Charakter harter Musik visualisierte. So kam der Sandman, eine Legende des Hardcore-Wrestlings, stets zu den Klängen von Metallica`s “Enter Sandman” durch das Publikum in die Halle, während er Bierdosen weg-exte und sich die Büchsen am Kopf zerkloppte bis er blutete. 

Überhaupt setzte in den 2000ern die bekannte Wrestling-Industrie der WWE und später auch die in die Company eingegliederte ECW auf Metal Themes. So wurden die drei Shows ab 2006 RAWSmack Down! und ECW von den Songs “Move To The Music” (RAW), “Rise Up”, (Smack Down!) und “Bodies” (ECW) von Drowning Pool eröffnet. Selbst einige der Pay Per Views, wie der “Taboo Tuesday 2005”, hatten mit “Twisted Transistor” von KoRn einen zu dieser Zeit schwer angesagten Soundtrack.

Aber auch in den Namen bestimmter Wrestler haben sich Metalbands verewigt. So leitete der kanadische Superstar Christopher Keith Irvine seinen Ringnamen Chris Jericho vom Helloween-Debüt “Walls Of Jericho” ab und benannte seinen Aufgabegriff, der eigentlich ein Boston Crab ist, ebenfalls nach dem Album. Des Weiteren ist er Frontmann der Band Fozzy, deren Song “Judas” er regelmäßig bei AEW als Entrance-Musik verwendet. Auch anderweitig sind Anspielungen an Metal in seinem Auftreten zu sehen. So ist in seinem Einzugsvideo, das parallel mit seinem Erscheinen in der Halle auf einem Videoscreen, dem sogenannten Titantron, abgespielt wird, die berühmteste Frage der NWOBHM zu lesen “Am I Evil? Yes I Am”.

Auch seine Gruppierung der Inner Circle nutzt die Ästhetik bekannter Klassiker der Hartwurst-Musik. So gab es T-Shirts, in dem die Mitglieder die Gesichter von Guns n` Roses auf dem “Appetite For Destruction”-Cover ersetzen. Sein Kollege The Butcher, der mit seinem Partner The Blade als Tag Team ebenfalls bei AEW antritt, ist nebenbei auch noch Gitarrist der Core-Band Every Time I Die. Und auch der WWE Superstar Damian Priest benannte seine beiden Finishing Moves nach Metallica‘s “Hit The Lights” und Slayer‘s “South Of Heaven”.

Genug nun von der Musik selbst. Wenden wir uns der Frage zu: Wie wird Metal im Wrestling dargestellt? In den 80ern und 90ern waren Storylines in der damals noch als WWF bekannten marktführenden Promotion eher auf Basis von internationalen Konflikten aufgebaut. So setzte man gerne osteuropäische Wrestler oder jene, die eben nicht westlich aussahen, häufig in die Rolle des kommunistischen Amerika-hassenden Russen, selbst wenn dieser eigentlich Finne oder wie vor einigen Jahren noch Bulgare war. Ab der Mitte der 2000er kippte das Ganze aber etwas. Zwar setzte man den damals als arabischstämmig ausgegebenen Marc Julian Copani als Muhamned Hassan ein, obwohl Copani italienischer Abstammung war. Aber spätestens nach den Londoner Bombenattentaten 2005 wurde auch das Araberklischee den Amis zu heiß.

Stattdessen setzte man nun vermehrt auf subkulturelle Auseinandersetzungen. Hierbei ist die Storyline zwischen dem, auch im realen Leben, damals als Rapper agierenden John Cena und dem “Ultimate Opportunist” Edge ein gutes Beispiel. Edge hatte in der Vergangenheit immer wieder neue Gimmicks erhalten, wurde zum Schluss aber mit Musik von Rob Zombie (Never Gonna Stop) und letztendlich mit einer etwas umarangierten Version des Alter Bridge Songs “Metalingius” immer mehr in die Rolle des Metallers manövriert.

Seine langen blonden Harre sowie die Lederjacke gaben dem Ganzen dann die nötige Optik. Zwar wurde diese Storyline nie wirklich auf die Musikstile aufgebaut, doch war der Ansatz des Metal gegen Hip-Hop-Klischees hier ganz klar Vater des Gedankens. Eine Rivalität wie es sie Anfang der 2000er zwischen Teenagern der beiden Musikformen durchaus gab. Gleiches wurde auch schon einmal früher mit Chris Jericho anstelle von Edge aufgebaut und endete in einem Battle Of The Bands, bei dem sich Jericho später weigerte mit seiner Band Fozzy zu spielen, nachdem zuvor John Cena mit seiner Chaingang performt hatte. Hier wurde also die klischeehafte Divenhaftigkeit einiger Rock-Bands auf´s Korn genommen.

Mit der Vermischung der Subkulturen Metal und Core kam dann auch CM Punk ins Spiel. Sein Gimmick zwischen Straight Edge Hardcore und Metal, das wie eingangs erwähnt, mit Musik von Killswitch Engage untermalt wurde, spiegelte den Zeitgeist der alternativen Szene damals mit viel Klischee wider. So musste Punk jedem, der es nicht wissen wollte, unter die Nase reiben, dass er keine Drogen und keinen Alkohol konsumiert und turnte dann auch irgendwann Heel (Heel ist im Wrestling der Begriff für die als böse dargestellten Wrestler, die das Publikum hassen soll), um in seiner Arroganz seine eigene Straight Edge Society zu gründen. Das war mit ein wenig Augenzwinkern ein Seitenhieb auf eben jene Menschen der alternativen Szene, die sich als etwas Besseres fühlten, weil sie im Verzicht leben.

Auch die legendären Hardy Boyz bestehend aus dem Bruderpaar Matt und Jeff Hardy waren exemplarisch für den alternativen Szeneansatz. Auch wenn ihr Gimmick eher zwischen brutal überzeichnetem Skate Punk und Stuntshow lag, konnte man hier schon Ansätze der Metal-Subkultur erahnen, die nicht zuletzt natürlich durch die Musik untermalt wurden. Ebenfalls in diese Sparte fällt der gerade mal 22-jährige Darby Allen, der bei AEW als eine Art Skater Goth mit passender Musik zum Ring kommt. Da sich Punk und Gothic durchaus mit dem Metal kreuzen, nehme ich das Ganze einfach mal hier mit auf.

Aber auch die Bands selber begannen sich für das Wrestling zu interessieren. Nicht nur die weiter oben erwähnten Motörhead hatten Fuß im Catchen gefasst. Auch Kiss versuchten bereits in den 90er Jahren beim größten Konkurrenten WCW (World Championship Wrestling), damals noch WWF, Fuß zu fassen. Das Ganze sollte sogar soweit gehen, dass es ein eigenes Kiss Stable mit vier Akteuren, die die einzelnen Charaktere der Band darstellen, hätte geben sollen. Der Kiss Demon wurde mit einem Playback-Auftritt der Band eingeführt und gleich wenige Wochen später wieder eingestampft, da er nicht den erwarteten Anklang bei den Fans fand. Das Thema Kiss Stable hatte sich damit erledigt.

Erfolgreicher waren da ihre Horror-Punk-Kollegen von den Misfits. Sie waren eigentlich nur ein Ersatz für die aufgrund von Touraktivitäten ausgefallenen Horrorcore Rapper von Insane Clown Possy. Diese sollten das von den beiden Hardcore Wrestlern Raven und Vampiro begründete Tag Team Deadpool zum Ring begleiten. Um Vampiros Matches ranken sich Mythen, dass sie teilweise zu hart für eine TV-Ausstrahlung waren. Auf der Suche nach einem Ersatz bekam Vampiro mit, dass die Misfits nicht weit von der Veranstaltungshalle, in der die WCW am Abend gastierte, spielten und fragte die Band daraufhin, ob sie nicht Lust hätten, später noch bei der Show dabei zu sein. Das alles geschah so spontan, dass nicht mal die verantwortlichen Offiziellen der WCW wussten, wen Vampiro da anschleppte.

So kam es, dass die Misfits noch am selben Abend bei der WCW auftraten und die Wrestler zum Ring begleiteten. Daraus wurde schließlich eine längere Partnerschaft. Gitarrist Doyle fing sogar an das Vampiro Makeup zu übernehmen, und Bassist Jerry Only war so angefixt, dass er sich nicht nur einen eigenen Ring kaufte, sondern auch Matches für die WCW bestreiten wollte. Dies tat er dann auch und wurde prompt von Dr. Death Steve Williams im Ring ausgeknockt.

Aber auch Bands, die sich das Wrestling zum Thema nehmen, existieren im weiten Kosmos des manchmal unübersichtlichen Genre-Dschungels des Metals. So zum Beispiel die Amis von Eat The Turnbuckle, die nicht nur ihre Texte dem Thema des professionellen Ringkampfes widmen, sondern ebenfalls eine brutale Show im Stile des Death Match Wrestlings zeigen. Hier wird sich durch Tische geslamed, Leuchtstoffröhren auf dem Körper zerschlagen und mit Käsereiben über die Stirn gefahren. Musikalisch schweben sie dabei zwischen Hardcore Death- und Thrash Metal. Ein ähnliches Konzept, nur nicht ganz so krass, verfolgen die Osnabrücker der WrestleManiacs (die ihr 2019 auch als Late Night Slot auf unserer Heavy Stage Night sehen konntet und bei der der Verfasser dieser Zeilen als aktiver Teil der Bühnenshow agierte). Diese schafften es sogar, für die deutschen Wrestling Promotions Wrestlingkult und Dockers Wrestling Duisburg sowie zweien ihrer Wrestler, Carnage und Bierhannes, die Intros bzw. Entrance Music zu schreiben.

Auch die verschiedenen Match-Arten im Wrestling sind durchaus mit Metal-Genres zu vergleichen. Während wir uns in klassischen Matches, die geprägt sind von Einflüssen aus dem Ringen, Boxen, MMA und klassischem britischen Catchen eindeutig im traditionellen Heavy Metal befinden, kommen wir bei Street Fights, die ihren Namen daher haben, dass dort für gewöhnlich Dinge wie Mülltonnen, Verkehrsschilder oder andere auf der Straße zu findende Gegenstände eingesetzt werden, in den Bereich des Thrash Metal. Zumindest, wenn man sich die Musik dazu einfach mal vorstellt.

Death Matches sind die härteste Kategorie des Wrestlings. Hier kommen auch gut und gerne mal Käsereiben, Pizzaschneider und Leuchtstoffröhren zum Einsatz. Welches Metal-Genre hier visualisiert wird, kann man sich vom Namen ableiten. Seit einiger Zeit hat der Marktführer WWE sogar noch eine Match-Art, die sich “Symphony Of Destruction” nennt. Bei dieser Art von Match werden Instrumente jeglicher Art als Waffen zweckentfremdet. Es ist zwar nicht offiziell bestätigt, aber die Vermutung liegt nahe, dass man sich hier beim gleichnamigen Titel von Megadeth hat inspirieren lassen.

Zum Schluss sei hier auch auf die ähnlichen Strukturen und Zusammenhänge der Szenen hingewiesen, auch wenn der Metal teilweise in sinnlosen Grabenkämpfen um die Vormachtstellung gewisser Genres oder Bands dominiert wird. Stirbt ein Musiker, unabhängig von Genre oder Band, ist die Trauer in allen Lagern gleich. Ähnlich verhält es sich im Wrestling. Zwar werden hier weniger Debatten über Trve und Untrve geführt, doch auch hier werden verstorbene Stars der Szene betrauert und geehrt, unabhängig davon, ob man nun ein Fan von ihnen war. Die Liebe, die Bands und Wrestlern in ihren Szenen entgegen schlägt, findet man im Mainstream-orientierten Teil unserer Gesellschaft kaum bis gar nicht. Und so behaupte ich einfach METAL IS WRESTLING.

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