Chiffre : Kreativität Raum geben Interview mit Pascal und Jonas von Chiffre

Im vergangenen Oktober veröffentlichten Chiffre mit „Wastelands“ ein sehr starkes Album. Als Speerspitze der Osnabrücker Musikszene werden sie auf der Heavy Stage Night 4 auftreten. Höchste Zeit also für ein Gespräch mit der Band. Im K.A.F.F., dem Gebäude mit dem kleinen Uhrentürmchen am Osnabrücker Hafen, trafen wir uns im Proberaum mit Sänger Pascal und Gitarrist Jonas. 

Foto Chiffre

HSF (Dark Angel): Zunächst einmal herzlichen Dank dafür, dass ihr uns so kurzfristig dieses Interview ermöglicht habt. Im Oktober 2022 berichteten wir über die stimmungsvolle Releaseparty eures Albums „Wastelands“ im Osnabrücker Bastard Club. Dort zeigte sich, dass ihr in der Szene sehr angesagt seid. Auch wenn wir die Flyer für die Heavy Stage Night verteilen, fällt euer Bandname. Erzählt uns und euren Fans, was sich seitdem so getan hat.

Pascal: Erstmal danke für den sehr wohlwollenden Bericht über das Releasekonzert. Das war ein sehr schöner Bericht und hat mich sehr gefreut. Das hat auch gezeigt, dass sich die Arbeit, die wir da reingepumpt haben, echt gelohnt hat. Denn so ein Konzert zu veranstalten – ihr wisst es ja selber – ist halt kein Spaß. Also, das Ergebnis ist toll, aber bis dahin ist es immer ein harter Weg.

Und seitdem haben wir uns tatsächlich auf Labelsuche gemacht. Wir haben mit unserem Verleger den ein oder anderen Austausch gehabt, einfach damit er uns unterstützen kann. Wir schreiben auch wieder neue Songs, sind im Juni schon wieder im Studio und machen eine EP fertig. Den Titel verrate ich noch nicht, aber es wird eine Konzept-EP mit 3-4 Songs mit einer komplett zusammenhängenden Geschichte. Wir werden in letzter Zeit auch relativ häufig für Gigs gebucht. Das zeigt uns auch, dass sich das Album in der Szene gut durchgesetzt hat und die Leute es gut aufgenommen haben. Da sind wir ziemlich dankbar.

HSF (Dark Angel): Mir hat das Album auch gefallen. Keine Frage. Ich hatte das ja gleich mitgekauft und finde es super produziert. Deswegen möchte ich jetzt auch mal fragen, wer ist bei euch für das Songwriting zuständig, oder macht ihr das mehr oder weniger gemeinsam?

Pascal: Bei dem Album war das jetzt tatsächlich so, dass ein Großteil der Songs auf meinen Mist gewachsen sind. Ich habe relativ viel davon vorgeschrieben und zuhause in meinem Studio vorproduziert. Die zu 80 % fertigen Songs sind dann immer in die Runde gegangen. Dadurch, dass wir ein bisschen auseinander wohnen, kommen wir nicht so häufig zusammen, wie wir das gerne würden. Außerdem haben sowohl Fabs wie auch ich Kinder. Da ist es fast effizienter, wenn jeder im Homestudio ein bisschen was macht.

Tristan war bei dem Album auch stärker involviert, „Forevermore“, „Gaslights“ und „Cipher“ sind von Tristan, und die restlichen Songs sind dann hauptsächlich von mir erdacht worden. Jonas hat dann on the fly im Studio noch Ideen reingebracht. Wir nehmen die Songs zu 70-80 % fertig mit ins Studio und machen dann vor Ort noch einiges mit unserem Produzenten und sehr guten Freund, Timo Bonner. Er ist der 110% Schliff an allen Chiffre-Nummern. Das ist mir mega wichtig, dass die Leute das auch wissen. Timo Bonner ist übrigens der Sänger von Our Mirage und Alleviate.

Als wir damals nach einem Studio gesucht haben, wollten wir eigentlich Christoph Wieczorek von Annisokay, aber das war dann schlussendlich logistisch ungünstig. Dann hat unser Drummer Björn das Studio von Timo Bonner in den Raum geworfen und dadurch sind wir damals mit unserer ersten Single „Midnight“ dort gelandet. Das war dann für uns Liebe auf den ersten Blick. Seitdem sind wir gute Freunde geworden. Außerdem ist Timo ein wahnsinnig guter Sänger. Für mich ist er in Deutschland in dieser Szene einer der besten und markantesten Sänger, die es so gibt. Wenn er Melodien schreibt und sagt: „Hey Pascal, da geh‘ mal hoch und da phrasier‘ mal anders oder da ist das Wort noch nicht geil…“, dann weiß ich einfach, dass die Idee dahinter gut ist und ich ihm vertrauen kann. Und dann kommen dabei solche Sachen, wie unser Album heraus.

Jonas: Bei ihm passt das Wort Produzent auch einfach perfekt. Er hat immer noch mal Ideen und macht Vorschläge für Songs. Ein Song, der ein gutes Konstrukt hat, wird mit ihm auf ein ganz anderes Level gehoben. Das ist super cool und die Zeit mit ihm ist super produktiv, kreativ und vor allem auch freundschaftlich.

HSF Inquisitor: Der Bandname Chiffre passt ganz gut zu den Songs. Das Wort dechiffriert fällt mir da ein. Es ist nicht ganz klar, was für Musik ihr eigentlich macht. Da ist soviel drin. „Forevermore“ fängt poppig an und bei „Cipher“ ist ein Rap-Part enthalten, der mich sehr an Mike Shinoda von Linkin Park erinnert. Und dann sind da noch die Keyboards, die was von Synth Wave haben.

Pascal: Ja, das ist auch so gewollt. Wir alle sind große Fans von FM-84, Gunship, The Midnight, die richtige Synth-Wave-Tracks machen, das 80er Cineastische. Deswegen sind wir auch so, wie wir sind. Wir legen uns auch nicht so genau fest. Bei den neuen Songs, die ich jetzt gerade vorbereite, ist ein super harter dabei und ein sehr elektronischer. Für uns ist wichtig, dass wir dieses leichte 80’s Feeling mit reinbringen. Auf dem Album hört man das ja auch. In der letzten Nummer „Neon“ haben wir ja auch deswegen ein Saxophon-Solo mit drin.

HSF Dark Angel: Ja, super. Dieses Saxophon ist echt cool, finde ich. Das gefällt mir total gut.

Pascal: Das war eigentlich eine Schnapsidee, aber was schreit mehr 80er Pop als Saxophon? Der Vater unseres Produzenten, Didi Bonner, hat uns einen extrem guten Jazz-Saxophonisten aus Münster empfohlen – den Gregor Stennecken. Der hat das dann genau so umsetzen können, wie es in unseren Köpfen klang. Es wäre btw. auch zu einfach, sich nur auf einen Musikstil zu konzentrieren. Das macht gar keinen Spaß.

HSF Inquisitor: „Astatos“ fängt mit diesem sehr dunklen Thema an, was mich selber sehr berührt hat, weil ich auch selber eine betroffene Person bin. Mich würde interessieren, von wem die Erfahrung ist in diesem Song.

Pascal: Das ist tatsächlich von mir. Ich bin seit vielen Jahren selber von Depressionen betroffen, was sich bei mir aber eher nicht in Phasen äußert, sondern in körperlichen Symptomen wie Panikattacken, Unruhe etc.. Ich hatte Phasen in denen ich wochenlang nicht vernünftig schlafen konnte und habe dann den Schritt in die Therapie gemacht. Die hat mir gut geholfen, aber es ist einfach ein Thema, dass dich dein Leben lang begleitet.

So ist „Astatos“ aus der Motivation heraus entstanden, einen Song zu machen, mit dem sich Menschen, die genauso betroffen sind, identifizieren können und der ihnen das Gefühl gibt, nicht alleine damit dazustehen. Ich dachte, mit mir stimmt irgendetwas nicht, weil ich Herzrhythmusstörungen hatte, mir schwindlig geworden ist und mir ernsthaft schlecht war. Ich hatte Schweißausbrüche, habe gezittert und kam nicht zur Ruhe. Und das von heute auf morgen. Ich war ein paar Mal zum Check im Krankenhaus. Die haben gesagt, es ist alles in Ordnung. Es war richtig, den Song zu machen. Jonas war übrigens der Hauptdarsteller in dem Video, bevor er zur Band gekommen ist.

Jonas: In der Szene ist die Mental Health Awareness schon ziemlich groß im Gegensatz zur “Normalbevölkerung”. Ich finde es einfach gut, wenn man darüber vielleicht ein Medium hat, damit umzugehen und mit Leuten darüber zu sprechen. Nicht jedem scheint immer die Sonne aus dem Hintern. Es gibt viele Leute, die nicht darüber reden können, und vielleicht hilft es ihnen sich zu öffnen und Hilfe zu suchen und auch anzunehmen. Wenn man nicht alleine damit ist, wird es einfacher.

Pascal: Die Lieder auf dem Album sind in irgendeiner Weise alle sehr persönliche Erfahrungen von mir. Zum Beispiel „Forevermore“ ist für meinen 2022 geborenen Sohn, meine Frau und meine Bonus-Tochter. Der Song steht für die Aussage: Egal, was passiert, du kannst dich immer auf mich verlassen. Ich würde mich bis zur Selbstaufgabe für dich opfern, damit es dir gut geht. „Epilogue“ ist persönlich für mich der schwierigste Song, weil unser erstes Kind vor der Geburt gestorben ist. Das musste ich kanalisieren, so wurde „Epilogue“ mein persönlicher Abschied. Der Song beschreibt ein leeres Buch, das niemals beschrieben werden konnte mit den Erlebnissen und Abenteuern, die das Leben eigentlich bringen soll.

HSF Inquisitor: Das sieht man dann im Video, wo du das leere Buch ausgräbst.

Pascal: Das war auch die Idee von der Agentur Tenplusone, mit der wir bisher alle Videos gemacht haben, weil die einfach super sind. Die meinten, das ist ein so trauriges Thema. Lass uns das abstrakt verpacken, so ein Weltraum-Ding. Es beschreibt eine Suche, eine Reise und am Ende findet der Astronaut dieses Buch, wo diese Seite reingehört, die er da hat. Im Hintergrund sieht man, wie eine Sternschnuppe vorbeifliegt, als Symbol für den Abschied.

So ist das Album tatsächlich eine persönliche Erfahrung. Aber wenn man soviel Persönliches verarbeitet während der Schaffensphase, auch in den drei Wochen im Studio, ist das nicht einfach. Das hat mich auch runtergezogen. Deswegen wird die nächste Platte eher eine Geschichte, basierend auf einem Traum, den ich vor ein paar Jahren hatte. Es wird auch ziemlich düster, aber nicht so persönlich wie „Wastelands“.

HSF Dark Angel: Was würdet ihr euch wünschen um Musik im allgemeinen oder lokale Bands im Großraum Osnabrück zu unterstützen?

Pascal: Da gibt es so viele Sachen, wie z.B. die Hürden für Konzerte niedriger legen oder dass Konzerte veranstaltet werden, bei denen man auch als unbekannte Band auftreten darf. Und natürlich die Proberaumsituation. Man muss ja den Bands Möglichkeiten geben zu proben. Die Proberäume im Lauten Speicher oder auch hier sind nahezu unerschwinglich für junge Bands oder Schüler mit 200-300 Euro im Monat.

HSF Inquisitor: Und das noch ohne Heizung!

Pascal: Genau und das sind aufs Jahr hochgerechnet 2500 €. Das ist viel Geld. Da fände ich auch super, Bands zu fördern, Kreativität Raum zu geben, der nicht wirtschaftlich geprägt ist. Jugendzentren gibt es, aber die sind voll. Es gibt so viele Nachwuchsmusiker, die gerne was machen wollen, aber die können halt nicht, weil der kostenlose Raum belegt ist. Und bei den lokalen Festivals, die rein prinzipiell den Nachwuchs gut fördern könnten, und das ist gar nicht anklagend gemeint, werden häufig auch nur Bands von Freunden gebucht, weil man sich untereinander kennt. Und so kommt es dann auch leider häufig vor, dass jedes Jahr dieselben Bands zu sehen sind.

HSF Dark Angel: Habt ihr noch weitere Konzerte in diesem Jahr geplant?

Jonas: Zunächst bereiten wir uns auf die Heavy Stage Night vor. Was noch kommt, ist das High Flame Festival in Maasen. Dann noch Shows in Bremen und in Gladbeck. Bei einer Show in Köln stehen wir noch in Verhandlungen.

HSF Dark Angel: Wollt ihr noch in Bezug auf die Heavy Stage Night etwas loswerden?

Jonas: Leute, kauft Tickets und kommt vorbei. Wir haben Bock!

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