Culthe Fest 2024 30.03. + 31.03.2024 Sputnikhalle, Cafe und Triptychon, Münster

Es ist eine liebgewonnene Ostertradition. Am Karsamstag und Ostersonntag öffnet das Culthe Fest seit jeher seine Pforten für die Anhänger von Black- und Doom Metal, aber auch für die, die auf experimentelle Musik oder schlicht und ergreifend skurrile, rituelle Kunst stehen. Öffnet euren Geist und ergebt euch der Dunkelheit. Das Culthe Fest 2024 ist hier.

Konzertflyer Culthe Fest 2024

Samstag, 30.03.24

Während ich vom Parkplatz Richtung Festivalgelände gehe, werde ich prompt auf Englisch angequatscht. Die estnische Drückerkolonne Illumenium/California Condor versucht wieder, ahnungslosen und/oder betrunkenen Besuchern des Festivals ihre Musik der Kategorie Arschbombe des Monats aufs Auge zu drücken. Dieses Mal unter neuem Namen Damrage. Nachdem ich es geschafft habe, den Remo Clan des schlechten Geschmacks doch relativ schnell und respektvoll abzuwimmeln und ich das Triptychon, den Club für die etwas skurrileren und experimentierfreudigeren Acts des Festivals, erreiche. Es fällt mir auf, dass es dieses Jahr die obligatorische Lovecraft-Lesung gar nicht gibt. Stattdessen eröffnen Corecrass, ein Duo aus Hamburg, das Festival. Eine Dame mit Harfe, Laptop und Keyboard sowie ein Herr mit abwechselnd einem Bass oder einer Gitarre. Die beide produzieren in den meisten Fällen eher meditativ wirkende Klangcollagen, doch gelegentlich schälen sich auch nachvollziehbare Melodien heraus und werden zu richtigen Songs. Auffallend ist auch, dass sich das Triptychon dieses Jahr scheinbar meine Kritik vom letzten Mal zu Herzen genommen hat und die Bühne aufgeräumt hat. So stehen weder Cases noch Mobiliar im Hintergrund, sondern eine Leinwand nimmt die Rückseite der Bühne ein, auf die verschiedene Landschaftsmotive oder Filmszenen in schwarz-weiß projiziert werden. Das untermalt die Musik der Hamburger sehr passend.

Loth spielen im Sputnikcafe und kommen aus Frankreich. Für letzteres entschuldigt sich ihr Frontmann sogar. Optisch sehen die fünf Jungs aus wie eine Garagenrockband der 90er. Besonders, nachdem ihr Schlagzeuger sich seiner Oberbekleidung entledigt hat. Musikalisch bekommen wir, wie sollte es beim Culthe Fest auch anders sein, Black Metal um die Ohren geballert. Mal stumpfer und mal mit Melodiebögen versehen, aber immer nachvollziehbar.

In der großen Sputnikhalle eröffnen heute Rana die Bühne. Zwei große Tiertotems neben dem Drumriser lassen das Setting schamanisch wirken. Ihr Black Metal klingt um einiges wuchtiger, da der Bass sehr pressend ist und den Sound kräftig unterfüttert. Ob es an der Tatsache liegt, dass ihre Bassistin einen Fünfsaiter spielt oder der Mix einfach nur sehr auf ihr Instrument ausgerichtet ist, kann ich nicht sagen. Es macht das Gesamtpaket aber um einiges besser.

Suir sind für eine Band, die im Triptychon spielt, fast schon zu normal. Aber eben nur fast. Ihre Musik ist definitiv kein Black Metal, hat aber seine Extreme. Ihr Schlagzeuger ist eigentlich keiner, sondern eher ein Perkussionist. Sein Instrument spielt er im Stehen und es besitzt keine klassische Bassdrum. Die tiefen bassigen Schläge produziert er mit einer Steh-Tom. Dazu keift sein Gitarrist und Sänger ins Mikro und sieht dabei eine wenig zu sehr nach Indie Rock aus, während auf der Leinwand schwarz-weiße Landschaftsaufnahmen flimmern.

Die aus der Band Omega Massiv hervorgegangenen Phantom Winter spielen im Cafe eine interessante Interpretation des Schwarzmetalls. Während ihr Frontmann dem Publikum abgewandt zur, von mir aus, rechten Seite der Bühne ins Mikro keift, tut es ihm sein Gitarrist gleich, wenngleich er dabei ins Publikum blickt. Dieser nutzt indes aber auch klaren Gesang, der ihn in jenen Passagen wie Billy Talents Benjamin Kowalewicz klingen lässt. Ihre Musik schlicht als Black Metal zu betiteln wäre falsch, da sie äußerst melodisch vorgehen und die Gitarren einen starken walzenden Groove aufweisen.

Die aus Mitgliedern aus Belgien, Deutschland, Norwegen und Frankreich bestehende Band Sylvaine ist in der Sputnikhalle die erste Band des Tages, die volle 60 Min. Spielzeit bekommt. Der Anblick ihrer blonden zierlichen Gitarristin/Sängerin lässt erahnen, dass es sich hier um eine Gothic-Band handelt. Und das ist grundsätzlich auch nicht falsch. Doch neben klarem, zerbrechlichem Frauengesang liefert die Norwegerin eine exzentrisch entrückte Keiforgie ab, die ich selbst im Black Metal noch nicht vernommen habe. Wirkt sie bei ihren Ansagen fast schon schüchtern und scheu, ist sie gerade in diesen extremen Moment mehr als nur einschüchternd, um dann wieder in typischen Gothic-Klargesang zurück zu verfallen. Beeindruckend.

Das Death/Doom-Kommando Ophis aus Hamburg übernimmt den Headliner Slot im Sputnikcafe. Ob es sich hierbei um eine Doom-Metal-Band mit Death-Anleihen oder umgekehrt handelt, ist schwer auszumachen. Ihre Themen sind vielfältig. Mal geht es darum, dass Zeit nicht alle Wunden heilt, mal darum, dass Kultur mittlerweile verramscht wird und der Metal, der als opportunistisch geprägt war, nun als Mainstream-Konstrukt mit Kreuzfahrten verscheuert wird. Die schweren Gitarrensalven gepaart mit den exzessiven Death-Metal-Grunts bilden ein brutal groovendes Bollwerk.

Gaia ist bei den Native Americans der Name des Naturgeistes, der für die Erde steht. Somit bezieht sich der Name des Headliner in der Halle, Downfall Of Gaia, auf die aktuelle Weltgeschichte schon fast zu gut. Das Post Black Metal/Sludge/Crustcore-Quartett aus Berlin, Hamburg und New York legt definitiv mehr Wert darauf, die Musik für sich sprechen zu lassen. Denn mit starkem Gegenlicht und übertrieben viel Nebel bekommt man gerade mal die Silhouetten der Musiker zu sehen. Eine Mischung aus Depression, Melodie und schlichter Wall Of Sound erfüllt den Saal. Ein guter Abschluss für den ersten Abend.

Sonntag, 31.03.24

Es ist Ostern und ich bin wieder auf den Weg nach Münster, um der unheiligen Versammlung am Tag von Jesus Auferstehung beizuwohnen. Heute bin ich aber nicht alleine, denn Radiokollege Wulle von What’s Metal (Jeden zweiten Donnerstag von 20:00 bis 22:00 Uhr auf OS Radio 104,08) ist dabei, um den heutigen Headliner zu interviewen. Dieser kommt aus Belgien und heißt Wiegedood.

Zunächst gehts aber, wie gewohnt, im Triptychon los. Beim Betreten der Location schlägt mir schon der Geruch von Kräutern und Rauch entgegen. Auf der Bühne steht ein Altar, auf dem zahlreiche Räucherwaren verbrannt werden. Das französische Duo Judasz & Nahimana vollziehen hier zu Beginn ihrer Show tatsächlich ein Ritual und weihen den Altar. Anschließende begibt sie sich hinter ein Pult, das wohl als Kanzel dienen soll, und trägt von dort ihren Gesang vor. Er hingegen setzt sich an einen Tisch, auf dem ein selbstgebautes Instrument steht, welches er mir im Anschluss an die Show erklärt (Er spricht auch ein gutes Deutsch). Es handelt sich dabei um eine Autofeder mit mehreren Tonabnehmern, die er “Spirale des Todes” nennt. Sie ist ein Schlaginstrument mit dessen Hilfe er den Beat für die rituelle Musik erstellt, indem er seine Schläge auf die Tonabnehmer mit blanker Faust und die auf die Feder mit einem Drumstick vollzieht, looped und in Endlosschleife abspielt. Zwischenzeitlich reißt er auch mal die Gitarre kurz an. Auf der Leinwand werden, wie schon am Vortag, verschiedene Landschaftsbilder und Aufnahmen von Friedhöfen projiziert. Der Beginn jedes neuen Stückes wird mit Versen auf der Leinwand visuell angekündigt. Die Immersion wird nur dadurch geschmälert, dass an den Seiten des Altars, die nicht mehr vom Tuch bedeckt sind, Aufkleber zu erkennen sind mit der Aufschrift `Send Noodis`. Hierfür hat man nämlich lediglich eine Case genommen. Trotzdem ist dies ein guter Auftakt für den skurrilen Tag des Festivals.

Und skurril meine ich auch so. Denn was uns jetzt im Sputnikcafe erwartet, ist Skurrilität dem sein Vadder. Über das Schweizer Trio Vigljos schrieb Sebastian Schilling in seiner Krachkolumne im Rock Hard einst, dass nun der Peak Lächerlichkeit an kostümierten Bands erreicht sein. Ich würde es eher mit unbehaglich beschreiben. Denn die drei tragen Imkerkleidung aus dem Spätmittelalter. Im Prinzip sind das weiße Mönchskutten mit einem kreisrunden Korbboden vor dem Gesicht. Wer (oder was) sich hinter den Masken verbirgt, kann nicht erkannt werden. Wer The Witcher 3 gespielt hat, wird sich unmittelbar an die Muhmen und im Speziellen die Brauerin erinnern. Alle drei spielen barfuß und gerade ihr Frontmann wirkt durch das orange Licht, das ihn von vor der Bühne anstrahlt, und die Tatsache, dass er sich das Mikrofon meist an die Stelle hält, wo man seine Stirn vermuten würde, besonders unheimlich. Entweder steckt unter der Maske wirklich kein Mensch oder Tom Tuckers Sohn hat eine Black-Metal-Band gegründet (Family Guy Fans wissen, was ich meine). Zwischendurch werden auch mit einer Räucherkonstruktion, die wie ein bienenförmiger Morgenstern wirkt, nach Kräuter duftende Rauchschwaden im Raum verteilt. Die Klamotten kann ich morgen wohl nicht mehr tragen. Worum es in den Texten Vigljos geht und welchen Zusammenhang ihre Bühnenoutfits damit haben, ist mir übrigens gänzlich unbekannt. Denn zu diesem Zeitpunkt ist weder ihr Album veröffentlich noch der Youtube-Kanal mit mehr als nur einem Promovideo bespielt. Vielleicht ist das auch der Grund, dass sie ihre Spielzeit von 45 Min. nicht voll ausnutzen und nach einer halben Stunde bereits durch sind.

Wesenwille nutzen ihre Dreiviertelstunde in der Halle allerdings voll aus. Bei einer durchschnittlichen Songlänge von 8 Minuten könnten man schon fast sagen, dass dies zu wenig Zeit wäre. Ihr atmosphärischer Post Black Metal passt gut in die frühabendliche Stimmung. Ihr Gitarrist mit Vokuhila und 80er Drahtbrille optisch eher nicht so. Ist aber auch egal, da die Bühne eh wieder komplett zugenebelt wird.

Im Tryptichon werden wieder leisere Töne angeschlagen. Grift ist wohl in der Sparte Singer/Songwriter zu verordnen. Der Schwede tritt nur mit einer Akustikgitarre und ein paar Glöckchen, die er am Kopf seiner Klampfe montiert hat, auf. Die Leinwand wird wieder genutzt, um die Musik optisch mit stimmungsvollen Bildern zu untermalen. Sein Mikroständer ist mit einer (künstlichen) Rosenranke verziert. Mehr brauchst nicht. Seine angenehme Stimme und die elektronisch und mit Effekten verstärkte Akustikgitarre tun ihr übriges. Dazu muss ich hier mal als heterosexueller Mann neidlos anerkennen, dass er mit seiner schlanken und großen Statur und den langen blonden Haaren auf jeden Fall der attraktivste Musiker des Wochenendes ist – zumindest von denen, die man sehen kann.

Die nach dem berühmten Monsterdarsteller Boris Karloff (Bekannt für seine Rolle als Frankensteins Monster) benannte Band ist sicherlich die normalste für die Verhältnisse dieses Festivals. Keine Nebelmaschine, keine Masken, einfach nur drei Dudes, die eine Mischung aus Motörhead und Hellhammer ins Sputnikcafe hämmern. Dazu dienen drei alte Glühbirnen auf Standfassungen als Bühnendeko. Das neben mir Mo von Eremit einen Moshpit startet, ist vielleicht keine so geile Idee. Das Cafe ist dafür deutlich zu klein und mein Knie leider genau auf Höhe der Bühnenkante. Aua!!! Ihre vollen 45 Min. nutzen sie allerdings auch nicht.

Solbrud spielen die volle Stunde in der Halle komplett durch. Und Überraschung, man kann die Band sogar sehen, da die Nebelmaschine kurz vorm Feierabend steht. Dafür gibt’s ein Stroboskop, welches unter dem Drumriser das Schlagzeug mit Blitzlicht beballert. Ansonsten liefert die Band eine gute Stunde lang guten Black Metal.

Predatory Void sind die Headliner im Cafe und scheinen sehr gefragt zu sein. Die Bude ist knackevoll, so dass ich nur noch einen Platz neben der Bühne bekomme und das Konzert vom Katzentisch aus verfolgen muss. Die Dame am Mikro hat durchaus Kraft in der Lunge und klingt, im Gegensatz zu einigen ihrer Kolleginnen, in ihren Growls sehr maskulin.

Um Wiegedood zu verstehen musst du Wiegedood sein. Ihre schräge Mischung aus Black- und Tech Death Metal und progressiven Versatzstücken ist unglaublich schwere Kost. Funfact: Die Belgier hatten zuvor ein Interview mit Kollege Wulle für seine Radio Show What’s Metal. Da sie sich dafür hinter die Halle begeben mussten, um den Lärm der Konzerte auf ein Minimum zu reduzieren, wurden sie versehentlich im Hof eingeschlossen (Weswegen Wulle sogar versuchte mich anzurufen). Die Show ist recht nüchtern und unspektakulär. Man konzentriert sich auf die Musik, bei der ich an einigen Stellen sogar meine, Jazz-Parts rauszuhören. Und weil das alles noch nicht genug ist, ballert der DJ als Outro nach der Show noch 5 Min. Techno in die Menge. Der wohl seltsamste Abschluss des Culthe Fest seit der Erfindung des Necronomicons.

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