Rock Hard Festival 2022 03.06. - 05.06.2022, Amphitheater Nordsternpark, Gelsenkirchen

Zwei Jahre lang war Pfingsten nur ein weiteres christliches Fest im Kalender. 2022 darf endlich wieder das Rock Hard Festival veranstaltet werden. Und die Massen strömen zur wohl beliebtesten Pfingstmesse Deutschlands. Auch oder gerade weil parallel die beiden Pop Festivals Rock Am Ring und Rock Im Park stattfinden.

Festivalflyer Rock Hard Festival 2022

Zunächst einmal vorneweg. Die am meisten gestellte Frage auf Facebook in der Rock-Hard-Gruppe war die nach den Bierpreisen. Die Panik darum, dass ein Bier jetzt 7€ kosten soll, war unbegründet. Weiterhin kostet das Veltins 5€ mit Pfand. Doch Corona hat seine Spuren hinterlassen. Viele ehemalige Partner des Festivals haben in den Sack gehauen und sich in krisensichere Berufszweige begeben. Das gilt für einige der Merchstände, aber auch für die gewohnten Imbissbuden (R.I.P. Falafelstand). Auch der Ukraine-Krieg sorgt für Veränderungen. So gibt es dieses Jahr kein Partyzelt, da sämtliche Großraumzelte an den Flüchtlingsstationen gebraucht werden. Deswegen finden die Aftershowpartys dieses Jahr Open Air statt. Aber so unsicher diese Zeiten auch sind, gibt es dennoch eine gewohnte Konstante, die uns erhalten bleibt. Die Bühnenansagen der einzelnen Rock-Hard-Redakteure bleiben unnötig und peinlich. Hach, ein Hauch Normalität.

Freitag, 03.06.22

Die Sleazer Neck Cemetary aus dem Ruhrpott und Großraum Köln um die fleischgewordene Sleazewurst Jens Peters, seines Zeichens selber Redakteur fürs Rock-Hard-Magazin, eröffnen um 15:00 Uhr dann offiziell das Festival. 2020 von der Leserschaft des Magazins zum Newcomer des Jahres gewählt, ziehen die Jungs auch schon ordentlich Publikum. Ihre Musik bewegt sich zwischen traditionellem Heavy Metal und Sleaze Rock mit ein paar Horrorutensilien, die aber eher aus dem nächstgelegenen Spielwarenladen stammen könnten. Unterhaltsam sind die 40 Minuten allemal. Und Peters kann beweisen, dass er nicht nur ein Redakteur, sondern durchaus auch ein solider Sänger ist, auch wenn sich das Ganze hier ein wenig nach Vetternwirtschaft anfühlt (Zwinkersmiley).

Sorcerer standen bereits 2016 auf der Bühne des Amphitheaters, und auch heute ist der Gig der Schweden für mich der eigentliche Headliner. Epic Doom ist die Champions League des Epic Metal. Und wenn das gesamte Amphitheater “The Lamenting Of The Innocent” singt, wird Epic körperlich spürbar. Dazu schwenkt Sänger Anders Engberg eine Sorcerer-Flagge. Mehr Effekte braucht es bei der Musik auch einfach nicht. Epochal!!!!

Die genaue Antithese zu Sorcerer sind Nifelheim. Weiter entfernt von Schöngeistigkeit, Anmut und Ästhetik kann eine Band nicht sein. Und das gilt nicht nur für die Musik. Zwar kommen die Jungs ebenfalls aus Schweden, ihre musikalischen Wurzeln scheinen aber eher bei den Nachbarn in Norwegen zu liegen, und meine Fresse, wie viele Nieten kann eine Band tragen? Stiefel, Unter- und Oberarmstulpen, Gürtel, Schultern und sogar ein Nieten-Suspensorium. Die Jungs haben mehr stacheln als der Blaue Panzer bei Mario Kart. Ihre Musik muss man ganz klar mögen: Rumpeliger Black Thrash mit ordentlich Gekeife. Nifelheim sind die AC/DC ihres Genres, denn auch sie verstehen es, aus einem einzigen Schlagzeugbeat 50 Songs rauszuholen. Muss man gesehen haben! Verpassen tut ihr eh nichts, denn wenn Nifelheim hier sind, könnt ihr euch sicher sein, dass Iron Maiden gerade nicht touren.

Heathen gehören für mich zusammen mit Death Angel zu den besten Vertretern des Melodic Thrash Metal. Doch Heathen sind dann doch einen Tacken melodischer und vor allem eher im Speed Metal einzuordnen als im klassischen Thrash. Das beweisen die Jungs um Frontglatze David White auch heute bestens. Für die mobilen Bierverkäufer ist es hier schon nahezu unmöglich durch die Menge zu kommen, was im Verlauf des Abends dann noch schlimmer wird.

Zum Beispiel bei Sacred Reich: Das Publikum ist hier verdichteter als ein norwegischer Kranplatz, was sowohl vom Platzangebot als auch vom Blutalkoholwert zu behaupten ist. Spätestens ab der dritten Nummer “The American Way” knallen hier alle Sicherungen durch. Wer sein Bier jetzt noch nicht getrunken hat wird bei “Independent” oder “Who’s To Blame” auch nicht mehr dazu kommen. Als ich im Anschluss an den Gig die Toiletten aufsuche, stelle ich fest, dass ich Blut im Gesicht habe. Scheint mein eigenes zu sein. Wann ich mir allerdings die Nase blutig gemosht habe, will mir einfach nicht einfallen. Wild!

Samstag, 04.06.22

Der Morgen beginnt erst einmal mit erneutem Nasenbluten unter der Dusche. Bevor die ersten Meldungen die Runde machen, dass Phil Campbell And The Bastard Sons (Plays Motörhead) krankheitsbedingt gar nicht erst anreisen konnten. Ob es sich dabei um die allseits bekannte Flughundseuche handelt, ist allerdings nicht klar. Als Ersatz springen die mit großer Wahrscheinlichkeit eh schon privat angereisten Asphyx ein.

Es eröffnen allerdings die in Berlin angesiedelten multinationalen Indian Nightmare. Diese haben wohl einen Besetzungswechsel am Gesang zu verbuchen. Es ist, laut Aussagen einiger, die sich besser mit dieser Band auskennen als ich es tue, nicht der bisherige Frontmann. Dennoch reißen die Jungs eine ordentliche Show ab. Apropos reißen. Dass dem Bassisten mitten im Set der Gurt seines Instrumentes reißt, führt zu der kuriosen Szenerie, dass er den kompletten Song über in Knien spielt und dabei dennoch eine gute Figur macht. Muss man können.

Villagers Of Ioannina City höre ich nur vom Campground aus, stelle aber fest, dass das gehörte gar nicht mal schlecht klingt, so dass diese Band mal einer näheren Begutachtung unterzogen werden wird.

Während ein Großteil meines Camps sich entscheidet nach Oberhausen zum Wrestling zu fahren, bleibe ich vor Ort und genieße Atlantean Kodex. Was diese Band da durch die Anlage jagt, ist an Epic kaum noch zu überbieten. Höchstens die am Vortag aufspielenden Sorcerer waren an diesem Wochenende auf Augenhöhe. Ich entscheide mich, einen Großteil des Sets mit geschlossen Augen zu verfolgen und mich von der Musik treiben zu lassen. Muss wohl ziemlich bescheuert für Außenstehende ausgesehen haben. Sänger Markus Becker hat die zwei Jahre Coronapause genutzt, um sich eine amtliche Matte wachsen zu lassen und sieht damit endlich auch so aus wie er klingt. Den Abschluss bildet der Klassiker “The Atlantean Kodex”.

Weniger episch aber dafür musikalisch am Puls der 80er sind The Night Flight Orchestra. Die Setlist überrascht dann aber doch ein wenig. Außer “Satellite” ist vom Album “Aeromantic” keine der Singles im Programm, dafür aber mit “White Jeans” der Überhit von “Aeromantic II”. Auch Standards wie “Lovers in The Rain”, “Trip To Miami” oder “Something Mysterious” fehlen heute. Zum Ende des Sets gibt es dann noch eine amtliche Congaline (Polonaise für die Rheinländer) als deren Anführer der Verfasser dieser Zeilen auserkoren wurde. Manche führen, manche folgen, dachten sich dann aber auch zwei weitere Personen, so dass sich zum Abschluss gleich drei Congalines durchs Amphitheater tanzen. Karneval in Gelsenkirchen.

Da ich schon seit Ewigkeiten Probleme mit dem Gesang von Chris Boltendahl habe, bin ich bei Grave Digger wieder im Camp und schraube ein wenig am Alkoholpegel. Was ich aus dem Amphitheater höre, klingt allerdings übertrieben schottisch. Gefühlt wird hier zwischen jedem Song mit Dudelsäcken gedudelt.

Dann also Asphyx. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Martin Van Drunen und auch Husky so oder so privat auf dem Rock Hard gewesen wären. Jetzt stehen sie auf der Bühne. Das Gute an einer Asphyx Show ist, dass man von vornherein weiß, was man bekommt und dass es gut wird. “Death Hammer” oder auch “Der Landser” sind eh immer im Set und werden mit neuen Stücken wie “Botox Implosion” ergänzt. Dass Martin während des Konzertes politische Aussagen gegen den Krieg in der Ukraine und Kriegstreiber Vladimir Putin trifft, scheint zumindest für das Übertragen des WDR ein Problem zu sein. Denn es gibt keinen Mitschnitt des Gigs im Rockpalast. Das ist allerdings nur eine Mutmaßung, die allerdings nicht wenige Fans im Kopf haben. (We Stand With Ukraine)

Ebenfalls eine sichere Bank sind Blind Guardian. Die Krefelder spielen heute ihr Album “Somewhere Far Beyond” am Stück.  Zwar nicht in chronologischer Reihenfolge, aber Stücke wie “Time What Is Time” oder der unverzichtbare “Bard`s Song” (Der allerdings nur einmal gespielt wird, obwohl er auf dem Album in zwei Versionen enthalten ist) werden mit Songs wie “Time Stands Still (At The Iron Hill) vermischt. Hansi Kürsch`s sympathische Ausstrahlung eines Märchenonkels wiegt einen nicht nur in vertraute Sicherheit nach zwei Jahren ohne Festival, sondern lässt einen tief in die Songs eintauchen. Perfekter Abschluss des zweiten Tages.

Sonntag, 05.06.22

-Es ist nicht tot, was ewig liegt, bis das die Zeit den Tod besiegt- das Wetter schlägt um und es beginnt zu nieseln. Genau die richtige Atmosphäre für die Lovecraft Worshipper von Sulphur Aeon. Da diese Band grundsätzlich nicht tourt und ebenfalls sehr wählerisch ist, was ihre Auftrittsorte angeht, sind Konzerte der Death Metaller per se schon ein Ereignis. Durch die düsterer Atmosphäre ihrer Songs und das dunkle Wetter ist das Ritual -Shadow Over Gelsenkirchen- mehr als geglückt und wird mit “Gateway To The Antisphere” perfekt abgeschlossen. Ph`nglui mglw`nafh Cthulhu R`lyeh wgah`nagl fhtagn…

Die dänischen Thrasher Artillery haben mit ihrem 2021er Album “X” den Tod ihres langjährigen Gründungsmitgliedes und Bassisten/Gitarristen Morten Stützer verarbeitet, der 2019 verstorben ist. Natürlich wird die ihm gewidmete Single “The Last Journey” ebenfalls im Set untergebracht, doch ab der Hälfte des Sets verliere ich ein wenig das Interesse an der Band, die zweifelsohne einen guten Auftritt hinlegt, aber offensichtlich nicht mich als Zielpublikum hat.

Midnight holen mich da schon eher ab. Ihre krude Mischung aus Black Metal Punk und einer Prise asi sein kommt vom ersten Moment an, als Jamie Walters und seine Sidekicks ihre Boxentürme erklimmen. Im Gegensatz zu ihrem letzten Gastspiel sind ihre Kapuzenmasken und die dicke Lederjacke angesichts des schlechter werdenden Wetters heute sogar eine angemessene Bekleidung. Warum es aber eine Person im Publikum tatsächlich für nötig hält, den Gitarristen der Band mit einer vollen Bierdose zu bewerfen, die aufplatzt, ihm in die Hand schneidet und die dieser dann, verständlicherweise, angepisst zurückschleudert während das Blut aus seinen Fingern suppt, ist mir schleierhaft. Genau so, wie die Tatsache, warum diese Person überhaupt eine Bierdose in die Venue schmuggeln konnte.

Es war der Programmpunkt, der das Internet zum Explodieren brachte. Vor allem viele der älteren Rock Hard Fans wähnten schon das Ende des Festivals gekommen, als sie auf der Running Order eine RHF-Promoteransprache lasen. Doch Überraschung, das Ganze war ein Troll. Hinter der ominösen Ansprache verbarg sich ein kurzer Überraschungsauftritt von Sodom in Dreierbesetzung mit Schlagzeuger Toni Merkel und Ex-Gitarrist Andi Brings von Double Crush Syndrome. Unter anderem wurde hier mit “Der Wachturm” eine Nummer gespielt, die man selten bei einer regulären Sodom Show zu hören bekommt.

Accept spielen nun also mit drei Gitarristen. Warum? Das wird wohl nur die Band selber wissen. Denn zumindest für mich ist kein nennenswerter Unterschied zu früher zu hören. Zudem agiert Philip Shouse recht unauffällig und steht mit Bassist Martin Motnik im Hintergrund der Bühne, während Hoffmann und Uwe Lulis als Rampensäue das komplette 1×1 des Posens runterreißen.

Gleich zu Beginn des Sets sorgt ausgerechnet das Publikum für den ironischten Moment des Festivals. Als man mit “Zombie Apocalypse”, einem Song über die übermäßige Nutzung von Smartphones, eröffnet; schießen selber aber mal sowas von in die Luft, um sofort Videos und Bilder für Social Media zu machen. Fair Enough zu erwähnen, dass auch der Schreiberling selber dazuzuzählen ist. Ansonsten setzt sich das Set aus den altbekannten Standards wie “Fast as A Shark”, “Metal Heart” oder “Balls To The Walls” zusammen. Nichts wirklich besonderes, aber eben die solide Hausmannskost, die man von Accept gewohnt ist, die nach zwei Jahren wieder im -Fatherland- angekommen sind, wie Frontmann Mark Turillo anmerkt.

Zum Schluss muss ich dann aber doch noch kritisierend werden. Denn obwohl wir, wie in den Jahren zuvor, die allseits bekannte und geschätzte Security von CCS vor Ort hatten, der Zwischenfall bei Midnight geht auf eure Kappe. Während der gesamten drei Tage gab es keine Körperkontrollen am Einlass zum Amphitheater. Lediglich ein Blick aufs Bändchen war die einzige Form von Sicherheitscheck. Wozu das geführt hat, haben wir dann gesehen.

Und auch die Veranstalter selber sollten in den nächsten Jahren überdenken, wen sie als Künstler einladen. Denn wie ich von nicht wenigen Personen vernommen habe, soll der Auftritt des Goreministers, Frontmann der Grind Band Kadaverficker, auf der zweiten Bühne mehr als schwierig gewesen sein. Es ist nicht wenigen bekannt, dass der Mann ein sehr rückständiges Bild von Frauen haben soll, was wohl bei einer Podiumsdiskussion mit Krachmucker-TV Ernie sehr zum Vorschein gekommen sein muss. Ich selber habe diesen Programmpunkt zwar nicht selber verfolgt, berufe mich hier aber auf Aussagen von Personen, die dies taten. Auch hier sollte es Nachbesserung geben. Ansonsten verabschiede ich mich bis zum nächsten Jahr – so long.

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