Kanadischer Death Metal ist jetzt nicht zwingend der weltweit bekannteste. Dass Kanadier aber auch durchaus in der Lage sind kraftvollen, düsteren Death Metal zu zimmern hat bereits das Debütalbum von Tomb Mold bewiesen. Anfang Juni erschien nun die neue Scheibe, und so viel sei gesagt: Auch dieses Mal nehmen die Kanadier keine Gefangenen.
Die bislang bekanntesten Sounds aus der Death Metal Szene Torontos mögen in den 80ern von den inzwischen legendären Slaughter and Sacrifice veröffentlicht worden sein, jedoch kam danach nicht viel Düsteres aus den kanadischen Katakomben. Es herrschte bis in die 2000er Jahre sogar erheblich Flaute. Mit Aufkommen eines neuen Booms der härteren Gangart traten auch Tomb Mold auf den Plan. Ursprünglich als Duo von Derrick Vella (Gitarre, Bass) und Max Klebanoff (Gesang, Schlagzeug) gegründet, besteht die Combo inzwischen live tauglich aus 4 Typen, die ihr Handwerk fiese Kompositionen zu erschaffen, sehr gut verstehen.
Ihr Sound als Duo im Jahr 2016 entwickelte sich aus einer Mischung aus Purenceance und Demo-Ära Dismember auf „The Bottomless Perdition“ zu einem nuancierten Witch Vomit-ähnlichem Sound auf „The Moulting“. Die finnischen Death Metal Einflüsse wurden noch deutlicher auf ihrem Debütalbum „Primordial Malignity“, das eine schmutzige, aber dennoch ordentliche Produktion aufwies und sich von dem höhlenartigen Horror ihrer Demos entfernte. Fans von mächtigem aber rumpelndem Death Metal der Marke Funebrarum kamen voll auf ihre Kosten.
Nach Veröffentlichung des Debüts verschwendeten Tomb Mold keine Zeit und vergrößerten sich zu einem Vierergespann und holzten in der neuen Besetzung mit ihrer ‚Cryptic Transmissions‘ Demo nur sechs Monate später ein mächtiges neues Lebenszeichen raus. Die bassigen Sounds dieser Demo hatten einen erheblichen „Severed Survival“ Schlag, aber vor allem dies brachte dem finnisch inspirierten Grundgerüst eine erhabenere, technische Form. Somit war klar, dass mit Großem für die neue Langrille zu rechnen war. Die beiden neuen im Boot (Steve Musgrave am Bass und Payson Power an der Gitarre) brachten einen massiven Schub an Songwriting Potenzial und so entstanden zwei neue Songs, die bereits die halbe Länge von „Primordial Malignity“ aufwiesen. Und der Nachfolger sollte nicht lange auf sich warten lassen. Nur 6 Monate nach der Demo in neuer Besetzung wurde Album Nummer Zwei angekündigt.
Solch ein Momentum kann eine gefährliche Sache in der Welt des Death Metals sein, besonders wenn wir uns die Geschichte vielversprechender, überhypter Death Metal-Bands in den frühen 90ern oder auch heutzutage ansehen. Aus meiner Sicht führt hohe potentielle Energie oft zu einem hellen Brennen und einem anschließend schnellen Verblassen. Sowas bringt zwar einige der größten Juwelen der Genre-Musik hervor, so zum Beispiel Gorement oder Morbus Chron, aber eine lebendige Szene und ihre Fans bestehen auch aus Tourneen und sich stetig verbessernden Alben. Man hofft, dass die Band zur einer bestimmten Größe aufsteigt und diesen Status über längere Zeit halten kann. Ich sehe die Entwicklung von Tomb Molds Sound als ein großartiges Beispiel dafür, wie Trend-immun ein Projekt sein kann. Hier ist eine Entwicklung erkennbar, die die rauen Anfänge durch zunehmende Zusammenarbeit in der Band hervorragend weiterentwickelt und verfeinert.
Nach einigen Durchläufen ist das zweite Tomb Mold Album äußerst abwechslungsreich und dynamisch, verglichen mit der manischen Aggression ihrer früheren Veröffentlichungen. Die längeren, unberechenbaren Kompositionen und die Vielzahl von Riffwechseln gehen über die Grenzen des teuflischen Death Metals der alten Schule hinaus, ohne jemals in Chaos, unvorsichtige Dissonanz oder gar ins Experimentelle zu verfallen. Bei „Manor of Infinite Forms“ handelt es sich nicht um große Innovation oder Extravaganz, aber die Gitarrenarbeit erfordert durchaus Aufmerksamkeit, und ich verlor bei bestimmten Songs im ersten Durchlauf das eine oder andere Mal den Faden.
Stilistisch vermischt „Manor of Infinite Forms“ den brachialen Knüppel des Debüts mit der technischen Präzision von Demigod und erinnert schwer an „World Without God“ von Convulse. Die unerbittlichen Riffs wirken so, als ob sie direkt aus dem Jahre 1992 irgendwo zwischen Helsinki und New York geschmiedet wurden. Klebanoffs Vocals sind düster und kraftvoll und erinnern stellenweise an das morbide Gemurmel von Funebrarum. Dies ist allerdings bei weitem nicht so monoton, sondern fügt sich makellos in den Gesamtklang des Albums dank dem hervorragenden Mastering von Arthur Rizk.
Die Besonderheit der Scheibe wird für mich dadurch erreicht, dass die Jungs es schaffen den eigenen, künstlerisch ambitionierten Anspruch auszubauen, ohne dabei die ursprüngliche Brutalität der Demos und des Debüts zu verlieren. Was zunächst wie ein wildes Gemisch an Einflüssen erscheint, das zu einem „Sound“ kollidiert, erweist sich 2018 als ziemlich originelles Konzept für Old School inspirierten Death Metal. Die klanglichen Referenzen, die Stimmung und das Gesamtpaket an sich sind zwar altlastig inspiriert, aber nicht stumpf abgekupfert, sodass man „Manor of Infinite Forms“ als einfache Huldigung oder gar Götzendienst beschreiben könnte. Es ist ein wenig herausfordernd die Tiefe der Platte zu erkennen, aber niemals so aberwitzig, dass es an Old School Gefühl mangeln würde. Haben wir hiermit einen neuen Klassiker des Genres? Das hängt wahrscheinlich davon ab, wo man den Fokus beim Genuss einer Death Metal Platte ansetzt: Old School Feeling oder eher ein intensives Spektakel mit aufwendigen, labyrinthartigen Kompositionen. Der Mittelweg bei Tomb Mold ist für mich auf jeden Fall bestens gewählt.
Wenn man sich ein Album so intensiv angehört hat, wird es für mich stellenweise etwas schwer zu sagen, was die einzelnen Highlights der Platte sind. Allerdings ein nicht zu unterschätzender Punkt bei einem Review. An dieser Stelle sei zum einen der Titelsong genannt. Dieser ist herausragend und kann auf jeden Fall stellvertretend für die gesamte Platte stehen, jedoch die weiter verfeinerte Version von „Blood Mirror“, dem Opener „Cryptic Transmissions“ -Demo, ist das ultimative „spricht für sich“-Stück. Erst die Platte in sich selbst und vor allem im Zusammenspiel mit dem bisherigen Backkatalog der Kanadier lässt das volle Potential des Albums zur Geltung kommen. Mehrfaches Hören ist an dieser Stelle dringend angeraten und sobald man Zugang zum Schaffen der Kanadier gefunden hat erweist sich „ Manor Infinite Forms“ als einer der Death Metal Geheimtipps des Jahres.
Tracklist:
- Manor of Infinite Forms
- Blood Mirror
- Abysswalker
- Final Struggle of Selves
- Gored Embrace (Confronting Biodegradation)
- Chamber of Sacred Ootheca
- Two Worlds Become One
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