Blues Pills – Holy Moly! VÖ: 21.08.2020, Nuclear Blast Records, Rock

CD Cover - Bues Pills - Holy Moly!

Vier Jahre ist es her, dass das zweites Album von Blues Pills an den Erfolg des hochgelobten Erstlings anknüpfen konnte. Im August letzten Jahres ist nun ihr drittes Album “Holy Moly!erschienen.

Die nach eigenen Aussagen schwere Zeit, durch die Blues Pills in den letzten Jahren gegangen sind, wirkte sich unter anderem auf den Wechsel von Bassist Zack Anderson zur Gitarre und dem Neuzugang Kristoffer Schander am Bass aus. Stilistisch ist man mit der neuen Scheibe breiter aufgestellt und wagt manches Experiment. Im Allgemeinen rückt Elin Larssons Gesang mehr in den Vordergrund. Bei ihrer Stimme ist das eine nachvollziehbare Entscheidung.

Dass “Proud Woman” ein Hammer Song ist, lässt sich schwer bestreiten, dazu später mehr. Im albumübergreifenden Vergleich fallen aber die qualitativen und vor allem stilistischen Schwankungen der anderen Titel auf: Konnte man die Vorgänger noch treffend mit “Jeder Song ein Hit; jeder Song typisch Blues Pills” beschreiben, trifft das auf “Holy Moly!” nicht zu. Wer aber offen für eine Erweiterung des musikalischen Spektrums der Band ist, kann das ein oder andere unerwartete Schmankerl finden. Einzig “Kiss My Past Goodbye” konnte ich auch nach wiederholtem Hören nicht viel abgewinnen. Es klingt eine Spur zu routiniert, ohne eigene Akzente zu setzen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Blues Pills das Retro-Feeling, was seit einigen Jahren transmedial en vogue ist, in einigen Stücken mit Gewalt auf die Scheibe pressen. Die Übersteuerung des Gesangs funktioniert bei “Dust” noch ganz gut, um die lauten und kraftvollen Passagen zu intensivieren – nötig hat Larssons Stimme solche Spielereien im Übrigen nicht. Bei “Rhythm In The Blood” ist die dauerhafte Verzerrung aber so anstrengend, dass sie den Spaß am sonst guten Stück schmälert. Die selbstreflexive Dimension des Effekts wird zudem durch das Intro übermarkiert, wenn die analoge Radiosendersuche simuliert wird. Konzeptuell cool; ab dem zweiten Durchlauf nervig.

Leider komme ich nicht umhin, noch ein paar Worte zur Rezeption des ersten Titels zu verlieren. “Proud Woman” beginnt mit dem kurzen Ausschnitt einer Dokumentation, in dem die Ziele des Feminismus umrissen werden. Es folgt die Geschichte des lyrischen Ichs, das nicht nur sexueller Diskriminierung ausgesetzt ist, sondern sich selbst als Teil des misogynen Diskurses erlebt hat. Erlösung wird in dem Ausruf “I’m a proud woman! gefunden, mit dem die Praxis einhergeht, sich selbst unabhängig vom anderen Geschlecht zu definieren.

Ein starker Text, der einen komplexen Sachverhalt in nur zwei Strophen anschaulich macht und hervorragend durch den prägnanten Gesang zur Geltung gebracht wird. Als Shitstorm verursachend revolutionär oder kontrovers empfinde ich ihn allerdings nicht. Dennoch sahen sich Blues Pills auf Grund massiver Anfeindungen gezwungen, die Kommentarfunktion unter dem offiziellen YouTube-Video zu deaktivieren.

Der einzige positive Aspekt dieser natürlichen Veranlagung zu Shitstorm und Hatespeech im Internet ist der damit verbundene unverklärte Blick auf die breite Masse. Und der zeigt uns in diesem Fall, dass es noch ein sehr weiter Weg ist, bis sich überhaupt die Einsicht der Notwendigkeit feministischer Bestrebungen in der gesamten Gesellschaft gesetzt hat. Und dass Songs wie “Proud Woman” enorm wichtig sind, obwohl sie inhaltlich kein Novum darstellen, wird gerade durch die kollektive Entgleisung im Kommentarbereich bestätigt. Dreht also “Proud Woman” laut auf! Schließlich hat Larsson etliche Dekaden zu übertönen, die eine “Man’s Man’s Man’s World” besingen.

“Holy Moly!” ist ein starkes Album mit kleineren Schwächen, das sich durch seine Diversität von den Vorgängern abhebt, anstatt stumpf am Erfolgsrezept festzuhalten. Das wird vielleicht nicht jedem Fan schmecken, aber die Band hat damit einen vielversprechenden Weg in die Zukunft eingeschlagen.

Tracklist:

    1. Proud Woman
    2. Low Road
    3. Dreaming My Life Away
    4. California
    5. Rhythm In The Blood
    6. Dust
    7. Kiss My Past Goodbye
    8. Wish I’d Known
    9. Bye Bye Birdie
    10. Song From A Mourning Dove
    11. Longest Lasting Friend

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