Festivalbericht Party.San Open Air 2022 11.08.-13.08.2022 Flugplatz Obermehler, Schlotheim

“Back To The Battlefield” war der Slogan eines großen deutschen Internetversandes mit Sitz in Lingen, als klar wurde, dass es dieses Jahr wieder eine Festivalsaison geben wird. Zu keinem anderen Festival passt der Begriff Battlefield so gut wie zu einem der wohl wichtigsten europäischen Extreme-Metal-Festivals, dem Party.San Metal Open Air.

Party.San 2022

Dieses Festival hat sich über die Jahre immer am besten an die gegebenen Situationen angepasst. Sei es zum einen der Wechsel von Bad Berka nach Schlotheim auf einen asphaltierten Flughafen, um die Schlammschlachten der Vergangenheit zu vermeiden. Weshalb nicht nur ich, sondern auch einige andere Besucher auf die geniale Idee gekommen sind, mit Cityscootern die doch teils langen Wege zu den Duschen und Toiletten zu fahren.

Oder zum anderen auch durch das Aufstocken der Spültoiletten. Tatsächlich gibt es auf dem gesamten Infield gar keine und auf dem Flugfeld nur noch sehr wenige Dixi-Klos. Hygienisch ist man also einen Schritt weiter gegangen. Klingt für einige vielleicht banal, ist aber tatsächlich ein wichtiger Entwicklungsschritt. Des weiteren fällt auf, dass die Artilleriegeschütze nun doch abgefeuert werden. Eigentlich wollte man dies nicht tun, da sich in der Nähe des Geländes ein Auffanglager für geflüchtete Ukrainer befindet und man diese vom Krieg traumatisierten Menschen nicht weiter verstören wollte. Scheinbar haben die Verantwortlichen des Lagers aber doch grünes Licht gegeben.

Doch kommen wir mal zur Musik.

Donnerstag, 11.08.2022

Es ist 16:20 Uhr als auf der Tentstage die deutschen Nyktophobia uns ihren Melodic Death Metal um die Ohren knallen. Also genau der perfekte Auftakt für mich. Ich habe die Band noch nicht so stark verfolgt, als dass mir die Songs bekannt wären. Aber ihr Stil, der stark an die frühen In Flames oder Bands wie Destinity erinnert, sollte eigentlich jedem Fan von klassischem Melodic Death das Höschen feucht werden lassen.

Direkt danach gehts rüber zur Mainstage. Leider gab es eine Überschneidung von 5 Minuten, so dass ich den Opener nicht sehen konnte. Aber ich bin mir ziemlich sicher, der Set wurde wie immer mit den Worten “My name is Chris eröffnet. These are my friends and we are High Spirits” eröffnet. Diese Band ist ein Phänomen. Ihr gut gelaunter Heavy Metal passt eigentlich gar nicht zur Atmosphäre des Party.San. Dennoch waren die Jungs aus Chicago seit langem sowohl ein inniger Wunsch der Fans wie auch der Veranstalter. Egal ob “Another Night In The City” oder die bandeigene Hymne “High Spirits”, das Publikum geht voll mit, egal ob misanthropischer Black Metaller oder Bermudashorts tragender Slam Death Grinder. Dazu trägt die Band auch noch hauptsächlich weiß, was wie eine Antithese zum ansonsten eher schwarzen Dresscode der Bands wirkt.

Es ist alles gesagt was gesagt werden muss. Frontmann SG sieht keinen weiteren Sinn mehr in der Existenz seiner Band Secrets Of The Moon. Es ist die letzte Show der Osnabrücker, deren Musik immer schwer einzuordnen war. Mit “Miasma” wird ein Set eröffnet, der emotionaler nicht sein kann, und nach den fröhlichen Chicagoern einen dermaßen harten Bruch in Stil und Atmosphäre verursacht. Weiter geht es mit “Earth Hour” und es wird nicht besser. Wem das hier kalt lässt, hat es nie geliebt und spätestens ab “Man Behind The Sun” ist auch der Mann, der hier gerade für euch schreibt, mit den Nerven am Ende. “Queen Among Rats” ist das letzte Stück, das wir jemals von dieser Band live hören werden. Nach diesem Gig kann man gestandene Männer weinen sehen und auch meine Wenigkeit braucht jetzt dringend eine Pause und ein paar liebe Worte seiner Freunde.

Leider hat mir nicht nur das, sondern auch die hohen Temperaturen sowie die Tatsache, dass ich schlicht und ergreifend zu wenig gegessen und zuviel getrunken habe, wirklich den Rest gegeben. Der Kreislauf will nicht mehr, so dass ich Bands wie Der Weg Einer FreiheitAlcestMayham und Cannibal Corpse heute leider nicht mehr sehen werde.

Freitag, 12.08.2022

Es ist Freitag und mir gehts wieder ganz gut, danke der Nachfrage. Mit dem Roller zum Duschcamp und dann ein paar Runden als Frühsport über die Rollbahn gedreht.

Lik (schwedisch für Grab) aus Schweden sind heute meine erste Band. Ein wenig Death Metal zum Wachwerden um 12:45 Uhr. So kann der Tag doch beginnen. Und mit Brechern wie “The Weird” oder der “Funreal Anthem” kann man nun wirklich nicht von Standgas sprechen.

Der Auftritt der Ukrainer 1914 stand lange auf der Kippe. Nach Beginn des Krieges brauchte das Land jeden wehrfähigen Mann, und so durfte die Band lange Zeit die Ukraine nicht verlassen. Für sie sollten dann eigentlich die Thrasher von Purgatory einspringen. Doch plötzlich bekam die Band eine Sonderausreisegenehmigung. Und da eine andere Band fürs Party.San ausfiel, konnten die Ukrainer doch noch ihren Slot ausfüllen. Ihr Death Metal behandelt thematisch den 1. Weltkrieg (sie gründeten sich 2014  – hundert Jahre nach Ausbruch des 1. Weltkrieges) und ihre Bühnenoutfits sind an die Uniformen der verschiedenen Kriegsparteien angelehnt. So toll ihr Auftritt aber auch ist, muss ich an dieser Stelle auch etwas kritisch werden. Zunächst einmal gegenüber einigen Besuchern.

Es ist vollkommen legitim ukrainische Flaggen zu tragen, um seine Solidarität auszudrücken. Doch sollte vorher geprüft werden, ob die Symbolik der Flagge auch richtig verstanden wurde. Eine Flagge mit dem Wappen des umstrittenen Regiment Asow zu tragen ist schwierig. Zwar gehört dieses Regiment zur Ukrainischen Nationalgarde und kämpft seit 2014 gegen prorussische Separatisten in der Ostukraine, aber werden diesem Regiment auch Menschenrechtsverletzungen und eine faschistische Nähe sowie Verwendung von nationalsozialistischen Symboliken vorgeworfen. Der Status dieser Gruppierung ist also mehr als kritisch und besonders in einer Zeit, wo jeder mit seinem Handy Videos machen kann, sollte man möglichen prorussisch gesinnten Menschen kein Futter für ihre kruden Weltansichten liefern. Damit ist niemandem geholfen.

Aber auch die Band muss hier einmal kritisiert werden. Ich weiß natürlich, dass ich in meiner behüteten Situation in einem Land, das EU- und Natomitglied ist und erst einmal nichts von seinen Nachbarn zu befürchten hat, einfach leicht reden habe. Ich verstehe den Frust, die Angst und die Wut der Ukrainer vollkommen. Doch Aussagen wie “Wir werden jeden russischen Invasor töten” gehen gar nicht, denn hier sind wir in einer Situation, in der wir von der Legitimierung von Kriegsverbrechen reden müssen (denn diese Aussage schließt Kriegsgefangene mit ein, die aber nach den Berichten der DW und des Focus nach geltenden Rechten behandelt werden.)

Auch die Aufforderung an das deutsche Publikum “seiner derzeitigen Regierung zu misstrauen” halte ich für nicht angebracht. Klar, die Waffenlieferung Deutschlands hätten mehr und früher kommen müssen. Dennoch ist Deutschland eines der Länder, das die meisten Kriegsflüchtlinge aufnimmt. Kritik ist immer angebracht und auch wichtig, sie sollte nur rational geäußert werden. Trotz aller Kritik gilt auch für uns bei Heavy Stage Force Хай живе Україна (es lebe die Ukraine).

Kommen wir zurück zur Musik: Mit Heidevolk aus den Niederlanden wird es paganistisch auf der Mainstage. Zwar mag ich diese Band, aber bereits Arkona 2019 haben bei mir nicht so recht gezündet. Es könnte daran liegen, dass die Atmosphäre der Bands nicht so recht mit der des Festivals und seinem doch sehr militärischen Gimmick zusammenpasst. Dazu kommt, dass wegen des Windes auch die Backdrops nicht hochgezogen werden können und man so auf die nackte Rückwand der Bühne blickt. Dennoch liefern die Holländer einen guten Gig ab. Und auch wenn wir in Thüringen sind, kann man ruhig mal “Saskenland” spielen.

Uada kommen und das heißt, der Beleuchter hat Pause. Zwar sind alle Bühnenlampen angeschaltet, doch geben sie nur ein kaltes weißes Licht ab und stehen beharrlich auf ihren Positionen. Kein Flackern, kein Schwenken. Dies ist Teil der Kunst der Amerikaner, die nur ihre Musik für sich sprechen lassen wollen. Dazu gehört ebenfalls die Verschleierung ihrer Gesichter mit großen sackartigen Kapuzen. Uada sind der Gegenentwurf zu allem, was wir von einer Rockshow gewohnt sind. Ähnlich wie Secrets Of The Moon, die am Tag zuvor lediglich vier überlange Songs gespielt haben, beschränken sich die Amis auf nur drei Songs mit monolithischen Ausmaßen. “Natus Elcilpism”, “Djinn” und “Devoid Of Light”. Damit kann man bei Uada eine Dreiviertelstunde schon füllen.

Asphyx sind heute die zweiten Niederländer in Line-Up. Und dass sie heute hier spielen, hat auch seinen Grund, denn bereits 20 Jahre zuvor inspirierte das Party.San Frontmann Martin Van Drunen zum Song “Death The Brutal Way” dessen erste Zeile lautet -Krushing at The Party.San/Here the hordes rejoice-. Klar, dass dieses Stück neben “Deathhammer”, “Knights Templar Stands” oder “Forerunners Of The Apocalypse” auf der Setlist steht. Zwei kleine Shoots gegen Amon Amarth: “Wir hatten diesen Sound schon zehn Jahre vor Amon Amarth” und Sabaton “Wer schreibt denn bitte einen Song über die Bismarck” müssen wohl auch noch sein. Und bevor ich es vergesse, Pyros gibts auch wieder.

Wer Albumtitel wie “Kings Of The Deadend” oder “Viva La Emptiness” veröffentlicht, kann nur aus Skandinavien sein. Es ist Zeit, um mit Katatonia eine Stunde lang zu melancholieren. Und das meine ich so, wie ich es schreibe. Denn obwohl wir uns hier auf einem Extreme Metal Festival befinden, spielen die Schweden nichts von ihren doch eher harten Frühwerken. Ist das schlimm? Nein! Auch wenn sich Sänger Jonas Renkse ein wenig oft in seinen Ansagen wiederholt, und das auch selber merkt, gibt es hier keinen Grund wirklich Kritik am Auftritt zu äußern. Denn besonders die Schluss-Trefekta aus “My Twin”, “July” und “Lethean” treibt einem die Tränen in die Augen. Doch diesmal bin ich vorbereitet und habe Taschentücher dabei. Auch wenn im Anschluss noch Carcass spielen, Katatonia waren der perfekte Abschluss und somit gehe ich verheult zurück zum Zelt. Gott sei Dank spielen morgen echt nur noch die harten Bands, sonst dehydriere ich hier noch.

Samstag, 13.08.2022 – Der letzte Tag auf dem Party.San 2022

Der Tag beginnt mit Nasenbluten unter der Dusche. “Blood For The Bloodgod” quasi. Das Opfer wurde vollbracht.

Mit den Kanadiern von Panzerfaust steige ich heute ein. Diese sind doch etwas skurriler als ich es erwartet habe. Nicht nur, dass ihr Frontmann komplett vermummt mit einer zweigesichtigen Maske auftritt, er steht noch nicht mal vorne am Bühnenrand, sondern bezieht Position an einem Pult, das hinter dem Schlagzeug thront. Dazu habe ich das Gefühl, dass der Gitarrist bei Songs wie “The Day After `Trinity´”, “Stalingrad, Massengrab” oder “Tabula Rasa” mehr Gesang beisteuert als der eigentliche Sänger selbst. Dennoch haut ihr Black Metal gut rein und die Band ist mehr als unterhaltsam.

Auch Lunar Shadow spielen ihren Schwanengesang auf der Tentstage. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich Bands das Party.San für ihre letzte Show auswählen. Doch wenn es sich dabei um eine traditionelle Heavy Metal Band mit besonders melodischer Ausrichtung handelt, ist das doch schon etwas Besonderes. Und tatsächlich beweist auch das Publikum, wie offen es ist, denn das Zelt ist zwar nicht rappelvoll, aber mehr als gut gefüllt. Somit ein würdiger Abschied einer Band deren Leadgitarrist auch in jeder Punkband optisch gut reinpassen würde.

Faszination Weltraum, so könnte man Blood Incantation wohl am besten beschreiben. Wenn man Gitarrist und Sänger Paul Riedl so sieht, mit seinem schütteren langen Haar, das sich langsam weiter nach hinten zurückzieht, der dicken Brille und der hageren Gestalt, würde man ihn eher für den klassischen Nerd halten als für den Frontmann einer Death Metal Band. Doch so weit entfernt ist dass ja auch nicht. Der technisch anspruchsvolle Death Metal der Amis ist von Sci-fy und astrophysischen Themen nur so durchsetzt. Ihr neues Album “Time Wave Zero” geht sogar soweit, dass es sich hierbei um ein reines Ambient Album handelt, welches keinerlei Metal-Anteile beinhaltete. Leider spielt die Band daraus nichts, was ich persönlich geil gefunden hätte und anstelle einiger Heavy Metal Bands, zum Auflockern des Line-Ups mal einen richtigen Kontrastpunkt gesetzt hätte.

Eïs kommen aus dem Niemandsland, das sich jenseits des Landkreises Osnabrück bis rüber nach Paderborn erstreckt und im Volksmund auch als Bielefeld bekannt ist. Perfekte Bedingungen also für eine Black Metal Band. Die Jungs freuen sich darüber, so früh in ihrer Karriere auf dem Party.San auftreten zu dürfen. Wobei, früh ist relativ, wenn man bedenkt, dass ihr Album “Wetterspitze”, aus dem sie “Mann Aus Stein” spielen, auch schon zwölf Jahre alt ist.

Von feinfühligem lyrischen Black Metal geht es in die Kategorie “muss man mögen”. Die Finnen von Impaled Nazarene sind eher im grobschlächtigen Black Metal beheimatet. Egal ob Songs wie “Motörpenis” oder “Lost Art Of Goat Sacificing” (Ein Song über Recep Tayyip Erdogan?????), hier wird mit Presslufthammer gebolzt.

Das Black Metal Tripple machen Dark Funeral voll. Im Grunde unterscheidet sich der Set nicht wirklich von dem des Rockharz, außer dass die Schweden heute nach Einbruch der Dunkelheit spielen und Feuersäulen in den Himmel schießen. Mit “Unchain My Soul”, “My Funeral” und “Nail Them To The Cross” sind natürlich die größten Songs der Band in der Setlist, werden aber auch durch Songs wie “Open The Gates” und “When I´m Gone” flankiert.

Genug vom Black und rüber zu Death Metal. Die Engländer Benediction eröffnen zunächst einmal mit technischen Problemen, bevor ihr episches Intro läuft. Ganz gefixt werden können die Probleme nicht so ganz, aber der Gig kann trotzdem normal gespielt werden. Stimmlich braucht Frontmann Dave Ingrim sich kaum verstellen. Ähnlich wie sein Ami-Kollege Georg Fisher von Cannibal Corpse ist seine normale Stimmfarbe schon so dermaßen tief, dass eh nicht mehr viel Luft nach unten ist.

Achtung Flachwitz: September, Oktober, November, Dismember. Der letzte Slot des Festivals gehört den Kult-Schweden. Dies eröffnen mit “Override Of The Overture”, “Reborn In Blasphemy” und “Bleed For Me”. Flirttips von Dave gibt es auch, denn eines sollte man nicht tun, wenn man nach einem Date ein Mädchen mit nach Hause nimmt “Skin Her Alive”. Mit “Dreaming In Red” endet dann der offizielle Teil des Party.San 2022. Doch wer Bock hat noch ein paar Cuba Libre auf die Freiheit Kubas zu trinken und zu zusehen wie gestandene Black und Death Metaller zu Abba abgehen, der geht jetzt noch ins Partyzelt. Denn “You Are The Dancing Queen”.

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