Harpyie – Aurora VÖ: 28.06.19; Metalville; Folk Metal

Aurora

An Bands merkt man immer wieder, wie schnell doch die Zeit vergeht. Mir kommt es noch gar nicht solange vor, als ich das erste Mal in der Oeynhausener Druckerei gewesen bin. Geladen hatte damals eine Band namens Harpyie, die seiner Zeit ihr erstes Album „Blindflug“ herausgebracht hat. Zu diesem Zeitpunkt kannte ich die Formation noch nicht. Doch als die Musiker ihren ersten Song anspielten, wurde so mancher von ihrer Wucht weggeblasen. Nach diesem Auftritt war es wenig verwunderlich, dass sich die Band immer mehr zu einem Geheimtipp der Szene klamüserte und heute fest verankert ist. Dieses Jahr feiern sie schon das Release ihres fünften Studioalbums „Aurora“. Und so viel darf man schon mal verraten: Die Oeynhausener sind ihrer Linie treu geblieben.

Dieses Mal ohne Intro, aber doch gewohnt melodisch eröffnet „Morgenstern“ das Album mit einem Feuerwerk. Melodischer Metal trifft hier auf mystisch, melancholischen Gesang. Mit einer Hook, die sich wie der besungene Morgenstern, einem Ohrwurm gleich, ins Gedächtnis einbrennt, erinnert der Refrain mit den dunklen Chören leicht an Subway To Sally. Damit beweisen die Ostwestfalen wieder einmal, wie eigenständig sie ihre Arrangements planen.

Das kann man auch bei „Sternenfeuer“ merken. Musikalisch klingt der Titel majestätisch, trägt aber auch diesen Funken Fernweh in sich, den man in warmen Sommernächten verspürt, wann man sich gelassen das Firmament anschaut. Eine Melodie, die große Worte tragen muss. Hut ab für das Dichtwerk, denn es verleiht dem Titel die nötige Tiefe. Mit dem dritten Titel auf “Aurora” haben wir einen Song, der vorab schon als Singleauskopplung diente. „Nichts Mehr“ klingt wieder sehr melancholisch und sehr traurig. Ist die musikalische Umsetzung teilweise zwar sehr hart, schlägt dieses Lied doch eher die sachten Töne an. Das Thema des Songs und die Musik, ganz besonders die Geigen, unterstreichen diesen Titel perfekt. Sie haben diese Schwere in sich, den Schwermut für die perfekt geschaffenen Emotionen.

Auch der vierte Song wurde bereits vorab veröffentlicht. Ein Titel über Fernweh und Liebe. Inhaltlich extrem tief. Ein Song, den man wohl kaum richtig beschreiben kann. Man sollte „Kompassrosen Welken Nicht“ einfach für sich selbst sprechen lassen, während man sich vielleicht die ein oder andere Träne verdrückt. Doch nach diesen zwei sehr emotionalen Songs, darf es wieder etwas härter zur Sache gehen. Mein persönlicher Favorit „Seemann Ahoi“ überzeugt nicht nur mit krachender Mischung aus Folk und Metal, sondern auch mit einem Gastspiel, des Sängers der Band Manntra. Das Duett der beiden Sänger passt perfekt zu diesem harten, ja leicht schroffem Titel. Inhaltlich wieder sehr tief hat man hier trotzdem einen Titel, der einfach mal zum Haedbangen animiert und mit griffigem Refrain zum Mitgrölen motiviert, ohne dabei kitschig zu wirken.

Leider schraubt man die Härte bei „Kaleidoskop“ wieder etwas zurück, dafür richtet man die Scheinwerfer in Richtung Experimentierfreude. Ein Song, den man sich live sehr gut vorstellen kann, auch wenn er leider nicht einer der Tracks ist, die unbedingt im Ohr bleiben. Aber wo wir schon bei guten Livesongs sind, sei auch noch das anschließende „Ikarus“ genannt. Was dem vorherigen Track als Ohrwurm fehlte, holt der siebte Titel des Albums im Hand umdrehen wieder heraus. Parts zum Mitsingen, Teile die zum Klatschen animieren und eine Melodie von Leichtigkeit, die zum Tanzen einlädt.

Von der Leichtigkeit driften wir wieder ab in die Melancholie, denn „Atlantis“ ist wieder deutlich sanfter, trauriger und gefühlvoller. Aber auch hier muss man wieder einmal sagen: Chapeau vor den geschriebenen Texten. Bessere Worte hätte man nicht über diese Melodie legen können. Beim ersten Hören klang „Inferno“ für mich sehr befremdlich, da es doch sehr nach dem Szenemainstream klingt. Doch nach mehrfachem Hören erwische ich mich immer wieder selber, dass ich den Refrain oder Teile der Musik summe. Vielleicht ist dieser Titel sogar der Song mit dem höchsten Ohrwurmpotenzial. Fesselnd ist er alle Male.

Sacht baut sich dann das Intro von “Vendetta” auf, bis es einen Faustschlag nach guter, alter Folk Metal-Manier mitten ins Gesicht gibt. Man geht ordentlich nach vorne und entlädt all die angestaute Energie mit einem Schlag. Mit einer Hook, die hart und gut grölbar ist, wird der Song sicherlich auf dem ein oder anderen Festival sehr guten Anklang finden.

Und wenn wir schon bei harten Klängen sind, dann sollte man den metallischen Höhepunkt des Albums gebührend feiern. „Blut Und Spiele“ klingt musikalisch nicht nur wieder sehr majestätisch, sondern auch sehr düster. Man hat sofort dieses Bild eines Kolosseums vor Augen, indem die Gladiatoren kämpfen. Ein geniale Umsetzung, die den Oeynhausenern hier gelungen ist.

Und bevor “Aurora” verstummt, werden ein letztes Mal die sachten Töne angeschlagen. Klingt die Umsetzung hier zwar deutlich härter, als bei den anderen, ruhigeren Liedern auf “Aurora”, macht „Winternachtstraum“ wohl das Rennen als melancholischster Titel des Albums. Wieder einer dieser Titel, der für sich selbst sprechen muss…

Wie schon gesagt, die Ostwestfalen sind ihrer Linie treu geblieben, denn auch „Aurora“ reiht sich in punkto Abwechslung und Einfallsreichtum hervorragend in die Bandgeschichte ein. Textlich hat man wieder einmal eine Schippe drauf gelegt. Nach jedem Album denkt man, sie könnten es nicht besser machen aber dennoch schaffen es Harpyie immer wieder ordentlich nachzulegen. Sie haben es geschafft nicht so zu klingen, wie irgendwer. Sie haben ihre eigene Sparte gefunden und in dieser Sparte schaffen sie sich ihren eigenen kleinen Stern.

 

Homepage: www.Harpyien.de

Tracklist:

01. Morgenstern
02. Sternenfeuer
03. Nichts Mehr
04. Kompassrosen Welken Nicht
05. Seemann Ahoi
06. Kaleidoskop
07. Ikarus
08. Atlantis
09. Inferno
10. Vendetta
11. Blut Und Spiele
12. Winternachtstraum

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