Bring Me The Horizon + A Day To Remember + Poorstacy + Static Dress
Post Human European Tour
25.02.2023, Barclays Arena, Hamburg

Hamburg, meine Perle. Die Hansestadt im Norden ist immer eine Reise wert. Besonders dann, wenn sich das Ganze mit einem Konzertbesuch verbinden lässt. Die Engländer von Bring Me The Horizon machen rein zufällig gerade in der Stadt Halt.

Konzertflyer Bring Me The Horizon

Nach meinen Erlebnissen beim letztjährigen Turock Open Air war ich doch etwas bedient von der Deutschen Bahn. Heute läuft aber alles glatt. Die Züge fahren pünktlich, sind nicht überfüllt und der einzige technische Fehler ist der, dass die Datumsanzeige mal eben 20 Jahre hinterherhängt (12.07.2003).

Und auch Hamburg selber kann Großevents. Am Bahnhof Stellingen angekommen wird nicht nur mit gut ausgeschilderten Wegen zu den Shuttlebussen geleitet, auch die Kioske und Imbissbuden leiten dich mit entsprechender Musik in die richtige Richtung. Selbst wenn man die Schilder ignoriert gilt, immer den Ohren nach. Die Eventhalle befindet sich genau gegenüber des Hamburger Volksparkstadions in dem der HSV seine Heimspiele abhält. Heute steht Barclays Arena an der Fassade. Den Älteren ist diese Halle noch als Color Line Arena bekannt.

Was sich im Inneren abspielt, hat schon Dimension des alten Roms erreicht. Neben den üblichen Bierständen und Merchmeilen gibt es noch mobile Bierverkäufer, Popcornstände, Schnapsbars und sogar einen Süßigkeitenbasar. Und das alles noch zusätzlich zu den ohnehin schon eingebauten Versorgungspunkten, die zur Grundausstattung gehören. Fehlen eigentlich nur noch Geldwechsler und Dirnen und wir wären in einer modernen Antike. Wobei, die Dirnen findet man in Hamburg nur ein paar Kilometer weiter, aber das ist eine andere Story.

Static Dress aus Nordengland eröffnen heute den Abend. Da wir Plätze seitlich auf den Rängen haben, kann ich zunächst aus der Distanz nicht ganz erkennen, ob es sich bei der Person am Mikro mit ihren langen Haaren und dem bauchfreien Crop-Top um eine Frau oder einen Mann handelt. Als der Gesang einsetzt, wird aber klar, die Person pinkelt im Stehen und auch der Mann an der Gitarre ist schwer zu identifizieren. Trägt er eine Maske und eine Schlachterschürze oder handelt es sich um ein Kreuzritter-Cosplay? Klären konnte ich diese Frage leider nicht.

Klassische Backdrops gibt es heute Abend nicht. Eine riesige LED-Wand projiziert den Bandnamen, immer mit einsetzen des ersten Songs. Was besonders auffällt, ist das sehr technische Spiel des Drummers. Ich würde sogar behaupten, dass nicht mal Prog-Schlagzeuger dermaßen verschnörkelte und aufwändige Figuren spielen. Die Musik bewegt sich in Bereichen des Metal- bis Deathcore, wobei ich gerade wegen der komplexen Arrangements des Schlagzeugs auch das Core-Pendant zum Prog Metal, Mathcore, als Einfluss nicht ausschließen würde. Doch dafür bewege ich mich zu wenig in dieser Szene, um das Ganze jetzt verlässlich zu beurteilen.

Die nun folgenden Poorstacy gehören auf jeden Fall zu den ersten Lieblingen der weiblichen Fans im Publikum. Und, meine Fresse sind das heute überdurchschnittlich viele. Das hört man vor allem daran, dass etliche `Yeeeaaaaaah` und `Heeeeeeeey`-Rufe heute mindestens zwei Oktaven höher sind oder gleich komplett durch Gekreische ersetzt werden.

Allerdings kann die Band nicht ganz das musikalische Niveau halten, das ihre Vorgänger von Static Dress gesetzt haben. Ihr Frontmann klingt in den Momenten, in denen er klar singt, teils wie eine Mischung aus Glenn Danzig und Michale Graves, was der Musik einen leichten Horror Punk Touch verleiht. Dem entgegen stehen aber die harten und – meiner Meinung nach – unpassenden Deathcore Parts und Breakdowns. Das Ganze wirkt dann doch etwas nach inkonsequentem Stil-Mischmasch. Aber um fair zu bleiben, vielleicht bin ich mit meinen Anfang 30 auch einfach nicht mehr das Zielpublikum, welches sich hauptsächlich aus Teens und Twens zusammensetzt. Dafür ist der Moment, in dem bei einer ihrer Balladen die Halle nur von Handytaschenlampen beleuchtet wird, schon fast wieder episch. Ich hätte selber nicht gedacht, wie hell die Dinger sind.

Trotz des niedrigen Altersdurchschnitts sieht man in den Pausen am Bierstand oder in den Toilettenschlangen doch die ein oder andere Oldschoolkutte an einem etwas betagteren Metaller mit grauer Mähne. So ganz alleine treibe ich den Altersschnitt also nicht in die Höhe (Sowieso nicht, da zu unserer Reisegruppe ja auch zwei Mütter gehören, eine davon meine eigene.^^).

Wo wir gerade bei dem, was zwischen den Bands passiert sind: der Change Over ist heute mal ganz wild. Schon vor der ersten Band sind es eher elektronische Klänge, die das Auditorium beschallen. Klar, auch die Headliner-Band nutzt in ihrer Musik elektronische Samples. Doch das, was der DJ hier gerade abfeuert, ist doch arg genrefremd. Dazu kommt, dass die große LED-Wand zwischen den Bands für Werbung genutzt wird. Es werden Videospiel- oder Filmtrailer, wie für den neuen Scream-Film, abgespielt. Grundsätzlich ja nichts Neues, doch meist kenne ich diese Praxis eher von großen Sommerfestivals. Als in der letzten Umbaupause dann System Of A Downs “Chop Suey” gespielt wird, singt nicht nur das gesamte Infield mit, am Ende  bekommt der DJ dafür sogar Applaus. Das ist auch mal ein Statement.

A Day To Remember steigen mit “The Downfall Of Us All” in ihren Set ein. Ihre Mischung aus Pop- und Hardcore Punk ist eingängig genug, um auch im Mainstream funktionieren zu können, aber immer noch hart genug um auf entsprechenden Festivals nicht fehl am Platze zu sein. Ihr Frontmann Jeremy McKinnon tigert 90% des Sets auf seinen Frontraisern herum. Da diese aber doch recht lang sind, hat der Mann genug Auslauf, um nicht statisch in der Gegend rumstehen zu müssen.

Musikalisch sind die Jungs zwar über jeden Zweifel erhaben und auch beim vorletzten Stück “If It Means A Lot To You”, einer auf Akustikgitarren gespielten Ballade wird obligatorisch das Licht runtergedreht und die Taschenlampen ausgepackt. Das wars aber auch schon an Effekten, wenn man die CO2-Säulen, die gelegentlich in die Menge schießen, außen vor lässt. Ansonsten lassen die Jungs aus Florida ihre Songs für sich sprechen.

Bring Me The Horizon sind da nicht so zurückhaltend. Wo andere Bands einfach ein klassisches Intro abspielen, liegt dem Ganzen hier ein wesentliches Konzept zugrunde. Jetzt wird auch klar, warum man eine Videowall braucht. Auf dieser erscheint eine weibliche Gestallt mit Hörnern, ähnlich einer Succubus. Sie ist die KI, die uns zu Beginn durch das Konzert führt. Selbstverständlich handelt es sich dabei um keine echte KI, sondern nur eine aufwendig gestaltete Videoshow.

Der erste “Scan” kann keinen Moshpit ausmachen, weshalb die “KI” dazu auffordert sofort einen selbigen zu starten. Da BMTH eine Null-Toleranz dafür haben, nicht zu zirkulieren. Und man muss sagen, das Konzept geht auf. Noch vor dem eröffnenden “Can You Feel My Heart” dreht sich der erste Kornkreis. Die gesamte Bühne besteht fast vollständig aus LED-Boards. Dazu wird eine Konfettikanone gezündet und Abfahrt. “Happy Song” und “Teardrops” vervollständigen die Eröffnungstrifekta.

Die Percussion bzw. das Keyboard ist komplett in weiß gehalten und erweckt ein wenig den Eindruck als hätte man es der Blue Man Group von der Bühne geklaut. Die grellbunten Videoeinspielungen wirken leicht reizüberflutend, passen aber perfekt zur Mischung aus Metal-, Deathcore und Elektro. Bei jeder anderen Band hätte das eventuell etwas merkwürdig gewirkt (Ich meine dich, Judas Priest).

Dass Frontmann Oli Sykes ein Frauenschwarm ist, merkt man deutlich. Die Geräuschkulisse hat schon etwas von Boyband. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass er mit seinem schwarzen Tanktop und der Lederhose aussieht, als ob er die alte Ring Gear vom Undertaker aufträgt. Bei “Drown” verlässt er dann die Bühne und geht durch den Fotograben an den ersten Reihen vorbei, nimmt sich dabei sogar Zeit, einige Fanschilder zu signieren oder Selfies mit den weiblichen Fans zu machen, und das alles, während er den Song singt.

Im Zugabenteil gibts mit “Obey”, “Sleepwalking” und “Throne” noch drei Klassiker der Band, bevor abermals eine mit Luftschlangen geladene Konfettikanone den Abend beendet. Man kann ja musikalisch von den Engländern halten, was man will. Die Show, die sie fahren, ist spektakulär, und wem hier langweilig wird, der ist echt selber schuld. So, die Nacht ist noch jung. Ab auf den Kiez. See Ya.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.