I´m Dreaming Of A Black Christmas. Die Wintermelodei 2019 sorgt, wie schon im Vorjahr, wieder für angenehmes Kontrastprogramm in der oftmals viel zu kitschigen Weihnachtszeit – auch wenn organisatorisch dieses Jahr nicht alles glatt lief.
Und das zeigt sich schon direkt beim Einlass in die Sputnikhalle. Dieser sollte nämlich bereits um 15:30 erfolgen, wird aber noch 10 Minuten nach hinten verlegt. Auch Äera fangen dann mit gut 10-minütiger Verspätung an. Ihr mit Melodiebögen aufgewerteter Black Metal läuft gut rein und ist perfekt zwischen Eingängigkeit und Brachialgewalt ausbalanciert. Das kann auch bei mir die Katerstimmung vom SchleFaz am Tag davor austreiben.
Leider hat man der Wintermelodei in diesem Jahr nicht die Möglichkeit gegeben, die zweite Bühne im Sputnikcafe zu nutzen. Stattdessen hat man jeder Band einen eigenen Merchstand in eben diesem Raum zugestanden. Das bewirkt, dass auch Beltez mit Zeitverzug beginnen, da nicht nur das Bühnenset umgebaut werden muss, sondern logischerweise auch ein Soundcheck erfolgt. Ihre Musik empfinde ich als ein wenig vertrackter. Dazu gibt es viel Nebel und Gegenlicht, sodass bis auf die Silhouetten nichts von den Musikern zu erkennen ist. Ganz so gut wie Äera kommen Beltez bei mir nicht an. Das ist aber ja auch wieder eine Frage des persönlichen Geschmacks. Dennoch empfehlenswert.
Aus der Kategorie kauzig bis skurril kommen die Portugiesen von Gaerea. Mit seltsamen Gesichtsschleiern und viel schwarzer Farbe verbergen sie ihre Identitäten. Ihr Frontmann gestikuliert und tänzelt fast schon besessen über die Bühne. Das Ganze ist mir dann aber doch eine Nummer zu kauzig, weshalb ich beschließe, erstmal was essen zu gehen.
Die Niederländer von Laster spielen da in einer ähnlichen Liga. Auch hier sind alle drei Musiker maskiert mit etwas, das als eine Art obere Schädelhälfte bezeichnet werden kann, allerdings nichts Menschliches hat. Ihr Gitarrist und Sänger keift sich die Seele aus dem Leib, was für mich ein wenig an den Schrei eines riesigen Raubvogels erinnert. Der Bass ist zumindest in den ersten Reihen sehr dominant und spielt jazzige Figuren, die der Musik etwas Progressives geben.
Horn schaffen es dann, den ohnehin schon total verschobenen Zeitplan noch weiter auszudehnen. Beim Soundcheck erweisen sie sich als äußerst penibel und fast schon kleinlich. Ihr Gig ist allerdings dafür auch premium. Guter Sound, auch wenn die Band das über weite Strecken nicht so empfindet und immer wieder nachjustieren lässt. Auch die deutschsprachigen Songs gehen gut rein. Doch leider entschließt sich die Band, die ohnehin schon über der Zeit ist, dann auch noch einen „kurzen“ Zugabensong zu spielen, der dann aber doch nicht so kurz ist.
Die Leidtragenden sind ausgerechnet die Kanadier Numenorean. Hatten bisher alle Bands 45min Spielzeit, wirkt es sehr stark danach, dass man ihre Spielzeit kürzen musste, damit die folgenden Winterfylleth als Headliner ihre volle Stunde überhaupt noch zocken können. Das ist auf zwei Arten sehr schade. Denn musikalisch sind die Kanadier heute mit die stärkste Band, die geschickt melodischen Black Metal mit einem stoisch gegen jede Melodie anspielenden Blastbeat-Schlagzeug kombinieren (Teilweise könnte man glauben, der Schlagzeuger gehöre gar nicht zu dieser Band). Des Weiteren sind sie auf ihrer ersten Europa-Tour und spielen heute ihre erste Show auf deutschem Boden. Dennoch haben sie ihre geringe Spielzeit gut ausgenutzt und einen guten Eindruck hinterlassen.
Wie bereits angekündigt, sind die Briten von Winterfylleth der heutige Headliner. Nun ist es nicht gerade England, welches man mit Pagan Black Metal verbindet. Das schreibt man eher den Skandinaviern zu. Aber die nach dem angelsächsischen Wort für das germanische Winternachtsfest benannte Band versteht ihr Handwerk. Trotz oder gerade wegen der Tatsache, dass sie ohne jegliches Bühnenoutfit, wie Kilt oder Rüstungsteile, einfach schlicht in Straßenklamotten spielen, macht das Ganze sehr sympathisch.
Leider oder zum Glück wird während ihres Gigs auch schon der Einlass für die darauf folgende Metal Party geregelt, so dass viele recht partylastig gekleidete Menschen verwundert an der Theke und neben der Bühne stehen und sich fragen, warum der typisch englisch aussehende Mann da mit drei Leuten auf der Bühne um die Wette randaliert. Für die Band natürlich gut, denn so können sie sich einem größeren Publikum präsentieren, das aber anscheinend mit den Briten nichts anfangen kann. Nach dem Gig wird dann auch schnell der Laden geräumt, um den Partykids die Halle zu überlassen, die jetzt aber mit erstaunlich viel Glasbruch zu kämpfen haben. Vielleicht gibt’s ja nächstes Jahr Bier im Becher.
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