Rockharz Open Air 2023 – Festivalbericht 04.07.-08.07.2023, Flugplatz Ballenstedt

Samstag, 08.07.2023

A Life Devided habe ich im Anreisestau durch Zufall entdeckt, weil unsere späteren Camp-Nachbarn den Song “Could You ” über ihre Bluetooth Box laufen ließen und mich der Refrain doch sehr an “Judas” von Fozzy, der Band des Wrestlers Chis Jericho, erinnerte. Natürlich spielt die Band, die überraschenderweise aus Deutschland kommt, dieses Stück heute nicht. Dennoch ist ihr Alternative Metal mit Songs wie “Last Man Standing”, “Best Time Of Your Life”, “Heart Of Fire” oder “Last Dance” sehr kurzweilig.

Die Band schmeißt auch mit eigens für sie bedruckten Bierdeckeln um sich. Sogar ein paar Mädels mit Bauchladen gehen durch die Reihen und verteilen diese zusammen mit einem Streichholzbrief. Zum Abschluss gibt es mit “Sand Me An Angel” von Real Life noch einen Gruß aus den späten Achtzigern. In der Kategorie `Geil aber dumm` nominiert ist der Pilot des Sportflugzeuges, der im Sturzflug auf das Infield zufliegt um dann kurz vorher wieder hochzuzieht. Sieht geil aus, hätte aber unter Umständen zu Toten führen können. (Inquisitor)

Einherjer bringen uns mit ihrem Viking Metal dann ein wenig nordische Mythologie näher. Schon das Backdrop mit einem nach Valhalla aufsteigenden Krieger verdeutlicht das. Mit „The Blood And The Iron“ starten die Norweger in ihr Set und sorgen damit sofort für nickende Köpfe und einige fliegende Matten im Publikum. Mit dem danach folgenden „Nord Og Ner“ wird einmal mehr an den verstorbenen Dirk Lehberger erinnert. So spielt sich die Band souverän durch ihr intensives Programm und kann sicherlich den ein oder anderen neuen Fan gewinnen. Beim letzten Song kommt dann wieder der Feuerwehrschlauch zum Einsatz, da Hitze und Staub langsam fast unerträglich werden. (Erle)

Wolfheart wissen heute tatsächlich, dass sie auf dem Rockharz sind (2019 verwechselte Tuomas Saukkonen bei einem Auftritt auf dem PartySan dieses mit dem Rock Harz). Die mutierten Hirschschädel an den Mikroständern passen perfekt zum Rockharz und beim Stück “The Hammer” beweist Tuomas, dass er in Physik aufgepasst hat, als er die Crowd dazu auffordert einen riesigen Circle Pit zu starten, um damit einen menschlichen Ventilator zu bilden. Was soll ich sagen? Es funktioniert. (Inquisitor)

Danach ist dann die Zeit für die Zwergenarmee von Wind Rose gekommen. Bereits vor dem Gig wird der Bereich vor der Bühne wieder ordentlich gewässert und es sind jede Menge Plastikhämmer sowie anderer Kitsch im Publikum zu sehen. Nach dem Opener „Army Of Stone“ macht Frontmann Francesco Cavalieri mit „Drunken Dwarfs“ klar, dass nur ein betrunkener Zwerg ein guter Zwerg ist. Das wird vor der Bühne natürlich lautstark bejubelt. Auch bei „Fellows Of The Hammer“, „Mine Mine Mine“ und „Together We Rise” geht das Publikum heftig mit. Der Höhepunkt kommt mir dem The Yogscast Cover „Diggy Diggy Hole“ aber wieder einmal ganz zum Schluss. Diese Jungs machen auch bei über dreißig Grad richtig Spaß. (Erle)

Legion Of The Damned sind bei der Anreise liegen geblieben und verspäten sich deshalb um etwa zwanzig Minuten, wofür sie sich brav entschuldigen. Doch danach ist quasi Schluss mit Reden. Die Band feuert Riffsalve um Riffsalve in die Menge, die sofort voll abgeht. Die Niederländer scheinen ihre Verspätung heute wiedergutmachen zu wollen uns präsentieren sich äußert spielfreudig und agil auf der Bühne. Musikalisch hat man den Fokus auf das im Juni erschienene neue Album „The Poison Chalice“ gelegt, dessen Titeltrack auch den Abschluss dieses kurzweiligen Gigs bildet. Das nächste Mal dann aber gerne wieder mit voller Spielzeit. (Erle)

Düsterer Gothic Metal bei strahlendem Sonnenschein und dreißig Grad. Kann das funktionieren? Im Falle von Moonspell auf jeden Fall. Die Portugiesen starten mit dem All-Time Fan Favourite „Opium“ und legen die Messlatte an die Setlist schon einmal enorm hoch. Doch es gibt keinen Grund zur Sorge, denn die Band spielt einen bunten Mix von „Wolfheart“ bis „Hermitage“, darunter Songs wie „Extinct“, „Mephisto“ und das abschließende „Alma Mater“. Bei letzterem ist zwar kurz der Sound weg, was von den Fans aber professionell ausgeglichen wird und die durchweg gute Performance der Band kaum trüben kann. (Erle)

Lacuna Coil betreten die Bühne vor einem minimalistischen schwarzen Backdrop mit weißen Ornamenten, das eine mystische Atmosphäre schafft. Die Band trägt ihr bekanntes Corpsepaint und die gewohnten Kostüme, die ihre charakteristische Ästhetik unterstreichen. Der kraftvolle Sound und das etwas maschinell ratternde Schlagzeug dominieren, was dazu führt, dass der Gesang von Christina Scabbia gelegentlich etwas in den Hintergrund tritt. Dennoch gelingt es ihr, die Sympathie der Menge zu gewinnen, indem sie immer wieder ein mit den Händen geformtes Herz in Richtung Publikum zeigt.

Beim vierten Song “Heaven’s A Lie” bindet die Band das Publikum beim Refrain mit ein, was eine euphorische Stimmung erzeugt. Auch die Gesangsduelle zwischen Christina Scabbia und Andrea Ferro sind eindrucksvoll und verleihen der Performance eine besondere Intensität. Die beiden Sänger harmonieren perfekt miteinander und sorgen für ein mitreißendes Klangerlebnis. Lacuna Coil liefern hier heute eine fesselnde Bühnenshow ab, die von ihrer charismatischen Frontfrau Christina Scabbia wieder einmal äußerst professionell und sympathisch angeführt wird. (Erle)

Als ich mich auf den Weg zu Amon Amarth mache stelle ich fest, dass die gerade spielenden Saltatio Mortis nun auch das The Elder Scrolls Theme in ihrer Musik verarbeiten “The Dragonborn Comes” heißt das Stück, welches sich auf den 5. Teil der Videospielreihe bezieht und in der Studioversion zusammen mit der Streamerin und Synchronsprecherin Lara Loft aufgenommen wurde. Als ich dann auf dem Gelände bin, spielen sie zusätzlich noch “Hypa Hypa” welches sie, wie viele andere Bands, zusammen mit Electric Callboy in einem Joint Venture eingespielt haben. Zusätzlich zur sowieso schon an der Bühne verbauten Pyrotechnik hat man sich noch zwei Liftarme mit verbauten Flammenwerfern neben die Stage gestellt. Vom Flammeninferno her könnten wir hier auch bei Rammstein sein. (Inquisitor)

Bevor es mit dem Headliner weitergeht, wird aber zunächst die obligatorische Präsentation des Rock Harz Teams und die Danksagungen der Veranstalter vorgenommen. Diese werden heute von einem faden Beigeschmack begleitet. Wir haben es oben schon einige Male angedeutet. Dirk Lehberger, der beim Rock Harz der Head Of Booking and Artist Production war, ist drei Wochen vor dem Festival urplötzlich verstorben. Viele der anwesenden Bands widmeten ihm Songs in ihrem Set. Und weil das natürlich nicht genug ist, denn das Schicksal ist ein mieser Verräter, starb die Chefin des Catering während des Festivals auf dem Weg zu selbigem bei einem tragischen Verkehrsunfall. Die Geste der Anteilnahme des Publikums ist atemberaubend. Jedes verfügbare Feuerzeug und jede Handytaschenlampe werden für die verstorbenen entzündet/eingeschaltet und gen Himmel gereckt. Ein kurzer Moment des Gedenkens. (Inquisitor)

Nichtsdestotrotz muss das Festival ja weitergehen. Und so stehen mit Amon Amarth nun die dritten Schwedentotberserker auf den Brettern. Das Bühnenbild ist identisch zur letzten Tour. Optisch steht das Tor nach Gondor auf der Stage. Die aufblasbaren Wikingerstatuen mit leuchtenden Augen bilden für das erste Drittel der Show die Kulisse. Showkämpfer, die sich gegenseitig auf der Bühne abschlachten oder auch der Verräter-Gott Loki, der bei “Deceiver Of The Gods” auftaucht, sind zu sehen. Auch der Drumriser in Form eines sehr klischeehaften Wikingerhelms, ist ebenfalls mit LED-Boards versehen, auf dem passende Einspielungen zu sehen sind.

Die Kulisse wechselt. Die Könige von Gondor… ähm ich meine die Wikingerkrieger werden gegen die Rümpfe von Drachenbooten eingetauscht. Mit “Put Your Back Into The Oar” kommt die exklusive Single, die noch vor dem aktuellem Studiowerk “The Great Heathen Army” veröffentlicht wurde, in die Setlist und das gesamte Infield wird zu “Aloha Heja He”-Gedächtnisrudern aufgefordert. Auch ein wenig Wikingerkeile gibt’s unter anderem noch mal bei “Pursuit Of The Vikings”, bevor auch die Drachenboote ins Trockendock schippern. Zum großen Finale zeigt die Midgardschlange dann noch einmal ihre hässliche Visage und wird von Johann Hegg in Vertretung für Thor mit einem Hammer erschlagen, während er “Twilight Of The Thundergod” ins Mikro grunzt. (Inquisitor)

Feierabend ist aber noch nicht. Phill Campell And The Bastard Sons, heute mit dem Zusatz „Plays Motörhead“ sorgen noch für eine Stunde Alarm für Bettflüchtige. Mit “Damage Case”, “Rock Out”, und “Stay Clean” rotzt man gleich mal eine gute Mischung aus alt, neu und nicht ganz so alt in die Menge. Der Mann am Mikro ist wohl auch der Einzige in der Band, der nicht mit dem Ex-Motörhead-Klampfer blutsverwandt ist. Er lässt es sich daher auch nicht nehmen, das Publikum mit anzustacheln ein gepflegtes „Fuck You Tyla“ Bassist Tyla Campbell entgegenzuschleudern.

Stimmlich ist er zwar weit von Lemmy entfernt. Macht aber nichts, da es sich hier mitnichten um eine “Wir wollen authentisch Motörhead kopieren” Band handelt. Darum knallen Klassiker wie “Ace Of Spades” oder das immer etwas verzichtbar erscheinende “Going To Brasil” auch wesentlich jugendlicher durch die PA. Nach einer guten Stunde ist aber Schicht im Schacht. Mit “Overkill” beendet man das Set fast auf den Punkt genau, als auch schon das Abbaukommando die Wellenbrecher zusammenpackt. (Inquisitor)

Rockharz Open Air 2023 – Das Fazit

Trotz einiger organisatorischen Mängel, die im nächsten Jahr definitiv abgestellt werden müssen, harzen auf dem Rockharz lohnt sich jedes Jahr. (Inquisitor)

Das Rockharz hat auch 2023 wieder sehr viel Spaß gemacht. Die Location ist einmalig, die Stimmung super und die Organisation passt auch in den allermeisten Fällen. Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis bei Essen und Getränken war überwiegend fair. Einige Engpasse gab es allerdings in den Abendstunden an den Theken. Dass man fast den kompletten Gig einer Band verpasst, weil man auf sein Getränk wartet, kann einfach nicht sein. Insgesamt hat sich gezeigt, dass die Kapazität des Infields nun endgültig ausgereizt ist. Und auch bei der Belegung des Campgrounds muss man feststellen, dass es gefühlt jedes Jahr enger wird.

Nichtsdestotrotz überwiegen die positiven Eindrücke. Man sieht mit wieviel Herzblut die Macher hier am Werk sind und versuchen sich jedes Jahr weiterzuentwickeln. Auf eine Neuerung möchten wir hier noch einmal besonders hinweisen. Das Inklusionscamp.

Die Größe des Camps für Menschen mit Handicaps wurden gegenüber dem Vorjahr um das 2,5fache vergrößert und beherbergte während des Festivals ca. 200 Menschen. Für den Zugang wurde eine eigene Rezeption eingerichtet, die 24 Stunden besetzt war. Außerdem war ein Team der Lebenshilfe Braunschweig mit 24 Leuten vor Ort, um Pflegedienstleistungen aller Art anzubieten. Zudem gab es einen mobilen Hilfsmittelverleih und einen Reparaturservice für Rollstühle usw. Und um den Rollis den Zugang zum Gelände zu erleichtern, wurden an verschiedenen Schwerpunkten spezielle Überfahrbrücken erstellt. Wir finden diese Entwicklung sehr lobenswert und freuen uns, dass das Rockharz das Thema auf weiterhin vorantreiben möchte. (Erle)

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